Montag 11.08.2025
Ganz gemütlich sitze Ich mit Anastasia am Küchentresen und frühstücke. „Was sind deine Pläne hier in Ushuaia?“ fragt sie mich, Ich zähle ein paar Wanderungen auf, von denen Ich gelesen hatte – abgesehen davon viel mir nicht viel ein, was man am Ende der Welt machen könnte. „Wenn du Lust hast, können wir heute Kajaken gehen!“ schlägt Anastasia mir vor; sie ist Mitglied in dem örtlichen Paddelverein. Den Vormittag über machen wir uns langsam fertig und fahren dann mit einem Bus zum etwas außerhalb der Stadt gelegenen Vereinsheim. In der kleinen Holzhütte waren wir bei Keksen und Tee noch eine weitere Stunde, bis die Ebbe vorbei und das Wasser an der Einstiegsstelle tief genug ist. Lautlos gleiten unsere Boote durch das spiegelglatte Wasser des Beagle-Kanals – was für ein traumhafter Ort! Entlang der Küste paddeln wir einige Kilometer zu einer Landspitze und von dort wieder zurück. Zwischendurch entdecken wir einen kleinen Seehund, der als wir uns ihm nähern, aber schnell wieder untertaucht. Obwohl wir mehrere Stunden unterwegs und meine Handschuhe schon nach den ersten Minuten nass sind, beginnen meine Hände dennoch nicht zu frieren. Erst als die Boote wieder aus dem Wasser tragen, merke Ich die Kälte und bin froh, dass im Vereinsheim inzwischen ein kleines Kaminfeuer brennt. Anastasia geht im Anschluss ans Paddeln direkt noch ins Fitnessstudio, Ich mache mich auf den Weg nach Hause, um dort endlich meinen schon ein paar Tage überfälligen Blog-Beitrag hochladen zu können. Am Abend kochen wir gemeinsam – wobei mein Beitrag dabei in erster Linie aus Abwaschen besteht. Naja, jeder was er kann – im Kochen ist Anastasia zweifellos besser!
Dienstag 12.08.2025
Zügig verlasse Ich nach dem Frühstück das Apartment und lasse mich von einem Uber zu Beginn des für heute geplanten Trails bringen. Auf Anastasias Empfehlung wollte Ich heute zu einer Eishöhle am Fuße des Vinciguerra-Gletschers wandern. Die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau – perfektes Wetter! Am Trailhead steht ein großes „Sendero cerrado!“-Schild. Schon auf den ersten hundert Metern wird klar, warum: Der gesamte Weg ist komplett vereist – mit Schlittschuhen, wäre man hier besser unterwegs. Glücklicherweise bin Ich vorbereitet: Anastasia hatte mir ihre Steigeisen mitgegeben – mit denen lässt sich die glatte Eisoberfläche problemlos begehen. Kilometer um Kilometer geht es einen bewaldeten Hang entlang in die Höhe. In meinen dicken Klamotten komme Ich ganz schön ins Schwitzen. Als Ich nach zwei Stunden dann endlich die Baumgrenze erreiche, bietet sich mir ein fantastischer Ausblick über die verschneite Berglandschaft. Nach einem letzten steilen Anstieg, auf dem Ich mich besonderes in Zeug lege, um eine Wandergruppe, auf die Ich soeben gestoßen war zu überholen, stehe Ich schließlich vor der gefrorenen und mit Schnee bedeckten Gletscher-Lagune. Wow! Nachdem Ich die Eisfläche überquert habe, lässt sich schnell anhand einiger anderer Wanderer erkennen, wo sich die Eishöhlen befinden müssen. Eine freundliche ältere Wanderin leiht mir ihren knallpinken Helm, um in das Loch im Schnee hinabzusteigen und einen Blick in die engen Katakomben unter dem Eis zu werfen. Die aus zwei weiteren Personen bestehende Wandergruppe der Wanderin adoptiert mich für den Abstieg, sorgt dafür, dass Ich auch sicher genug Fotos von mir habe und teilen sogar ihren Eintopf mit mir, den sie sich mit auf den Berg gebracht haben. Allein war Ich auf den Berg gestiegen, zu viert komme Ich von ihm herunter – Ich fühle mich zurückerinnert an die Dolomiten-Tour, die Ich vor ziemlich genau zwei Jahren gemacht hatte.
Mittwoch 13.08.2025
Auch für den heutigen Tag steht eine Wanderung auf dem Plan. Da der entsprechende Trail einige Kilometer außerhalb direkt an der nach Ushuaia führenden Hauptstraße liegt, erhoffe Ich mir per Anhalter dorthin gelangen zu können. Eine halbe Stunde laufe Ich immer wieder meinen Daumen ausstreckend in Richtung Ortsausgang bis tatsächlich ein Auto mit einer Familie darin stoppt. Sie sind auf dem Weg zu einem anderen Wanderweg und bieten mir an sie bei diesem zu begleiten. Eine knappe Stunde wandern wir gemeinsam zu einem kleinen Wasserfall und einem Aussichtspunkt, bevor mich die Familie an dem Trailhead meiner eigentlich geplanten Wanderung, der Laguna Esmeralda, absetzt. Auf einem verschneiten Weg führt der beliebte Trail durch eine winterliche Waldlandschaft. Obwohl der Trail nur wenig Steigung aufweist, komme Ich langsam voran – bei jedem Schritt schmerzen meine Füße, an denen sich durch die Steigeisen bei der gestrigen Wanderung Blasen gebildet hatten. Auf halber Strecke schnalle Ich die Steigeisen letztendlich ab und laufe ohne weiter – das ist angenehmer, wenngleich Ich nun bei jedem Schritt aufpassen muss, dass Ich mich nicht auf die Schnauze lege. Die Laguna Esmeralda ist – zumindest im schneebedeckten Zustand – nicht ganz so beeindruckend wie die gestrige Gletscherlagune, zumal eine Wolke auf dem Berg hinter ihr festhängt. Nach ein paar Fotos mache Ich mich langsam auf den Rückweg. Am späten Nachmittag bin Ich zurück in Anastasias Apartment und ruhe mich dort ein wenig aus. Am Abend kochen wir wieder gemeinsam, bevor Ich eine letzte Nacht den Luxus einer warmen Couch genieße.
Donnerstag 14.08.2025
Die Idee früh aufzustehen um ordentlich Kilometer schrubben hatte Ich schnell verworfen. Stattdessen frühstücken Anastasia und Ich auch heute Morgen ganz gemütlich, bevor Ich mich gegen Elf dann von meiner Gastgeberin verabschiede und auf den Weg zur Straße mache. Nach kurzem warten gabelt mich der Fahrer eines weißen Vans, der die Gäste einer Lodge abholen soll, auf und nimmt mich mit zum Ortsausgang. Neben den liebevoll gestalteten Türmen am Eingang Ushuaias, muss Ich dann mehr als eine Stunde warten, bis der junge Fahrer eines VW-Golfs hält und mir die Tür öffnet. Auf der dreistündigen Fahrt halten wir um die Mittagzeit herum an einer Raststätte und man gibt mir einen Burger aus. In Río Grande lässt man mich an einer mir bekannten Tankstelle heraus – hier hatte Ich auf dem Hinweg die letzte Nacht verbracht. Zügig bekomme Ich einen Lift zu einem Kreisel auf der anderen Seite der Stadt, von dem Ich mir bessere Chancen erhoffe. Ein Großteil des an mir vorbeifahrenden Verkehrs besteht aus stark getunten Kleinwagen, die Teil des „Gran Premio de la Hermandad“, einer heute auf Feuerland stattfindenden Autorally, sind – von denen nimmt nachvollziehbarerweise niemand einen Tramper mit. Alle nicht zur Rally gehörenden Fahrer deuten mir per Handzeichen an, dass sie nicht weit fahren würden – dass lässt mich stutzig werden, denn auf meiner Karte existiert auf den nächsten hundertfünfzig Kilometern keine nennenswerte Abfahrt. Stundenlang geht es so weiter, bis Ich irgendwann beschließe zu Fuß die Straße weiter hinabzulaufen, um die mysteriöse Kreuzung ausfindig zu machen, an der – den mir gegebenen Handzeichen nach – nahezu der gesamte Verkehr nach links abbiegen müsste. Doch egal wie weit Ich laufe – Ich finde keine Abfahrtsmöglichkeit! Inzwischen dämmert es. Ursprünglich war mein Tagesziel gewesen, es bis zu einem gut bewerteten Campingplatz im letzten Dorf vor der Magellanstraßen-Fähre zu schaffen, inzwischen hoffe Ich zumindest noch bis zum argentinischen Grenzposten zu gelangen, von dem andere Reisende berichtet hatten, dass sie dort in einem Raum die Nacht hatten verbringen dürfen. Doch mit jeder weiteren Minute, die verstreicht, wird das immer unrealistischer. Auch nach Sonnenuntergang versuche Ich mich verzweifelt im Licht einer Straßenlaterne noch daran ein Auto zu stoppen, doch bleibe erfolglos. Die mit der Nacht hineinbrechende Kälte zwingt mich irgendwann aufzugeben und in der dunklen Graslandschaft mein Zelt aufzuschlagen.
Freitag 15.08.2025
Durch die kalte Nacht und das frühe ins Bett gehen, bin Ich schon früh wach. Bibbernd warte Ich noch einige Zeit in meinem Schlafsack, bis Ich es für spät genug befinde, um aufzustehen. Während es langsam heller wird – vom Sonnenaufgang merkt man aufgrund des wolkigen Wetters nicht viel – laufe Ich zurück zu dem Kreisel, an dem Ich bereits gestern Stunden verbracht hatte. Es herrscht kaum Verkehr, Rally-Autos sind keine mehr unterwegs, was sich nicht geändert hat sind die nach links deuteten Handzeichen aller anderen Fahrer. Resigniert hole Ich mein Handy raus und Google nach Bussen: Tatsächlich gibt es einen Bus ins 423 Kilometer entfernte Punta Arenas; Abfahrt in einer Stunde – der nächste fährt erst am Montag. Ich grüble hin und her – 25 Minuten vergehen bis sich mein nicht wirklich entscheidungsfreundliches Gemüt dazu durchgerungen hat einen Uber zum Busbahnhof zu bestellen. Als dieser dann kommt und Ich in ihm sitzend das Busticket kaufen will, ist dieses von der Website verschwunden – eine halbe Stunde vor Abfahrt schließt der Verkauf. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, bis wir das Terminal im Zentrum von Río Grande erreichen. Hastig stürme Ich zum Busfahrer, drücke ihm mein Gepäck in die Hand und renne dann zu dem kleinen Ticketschalter, an dem man mir glücklicherweise noch ein Ticket verkauft. Im Bus ist es warm, es gibt WLAN und zu meiner Überraschung sogar ein Croissant und Kaffee zum Frühstück. An den Grenzposten müssen wir jeweils aussteigen und Schlange stehen und auch auf die Fähre müssen wir diesmal fast zwei Stunden warten. Das Wetter bleibt den ganzen Tag über kühl und grau, Ich bin froh um meinen warmen Platz im Bus. Gegen halb sechs passieren wir eine Kreuzung nahe unserem Ziel, von der Ich den Busfahrer gebeten hatte mich dort rauszulassen. Von der Kreuzung hatte Ich nicht nur bessere Chancen weiterzukommen, auch könnte Ich an der dortigen Tankstelle einfacher mein Zelt aufschlagen als mitten in der Stadt. Eigentlich habe Ich gerade beschlossen das zu tun, da hält ein kleiner Lastwagen neben mir und bietet mir einen Lift nach Puerto Natales, meinen nächsten Zielort, an. Um halb neun erreichen wir die dunkle chilenische Stadt. Ich hatte von einem Hostel hier gehört, bei dem man auf dem Hinterhof zelten könne – doch dort angekommen klärt man mich auf, dass das im Winter nicht ginge. Ich klappere vier weitere über die Stadt verteilte Campingplätze ab, doch allesamt sind sie geschlossen. Inzwischen ist es nach 22:00 Uhr, es ist eiskalt. Alternativlos kehre Ich – nachdem Ich noch chilenisches Bargeld abgehoben habe – in das erste Hostel zurück und zahle zähneknirschend den Preis für ein Bett im Dormitory.
Samstag 16.08.2025
Was mich nach Puerto Natales gezogen hatte? Torres del Paine! – die Stadt gilt als Tor zu dem weltberühmten chilenischen Nationalpark. Doch ob Ich den wirklich zu Gesicht bekommen würde, bezweifle Ich am heutigen Morgen. Noch bis Anfang September war offiziell „Wintersaison“ und in dem Nationalpark daher bei Wanderungen ein Guide verpflichtend – und der kostete! Die Idee den W-Trek, eine beliebte fünftägige Wanderung entlang der Highlights des Parks, zu machen hatte Ich deswegen bereits vor langer Zeit verworfen. Für eine Tageswanderung zur „Base Torres“ reichte mein Budget aus, doch das Wetter war für die kommenden Tage nicht besonders rauschend vorhergesagt – und die Vorstellung 100€ für eine Tour auszugeben, um nach vierstündiger Wanderung dann vielleicht nur auf eine graue Wand aus Nebel zu blicken, gefiel mir nicht. Außerdem galt das Nationalpark-Ticket immer für drei Tage – es nur einen Tag zu nutzen wäre Verschwendung. Noch obendrauf kam, dass mich gestern der Bus, ein überteuerter Hotdog beim Warten auf die Fähre und das Hostel mehr gekostet hatten, als die gesamten anderthalb Wochen davor – entsprechend unzufrieden war Ich gerade mit meinen Ausgaben. Die Alternative? Torres del Paine auslassen, wieder nach Argentinien auf die „günstigere“ (es ist noch gar nicht lange her, da dachte Ich Argentinien sei teuer) Seite Patagoniens fahren – dort wollte Ich so oder so als nächstes hin – und in den dortigen, ebenfalls spektakulären Nationalparks wandern zu gehen. Nach einer groben Überschlagsrechnung telefoniere Ich mit meinen Eltern, um mir eine zweite Meinung einzuholen. Ihre Empfehlung: Das wetterbedingte Risiko in Kauf nehmen und den Nationalpark allen Umständen zum Trotz besuchen. Ich folge Ihrem Rat und buche – basierend auf der Wettervorhersage, die in der kommenden Woche für Dienstag die höchsten Chancen auf ein paar Sonnenstrahlen prognostiziert – drei weitere Nächte im Hostel sowie eine geführte „Base Torres“-Wanderung. Den restlichen Tag verbringe Ich dann im Hostel, tippe ein wenig an meinem Blog, gehe Einkaufen und erkunde die zu dieser Jahreszeit recht ausgestorbenen Straßen von Puerto Natales.
Sonntag 17.08.2025
Auch den heutigen Vormittag verbringe Ich im Hostel, schreibe einen Blog-Beitrag fertig und beginne gleich mit dem nächsten. Gegen Mittag habe Ich keine Lust mehr nur im Hostel zu sitzen, zumal das Wetter gar nicht ganz so schlimm ist, wie vorhergesagt. Ich erinnere mich daran, dass Anastasia mir empfohlen hatte auf den „Cerro Dorothea“ zu laufen, wenn Ich in Puerto Natales sei. Optimistisch probiere Ich mich daran zu dem etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Hügel zu trampen. Es braucht ein wenig Geduld, bis Ich Erfolg habe, erst von einem Auto zu einer Kreuzung gebracht und dann direkt vom nächsten Auto die letzten Kilometer zum sich auf der Schafweide eines Bauern befindenden Trailhead mitgenommen werde. Der Trail entpuppt sich als Matschpfad – dort wo der Schnee noch nicht geschmolzen ist, und den Boden aufgeweicht hat, ist es der Weg spiegelglatt. Die einstündige Wanderung wird so zu einer echten Herausforderung, deren Belohnung ein Blick über Puerto Natales, den „Última-Esperanza-Fjord“ sowie die umliegende Landschaft ist. Als Ich zurück in Puerto Natales bin, neigt sich der Tag langsam dem Ende. Ich laufe ein wenig an der Promenade lang und genieße den Sonnenuntergang über dem Fjord, während Ich mir an einem Foodtruck einen Burger bestellt.
Herrlich! Du schreibst sehr gut und es ist eine Freude, an Deinen Erlebnissen teilhaben zu dürfen…