Montag 31.03.2025 – Auf nach Trinidad
Da als ich aufwache, noch niemand anderes wach ist, gehe ich erstmal eine Runde schwimmen – wie es schön es doch war, auf dem Meer zu sein – und setze mich danach an meinen Blog. Einer nach dem anderen kommen erst Tim und dann Lea in den Saloon und wir frühstücken gemeinsam. Nachdem um kurz vor zehn dann auch Steffan aus seiner Kabine gekrochen kommt, fahren wir mit dem Dinghy an Land. Dort klarieren wir als erstes aus Grenada aus – nach dem Ausreisestempel verbleiben einem 24 Stunden, um das Land zu verlassen – und fahren dann mit einem Maxi-Taxi – so heißen die Sammeltaxis hier in der Karibik – zu einem Markt, wo wir uns für die kommenden Tage mit frischem Obst und Gemüse eindecken. Als wir gegen Mittag auf das Boot zurückkehren, macht Steffan uns sehr leckere Pfannen-Pizza. Tim und Ich fahren noch einmal an Land, um bei einem Supermarkt noch die letzten Dinge zu besorgen. Wenig später verschwindet jeder in seiner Kabine und es kehrt Ruhe auf dem Boot ein. Da die Winde in der Nacht am günstigsten stehen, würden wir heute Nacht nach Trinidad lossegeln. Jeder versuchte also nun noch etwas Schlaf zu bekommen, um die kurze Nacht auszugleichen. Um kurz vor zehn klingelt dann der Wecker – Tim, Lea und Steffan warten bereits im Cockpit. Innenhalb von Minuten haben wir den Anker gelichtet und die Segel gesetzt. Ohne den Luxus einer motorisierten Winsch braucht es dafür tatsächlich richtig Muskelkraft – jetzt versteh ich, warum Segeln ein Sport ist. Der Wind bläst ordentlich, der Autopilot steuert wacker gegen die gigantischen Wellenberge an.
Dienstag 01.04.2025 – Golf von Paria
Um drei Uhr löst mich Tim von meiner Schicht ab. Die Wellen waren keineswegs kleiner geworden. Das Boot schaukelt von links nach rechts, wie eine Nussschale im Wildwasserfluss. Ich rolle in meinem Bett hin und her, bis ich irgendwann die Augen zu bekomme. Als ich um neun wieder ins Cockpit zurückkehre, sind bereits die Umrisse von Trinidad am Horizont zu erkennen. Immen näher kommen die dicht bewucherten Felsklippen, bis wir am späten Vormittag dann durch eine Meerenge hindurch in den Golf von Paria – das schmale Meer zwischen Trinidad und Venezuela – einlaufen. „Die haben jede Woche irgendeinen Feiertag“ schimpft Tim – da in Trinidad gerade ein langes Wochenende ist, müssen wir mit dem Einklarieren und somit mit dem ersten Landgang bis Morgen warten. Den Rest des Tages über chillen wir also auf dem Boot. Kommende Woche würde Tim das Boot kielholen und dann noch etwas daran herumwerkeln, bevor er nach Hause nach Kanada fliegen würde. Solange Er hier sei, dürfen wir weiter auf dem Boot leben, bietet Er uns an. Für mich ist das perfekt: Ich könne also einfach bis meine Familie Ende nächster Woche kommen würde noch an Bord bleiben. Am Abend zaubert Tim ein grandioses Abendessen: Schweinebraten mit Erdnusssoße und Ofenkartoffeln. Dazu gibt es Chow – einen für Trinidad typischen Salat mit Gurken und Ananas – sowie kaltes Bier. Ein Traum!
Mittwoch 02.04.2025 – Standartroute
Um kurz nach acht erhalten wir die Freigabe, dass wir nun an Land kommen dürften. Wir legen mit dem Boot an dem kleinen Steg der Marina an und machen uns auf den Weg zur Einwanderungsbehörde. Wer glaubt Deutschland sei bürokratisch, der war noch nie mit einem Segelboot auf Trinidad. Es braucht 16 Formulare und einen langen Geduldsfaden, bis wir und das Boot offiziell eingestempelt sind. Zur Feier der erfolgreichen Überfahrt, lädt Tim uns im Anschluss ins „Wheelhouse“ – das Restaurant der Nachbar-Marina ein. Den Nachmittag verbringen wir auf dem Boot. Da unser Gas leer ist, kochen wir abends in der Outdoor-Küche am Pier der Marina. Dort treffen wir auf Pierre – Er war vor einem Jahr von Frankreich aus über den Atlantik gelangt und nun ein Jahr lang in Südamerika umhergereist, nun suchte er nach einem Boot, das ihn wieder mit zurück nach Europa nahm. Das Spannende: Seine Südamerika-Route sah fast genau so aus, wie meine geplante Route – nur andersherum. Pierre war vor wenigen Wochen mit der Fähre von Venezuela ausgekommen und kann uns so vor allem auch in Bezug auf diesen Abschnitt brandaktuelle Informationen liefern. Es ist beeindruckend, wie schnell Ich in den letzten Wochen auf einmal Gleichgesinnte kennenlernte – erst Stefan und Lea, jetzt Pierre. Während Ich in Afrika immer der einsame Exot war, befand ich mich nun wieder aus der Standart-Hauptroute für Weltumrundungen ohne Flugzeug.
Donnerstag 03.04.2025 – Und wieder auf Bootssuche …
Um halb sechs klingelt der Wecker – Tim hatte uns zu einer morgendlichen Wanderung motiviert. Gemeinsam laufen wir vier Kilometer zu einem auf einem Hügel gelegenen Funkturm und wieder zurück. Nach dem Frühstück setze ich mich dann an meinen Laptop, um einige Dinge zu erledigen und drei Nachhilfestunden zu geben. Stefan und Lea klappern derweil, die nahegelegenen Marinas auf der Suche nach einem Boot in Richtung Südamerika ab, doch Sie bleiben erfolglos. Ein Segelboot nach Guyana, Suriname oder Brasilien zu finden war von hier nahezu unmöglich – sowohl der Wind als auch eine Meeresströmung wirken nämlich genau in die entgegengesetzte Richtung. Segelboote nach Venezuela gab es – der Angst vor Piraterie bedingt – ebenfalls so gut wie gar nicht. Die einzige realistische Möglichkeit bestand somit darin ein Fischerboot nach Venezuela oder ein Containerschiff nach Guyana zu finden – doch beides stellte einen bürokratisch vor einige Herausforderungen. Zuletzt war da noch die kommerzielle Variante – die 250-US-Dollar-Fähre nach Venezuela. Sowohl Stefan als auch Lea wollen möglichst schnell von Trinidad runter, und waren daher aktiv am Boote suchen, ich hingegen würde noch zweieinhalb hier auf Trinidad bleiben. Jetzt schon ein Boot zu suchen, macht – mit dem fixen Termin des Familienbesuchs im Hinterkopf – also wenig Sinn. Innerlich hatte Ich mich sowieso bereits damit abgefunden die überteuerte Fähre zu nehmen und konzentrierte mich daher weniger aufs Boote suchen und mehr aufs Geld sparen.
Freitag 04.04.2025 – Redneck
Auf einmal bricht Hektik auf dem Boot aus. Tim hatte eine Nachricht bekommen, dass sein Boot schon früher als geplant aus dem Wasser kommen könnte – „In zehn Minuten werden wir kielgeholt“. Schnell decken wir den Frühstückstisch ab, lösen die Leinen und rangieren dann das Boot in die Slipanlage. Noch während die „Atlethia“ an dem Schwerlastkran aus dem Wasser gehoben wird, spricht Steffen und mich ein Amerikaner an. Sein Katamaran war gestern Abend kielgeholt worden, nun bräuchte er ein paar helfende Hände, um sein Genua-Segel zusammenzufalten – als Aufwandsentschädigung verspricht der Segler so viel Bier wie wir trinken könnten. Wir folgen ihm also zu seinem Katamaran – dagegen sieht selbst die „SeaEsta“ schäbig aus –, helfen ihm beim Segel zusammenlegen und setzen uns anschließend mit ihm an die Bar. Nach dem dritten Bier werden die Geschichten, die der Texaner erzählt immer wilder: Ganz lässig erzählt er, wie er einmal begonnen hatte ein Boot der venezolanischen Küstenwache zu beschießen, weil dieses ihm auf den Fersen war, als er illegal in die venezolanischen Gewässer gefahren war. Er habe ein ganzes kleines Waffenarsenal an Bord – selbstverständlich so gut versteckt, dass die Immigrationsbehörden es nicht finden würden, das wäre sonst immer so viel Papierkram. „Der hat ja mal sowas von das Klischee eines Rednecks erfüllt“ lacht Stefan, als wir uns auf den Rückweg zu unserem Boot, dass inzwischen seinen Platz an Land gefunden hatte, machen. Am Abend grillen wir in der Outdoor-Küche der Marina Burger-Pattys. Ein deutscher Tourist, dem Steffan auf Martinique begegnet war und der nun für ein paar Tage auf Trinidad umherreiste, gestellt sich zu uns. Kaltes Bier, Cocktails, selbstgemachte Burger – was will man mehr?
Samstag 05.04.2025 – Regenwetter
Ganz gemütlich schlafen wir heute aus – bis auf Tim, Er war schon am frühen Morgen mit einigen anderen Leuten aus der Marina zum Markt gefahren. Nach dem Frühstück quäle ich mich – so wirklich motiviert bin ich nicht – zu meiner wöchentlichen fünf Kilometer Laufeinheit. Im Anschluss machen Stefan, Lea und Ich uns auf den Weg zu einem nahegelegenen Containerhafen, um dort Ausschau nach einem Schiff nach Südamerika zu halten. Auf das Hafengelände rauf kommen wir nicht und so warten wir gemeinsam vor dem Eingangstor darauf, dass jemand hinauskäme. Nach einer knappen Stunde gebe ich auf und laufe zurück zur Marina, die anderen beiden versuchen weiter ihr Glück. Zurück am Boot schleife ich einige Holzteile ab, die wir bereits gestern vom Boot entfernt hatten. Tim würde im Laufe des Sommers versuchen die „Atlethia“ zu verkaufen – das Boot sei zu groß für Ihn und mache zu viele Probleme – dafür machen wir also noch einmal die kleinen Details schick. Im Laufe des Nachmittags kehren irgendwann Stefan und Lea zurück – ohne Erfolg. Den restlichen Tag über regnet es. Gemeinsam mit Tim und Lea sitze Ich unter Deck und spiele Karten. Tatsächlich regnete es, seit Ich Grenada erreicht hatte fast täglich, der Himmel war oft grau – nicht das Wetter, dass man mit der Karibik verbindet. Vor allem für meine Familie war das unschön, denn wenn ich im Moment Bilder von zuhause sah, dann war dort mehr Sonne. Doch Tim macht mir Hoffnung: Auf der Nachbarinsel Tobago, wo wir den größten Teil unseres Familienurlaubs verbringen würden, sein das Wetter besser.
Sonntag 06.04.2025 – Mit einer Leiche nach Venezuela
Stefan stand seit einigen Tagen mit der von Trinidad nach Venezuela fahrenden Fähre in Kontakt. Erst hatte er erfolglos probiert den Preis zu verhandeln, dann nach dem nächsten Überfahrtstermin gefragt – erst am 24. April würde die Überfahrt stattfinden. Nun meldete das Fährunternehmen sich mit einem neuen Angebot bei Ihm: Nächste Woche würde man einen Leichnam nach Venezuela überführen, wenn er früher nach Venezuela wolle, könne Er dort mitfahren. Die Freude darüber, was für eine kuriose Story es wäre mit einer Leiche nach Venezuela zu fahren, ist schon groß, doch noch bevor Stefan und Lea das Angebot annehmen können, macht das Fährunternehmen wieder einen Rückzieher – „Geht doch nicht!“. Ich buche meinen Platz auf der Fähre am 24.04. schonmal. Die Fähre fährt nur alle zwei Wochen und bis Mai auf Trinidad bleiben zu müssen hatte ich nicht vor, zudem sehe ich auch keine andere Option hier wegzukommen, zumal ich vorher die Zeit mit meiner Familie genießen wolle und nicht die Häfen abklappern. Nachdem Ich die Buchung getätigt habe, scrolle ich dann schonmal die Karte von Venezuela und plane etwas an meiner Route …
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