Montag 13.05.2024 – Ausgetrickst
Als mein Wecker klingelt schläft Jackie noch. Ich schleiche mich aus dem Haus und laufe zur örtlichen Polizeiwache. Zu meiner Enttäuschung ist die Schlange hier lang und so drehe ich erstmal um und hole mir etwas zum Frühstück. Als ich zum zweiten Mal in der Polizeiwache aufschlage nimmt mich ein Englisch-sprechender Polizist unter seine Fittiche und führt mich an der nach wie vor langen Schlange vorbei in das Büro. Unkompliziert, ohne meine Angaben zu prüfen oder zu hinterfragen stellt man mir hier, ein „Certificate de Residence“ aus. Wofür ich das brauche? Das Visum für Ghana kann in der lokalen Botschaft nur von Einheimischen beantragt werden. Durchreisende müssen an der Grenze ein Visa-On-Arrival beantragen – für satte 150€. In der Hoffnung etwas Geld zu sparen, hatte ich also kurzerhand beschlossen – nur auf dem Papier selbstverständlich – nach Abidjan zu ziehen, um das Visum so hoffentlich 90 Euro günstiger in der Botschaft zu bekommen. Der freundliche Polizist könnte noch ein kleines Trinkgeld vertragen, für die schnelle Prozedur, erklärt er mir, doch ich tue das einfach mit einem Lachen ab. In einem Copyshop lasse ich mir den ganzen Stapel mit Visa-Unterlagen ausdrucken, bevor ich mich dann auf den Weg zur Botschaft mache. Im Vergleich zu gestern sind die Schmerzen wesentlich weniger geworden, dennoch zieht es weiterhin bei jedem Schritt schmerzhaft in meinem Oberbauch – allerdings nicht mehr genug um mich davon abzuhalten die acht Kilometer zur Botschaft zu laufen. Auf meinem Spaziergang staune ich nicht schlecht, wie modern Abidjan doch ist: Jedes Viertel besitzt einen BurgerKing, alle Straßen sind geteert, Linienbusse fahren scheinbar offizielle Routen und halten an kleinen Bushäuschen, ein Schild droht Wildpinklern, Bilder von ihnen auf YouTube zu veröffentlichen. Es gibt nur wenig Dinge, die dagegen sprechen, dass Abidjan nicht auch eine Stadt irgendwo in Europa sein könnte. In der Botschaft angekommen, passiert direkt, was ich befürchtet hatte „Das Zertifikat gilt bei uns nicht, du brauchst eine Einwohnerkarte“ „Die, die man erst nach sechs Monaten bekommt?“ „Genau!“. Man scheint mir allerdings wohlgesonnen, nimmt meine Unterlagen, fragt ein paar Kollegen und bittet mich dann mein Visum zu bezahlen. Ich entscheide mich 60.000 CFA (91,51€) für die in drei Tagen fertige Express-Option zu zahlen – das sind immer noch 60€ weniger als an der Grenze. Vor mich hin grinsend mache ich mich bereits eine halbe Stunde, bevor ich eigentlich meinen Termin gehabt hätte, auf den Rückweg und schlage gegen Mittag zum Ultraschall in der Arztpraxis auf. Während man mir heute morgen erzählt hatte, dass der für das Ultraschall zuständige Arzt noch nicht da sei, sei er jetzt schon nicht mehr da – man gibt mir einen Termin für morgen. Im nahegelegenen SuperU-Supermarkt versorge ich mich mit Müsli und kehre danach ins Apartment zurück. Nachdem ich etwas Zeit zum Ausruhen hatte, gebe ich zwei Nachhilfestunden und widme mich am frühen Abend dann der zweiten Aufgabe des Tages: Das Paket mit meinem Netzteil das meine Eltern, vor zweieinhalb Wochen hierher geschickt hatten, sollte inzwischen längst da sein. Das Online-Tracking ist fester Überzeugung, dass das Paket den Paketshop in Hamburg nie verlassen habe, der wiederum sagt das Paket sei nicht mehr dort. Ich laufe also zu einer am Stadtrand gelegenen Mall, in der sich der DHL-Paketshop befindet, den wir als Zieladresse angegeben hatten. Dort erklärt mir eine freundliche Dame, dass mein Paket nicht mit DHL sondern mir der Deutschen Post versendet wurde – das sei nur in Deutschland dasselbe nicht aber international. Wenn man Paket irgendwo in der Elfenbeinküste wäre, dann im Verteilzentrum der lokalen Post. Ich streife noch eine Runde durch die Mall – neben einem großen Foodcourt, gibt es hier einen Carrefour, Deichmann, Samsung und viele weitere westliche Geschäfte – bevor ich mich auf den Rückweg mache.
Dienstag 14.05.2024 – Keine Ahnung
Mein Ultraschalltermin beginnt erst um zwölf, ich hätte vorher also genug Zeit mein Paket zu suchen. Nachdem ich eine Brücke, die über eine kleine Lagune führt überquert habe, schein ich schlagartig von Europa wieder Afrika zu sein. Es ist erschreckend wie nah die zwei Welten hier aneinander leben. Die Wegbeschreibung, die man mir gestern Abend gegeben hatte, führt mich in ein am äußersten Stadtrand gelegenes Industriegebiet. Dort finde ich nach ein bisschen herumfragen, dann tatsächlich das Verteilzentrum von „Tri Postal“. Man gibt meine Sendungsnummer im System ein und erklärt mir dann, dass das Paket noch nicht hier angekommen sei. Immerhin kann man mir hier sagen, dass das Päckchen wohl am zweiten Mai von Frankfurt aus Deutschland verlassen habe. Wo das Päckchen jetzt ist? Keine Ahnung. Wann das Päckchen hier ankommen würde? Keine Ahnung. Innerlich schreibe ich das Päckchen als verschollen ab – schön, dass ich inzwischen nicht mehr auf dessen Inhalt angewiesen bin. Beim Arzt hieß es gestern, der Arzt käme extra nur für mich, davon spüre ich heute wenig. Eineinhalb Stunden darf ich warten, bis ich man mir dann nach einem fünfminütigen Ultraschall sagt, dass ich kerngesund sei. Naja, irgendeinen Grund werden die Schmerzen schon haben, aber immerhin scheint es nichts Schlimmeres zu sein. Ich gehe erstmal etwas essen – man hatte mich gebeten nüchtern zum Ultraschall zu kommen und entsprechend stark knurrt mein Magen. Den Nachmittag über regnet es. Monoton plätschert das Wasser an meinem Fenster vorbei – immerhin funktioniert hier das Entwässerungsystem. Am Abend komme ich das erste Mal dazu mich länger mit Jackie zu unterhalten. Während wird Stück für Stück einen Teller Mangos verputzen, stellen wir fest das sich das deutsche und das taiwanesische Schulsystem ziemlich ähnlich sind.
Mittwoch 15.05.2024 – Zerreißprobe
Heute weckt mich kein Wecker. Abgesehen davon auf mein Visum – und vielleicht noch auf das Paket – zu warten habe ich in Abidjan alles erledigt. Sehenswürdigkeiten hat die Stadt nicht wirklich zu bieten. Okay, da wäre ein leerstehender pyramidenförmiger Lost-Place direkt auf der anderen Straßenseite, eine Moschee und eine Kirche, in die man aber beide als Tourist nicht reinkommt, und dann wäre da noch das Fußballstadion, dass zugegebener Maßen aber – wenn hier nicht gerade der Africa-Cup stattfindet – auch nicht wirklich interessant ist. Meine Langeweile übertöne ich mit YouTube-Videos. Da ich die App gelöscht habe, gibt es kein eigestelltes Zeitlimit mehr, denn für einzelne Website lässt sich das nicht festlegen. Erst ein kritischer Blick auf meine Bildschirmzeit bringt mich dazu, dem sinnlosen Video-Gucken ein Ende zu setzen. Ich sehne mich nach Kontakt, nach Menschen um mich herum, doch die sind hie rar gezählt. Seitdem ich aus Deutschland zurückgekommen war, hatte ich nicht mehr einen einzigen anderen Reisenden getroffen. Während man in Südamerika oder Südostasien als Solo-Backpacker schnell unzählige gleichgesinnte Menschen trifft, stellt (West-)Afrika eine soziale Zerreisprobe dar – ich würde tatsächlich behaupten, dass das, der Mangel an sozialem Kontakt mir Gleichgesinnten, das Schwierigste auf der aktuellen Etappe ist. Ich habe die letzten sieben Tage kaum ein Gespräch geführt, dass länger als fünf Minuten dauerte, mein größter sozialer Kontakt besteht in meinen Nachhilfestunden und den wöchentlichen Videoanrufen mit meiner Familie. Obendrein schränkt einen die oft begrenzte Internetverdingung noch in der Nutzung sozialer Medien, mit denen man sich von der Einsamkeit ablenken könnte ein. Ich ende damit, mir ein Buch herunterzuladen. Ob es jetzt soviel besser ist den ganzen Tag ein Buch zu lesen, als YouTube zu gucken, weiß ich nicht – immerhin ist es gesellschaftlich akzeptierter. Wobei man damit eigentlich nur ein anderes Medium benutzt um den selben Zweck zu erfüllen. Am Abend beginne ich gemeinsam mit Jackie ein 3D-Puzzle des Stadtteils „La Plateau“, in dem sich seine Wohnung befindet, zu bauen – ein Produkt eines lokalen Spielwarenunternehmens, das unter anderem auch dunkelhäutige Puppen für Kinder produziert, erzählt Jackie mir. Das 3D-Puzzle scheint eher weniger für Kinder geeignet zu sein – die Anleitung fordert sämtliche Interpretations- und Konstruktionsskills. Dagegen sind IKEA-Schränke Anfängerlevel!
Donnerstag 16.05.2024 – Schimmel
Als ich am Morgen meine Sachen etwas zusammen räumen möchte, mache ich eine unschöne Entdeckung: Meine Isomatte schimmelt und auch mein Zelt ist nicht verschont geblieben, den Schlafsack mache ich lieber gar nicht erst auf. Seit zwei Wochen hatte ich nicht mehr gezeltet, in der letzten Nacht davor hatte es etwas geregnet und nun hatte sich das, was ich die ganze Zeit schon leise geahnt hatte bewahrheitet. Ein unangenehmer Geruch füllt mein Zimmer. Mit einem Lappen versuche ich mittelmäßig erfolgreich die gröbsten Schimmelflecken zu entfernen – da kommt zwar einiges an Dreck runter, der Geruch ist aber weiterhin übel. Im Supermarkt google ich dann erstmal, was „Schimmel“ auf Französisch heißt, kaufe eine Flasche Schimmelentferner – glaube ich zumindest – und tränke meine Luftmatratze darin. Ob der extreme Chemikaliengeruch so viel besser ist, als der vom Schimmel? Hmm, weiß ich nicht. Jackies Putzfrau beansprucht nun erstmal die Wohnung, ich fliehe also in Richtung Botschaft – mein Visum dürfte abholbereit sein. Anders als beim Antrag nimmt man die Zeiten für die Abholung der Visa scheinbar ernst. Knappe drei Stunden darf ich warten bis man mir endlich meinen Reisepass mit dem eingeklebten Visa-Sticker aushändigt. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich, wenn ich zurück laufen würde, zehn Minuten nach Beginn meiner um 16.00 Uhr startenden Nachhilfestunde zuhause wäre – das hole ich noch auf! Hinter mir zieht derweil eine tiefschwarze Gewitterfront heran. Schnellen Schrittes fliehe ich vor dieser und bin am Ende eine ganze Viertelstunde vor Beginn der Nachhilfestunde zuhause. Nach der zweiten Nachhilfestunde kommt Jackie nach Hause und wir vollenden das gestern angefangene 3D-Puzzle.
Freitag 17.05.2024 – Welcome to Ghana
Nachdem ich mich von Jackie verabschiedet habe, laufe ich zum Busbahnhof. Heute gönne ich mir keinen Reisebus, denn an die 180km entfernte ghanaische Grenze fahren genug Buschtaxis. Knappe zwei Stunden dauert es, bis der Minivan voll genug ist damit wir unsere Fahrt starten können. Nun wieder der Küstenlinie folgend fahren wir in Richtung Grenze. Rechts und links der Straße erstrecken sich endlose Plantagen ordentlich in Reihe und Glied gepflanzter Palmen. Palmöl, erklärt mir mein TikToks guckender Sitznachbar auf Nachfrage. Kaum ist unser Auto vor der Grenze zum Stehen gekommen, reißen bereits ein paar Jungs die Kofferraumklappe auf und beginnen das Gepäck auszuladen. Einer schnappt sich meinen Rucksack. Auf meine Frage, was das werden soll, antwortet man mir, dass man den Rucksack in das Auto lade. Ähh … nein danke, ich laufe!! Zügig landet der Ausreisestempel in meinem Pass. Dann geht es zu Fuß über die den kakaobraunen Grenzfluss überspannende Brücke auf die ghanaische Seite. Ein großes Schild „Welcome in Ghana“ proklamiert, dass ich mich nun im siebzehnten Land auf meiner Weltreise befinde – Ghana! Meine Erwartungen an den Küstenstaat, der als das Wirtschaftswunder Westafrikas gilt, sind hoch. Das Essen soll gut sein, die Menschen sprächen Englisch und auch in touristischer Hinsicht soll Ghana interessanter sein, als die Elfenbeinküste. Der Visa-Offizier singt fröhlich die in seinem Büro laufenden christlichen Lobpreislieber mit, während er mir den Einreisestempel in den Pass drückt. Unübersehbar, keine hundert Meter hinter der Grenze sticht mir der blaue Ecobank-Bau ins Auge, an dessen Geldautomaten ich unkompliziert 4000 ghanaische Cedi (254,87€) abheben kann. Die mit coolem Hologrammeffekt versehenen Banknoten passen weder in meinen Dokumentenbeutel, noch in meinen Geldbeutel, so groß sind sie. An einem kleinen Häuschen kaufe ich mir direkt eine neue SIM-Karte, bevor ich mich am einem Restaurant am Straßenrand zum Mittagsessen niederlasse. Für 20 Cedis (1,27€) gibt es einen Teller – Trommelwirbel – Fisch mit Reis, zugegeben aber der beste Fisch mit Reis, den ich seit Langem hatte. In einem Taxi mache ich mich auf den Weg zu meinem heutigen Ziel, einem kleinen Dorf direkt am Meer einige Kilometer hinter der Grenze. Auf der Fahrt fällt mir extrem auf, das Ghana wesentlich christlicher geprägt zu sein scheint, als die vorherigen Länder. Unzählige Menschen tragen T-Shirts mit Bibelversen, es gibt Kirchen, wie Sand am Meer, und selbst die Geschäfte ziehen christliche Slogans. Auf schlechten Straßen erreichen wir Atuabo. Unter der Bedingung, dass ich abends dort esse, darf ich auf Gelände eines Restaurants direkt am Strand campen. Zügig habe ich mein Zelt unter den Palmen aufgebaut und dieses vollständig mit einer Ladung Schimmelentferner getränkt, dann springe ich endlich in den brausenden Atlantik. Als ich am Abend ins Zelt krieche, riecht dieses noch ein bisschen nach frisch gechlortem Schwimmbad – den Geruch bin ich Gewohnt … definitiv besser auszuhalten, als der gammlige Geruch vorher.
Samstag 18.05.2024 – Stelzendorf
Nach einer morgendlichen Nachhilfestunde mache ich mich auf den Weg ins fünf Kilometer entfernte Beyin. Von dort aus sollen Touren in das auf Stelzen über einem See gebaute Dorf „Nzulezo“ beginnen. Am Tourismus-Büro des kleinen Ortes, herrscht bereits großer Andrang. Zwei Reisebusse mit ghanaischen Schulklassen sind gerade angekommen. Der Liste in die ich mich eintragen muss entnehme ich, dass in erster Linie lokale Besucher aus Ghana das Dorf besichtigen. Auf der Seite auf der ich meine Daten hinkritzle findet sich nur ein weiterer Europäer. Die Tour kostet mich 250 Cedis (15,93€) – inklusive Privatboot und Guide. Mit diesem laufe ich zuerst zwanzig Minuten neben einem künstlich angelegten Kanal lang. In der Regenzeit sei hier alles unter Wasser, noch allerdings ist der Wasserpegel so niedrig, dass nicht mal der in den Seeboden gegrabene Kanal genug Wasser führt um mit dem Boot befahrbar zu sein. Sobald das Wasser tief genug ist steigen wir in ein Boot, mit welchem es dann erst durch zugewucherte Wasserflächen und dann auf den See geht. Nach einer viertelstündigen Fahrt erreichen wir das Stelzendorf. Das Dorf erinnert ein bisschen an die Uro-Inseln auf Titicacasee in Peru. Unter ärmlichsten Verhältnissen leben die Familien hier in den auf Stelzen im Wasser gebauten Hütten. Es gibt Strom, fließendes Wasser hingegen ist Fehlanzeige. Die Kulisse ist beeindruckend, die grauen Wellblech-gedeckten Hütten spiegeln sich in dem mit Seerosen bewachsenen See. Das ganze Dorfleben spielt sich auf den wenigen Stegen ab. Freundlich wie man ist, teilt man sein Mittagessen mit mir: Yamswurzeln, die in einen großen mit von Fischskeletten durchtränkter Soße gefüllten Topf getunkt werden. Einen Steg weiter hält man in einem aufgeschnittenen Plastikkanister bereits die nächste Mahlzeit bereit: drei kleine Schildkröten. Nach einer knappen Stunde in dem Stelzendorf machen wir uns auf den Rückweg. Den restlichen Tag verbringe ich tiefenentspannt in der Hängematte. Als ich mein Internet einschalte, um ein paar Bilder zu teilen, stoße ich auf ein Lebenszeichen von meinem Paket. Ziemlich genau um die Uhrzeit, zu der ich gestern die Grenze nach Ghana überquert hatte, sei das Paket in den Verteilzentrum in Abidjan angekommen. Mist! Da ich nicht soeben eine Grenze überqueren kann um dieses zu holen, mache ich mich in Overlander-Foren auf die Suche nach jemanden, der die Grenze in den nächsten Tagen überqueren und mir das Paket mitbringen könnte. Zum Abendessen bestelle ich mir Fufu, einen in scharfer Soße servierten Klos aus zähen aus Yamswurzel und Kochbananen bestehenden Brei, und Ziegenfleisch. Ich gebe wirklich mein Bestes, doch ich bekomme weder den Fufu, noch das Ziegenfleisch herunter.
Sonntag 19.05.2024 – Afrikanischer Gottesdienst
Am Morgen laufe ich wieder nach Beyin. Seit ich die vielen Kirchen hier gesehen hab, freue ich mich darauf an einem afrikanischen Gottesdienst teilzunehmen. In den letzten Ländern war mir das verwehrt geblieben, denn entweder gab es keine Kirchen, oder man sprach Französisch – obwohl ich immer mehr davon verstehe, entspricht eine Predigt glaube ich noch nicht meinem Sprachniveau. Nachdem ich einige Zeit vor dem „Sunday Morning Service 9.00 – 12.00 AM“-Schild gewartet habe, öffnen sich die Türen. Zu meiner Enttäuschung sprechen die Menschen um mich herum leider nur kein Englisch sondern eine lokale Stammessprache. Auf meine Nachfrage hin, erklärt man mir das auch der Gottesdienst in dieser Sprache stattfinden würde. Also doch nix mit Gottesdienst – drei Stunden lang nicht das geringste Wort zu verstehen, reizt mich wenig und so kehre ich zurück zur Unterkunft. An der Straße entlang der Küste reiht sich zu meiner rechten eine Gasfarm an die Nächste. Mehr als ein Viertel des ghanaischen Bruttoinlandsproduktes stammt aus der Öl- und Gasproduktion. Dank – für afrikanische Verhältnisse – niedriger Korruption, sorgt dieser Rohstoffreichtum für den ghanaischen Wirtschaftserfolg. Ich liege in mein Buch vertieft in der Hängematte, als Paul, der Besitzer des Strand-Restaurants mich aus meinen Träumen reißt „Möchtest du auch eine Kokosnuss?“. Er ist gerade dabei mit einer Bambusstange ein paar Kokosnüsse von den Palmen zu stoßen und serviert mir direkt zwei davon. Als ich mich am späten Nachmittag wieder aus der Hängematte erhebe, sehe ich ein weißes Gesicht am Tresen sitzen. Schnell komme ich mit Freddy ins Gespräch. Er ist Engländer und betreibt ein Palmölunternehmen hier in Ghana. Inzwischen besitzt er einen ghanaischen Pass und verbringt im Wechsel zwei Wochen in Ghana und zwei Wochen in seiner europäischen Heimat. Die erste Einladung auf ein Bier lehne ich ab – ich wolle gleich mit meiner mit meiner Familie telefonieren und Bier ist nach meinen Leberbeschwerden wohl nicht das beste Heilmittel – doch wir unterhalten uns erstklassig und so steht irgendwann doch ein Bier vor mir. Meine Reise, die ghanaische Wirtschaft, der nach wie vor enorme politische und wirtschaftliche Einfluss Frankreichs auf seine „ehemaligen“ Kolonien – es mangelt uns nicht an Gesprächsthemen. Nach dem dritten Bier – wir sprechen hier von 0,65L Flaschen – macht Freddy sich auf den Heimweg und ich torkle in mein Zelt.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!