Montag 20.10.2025
Der Montag entwickelte sich mehr und mehr zu meinem Haupt-Nachhilfetag – inzwischen waren es vier Schüler, die jeden Montag ihre Stunden nahmen. Den Vormittag über bin ich also erst einmal damit beschäftigt zu unterrichten. Als ich meinen Laptop zuklappe, ist es schon zu spät, um noch zur „Isla del Sol“. Nur dafür noch einen weiteren Tag in diesem kleinen Kaff dranhängen, wollte ich allerdings auch nicht – so kam ich am Ende doch nicht dazu die Insel zu besuchen. Am Abend steige ich ein erneut auf den „Cerro el Calvario“. War ich dort vor zwei Tagen bei Sonnenuntergang noch fast allein, sind heute eine ganze Handvoll Leute für das Naturspektakel auf den Hausberg geklettert. Auf dem Rückweg lerne ich so eine kleine Gruppe deutscher Backpacker kennen.
Dienstag 21.10.2025
Ich gebe am Morgen noch zwei weitere Nachhilfestunden, dann verlasse ich das Hostel. Mit einem Collectivo gelange ich an die nur gute zehn Kilometer von Copacabana entfernte peruanische Grenze. Der Grenzübertritt ist absolut unkompliziert – nach nur zehn Minuten stehe ich mit einem frischen 90 Tage Visum im Pass auf peruanischem Boden. Ich wechsle noch kurz ein paar US-Dollar-Noten in peruanische Soles um, und steige dann in ein Tuktuk, das mich in die erste Stadt hinter der Grenze bringt. Eigentlich wollte ich mit einem Collectivo bis an die dreißig Kilometer entfernte Schnellstraße fahren und von dort trampen, doch als ich auch nach einer halben Stunde noch der einzige Fahrgast des Sammeltaxis bin, entscheide ich mich, mich schon hier am Trampen zu versuchen – mit Erfolg! Kaum habe ich den Ortsausgang erreicht bietet ein freundlicher Mann in einem SUV mir einen direkten Lift nach Puno an. Drei Stunden lang fahren wir am Ufer des Titicacasee entlang, bis die ersten Häuser Punos auftauchen. Puno und die nahe der Stadt im Titicacasee gelegenen Uro-Inseln hatte ich vor drei Jahren besucht, als ich gemeinsam mit meiner Familie in Peru im Urlaub gewesen war – bei meiner jetzigen Reise wollte ich mich dort daher nicht lange aufhalten. Grundsätzlich plante ich in Peru in erster Linie jene Orte zu besuchen, die nicht in das Standard-2-Wochen-Touristen-Itinerary fielen. Nachdem ich in Puno ein wenig Geld abgehoben und meine SIM-Karte aufgeladen habe, mache ich mich also direkt wieder auf den Weg zur Straße und ergattere unmittelbar einen Lift in die benachbarte Stadt Juliaca. In Juliaca entpuppt sich das Trampen als schwierig. Der Verkehr in der Innenstadt ist dicht und auch als ich immer weiter aus der Stadt herauslaufe, hält einfach niemand an. Als der Sonnenuntergang das Ende des Tages einläutet, bin ich schon acht Kilometer vom Stadtrand entfernt. An einer Tankstelle schlage ich – unter knurrendem Protest eines Straßenhundes, der dort ebenfalls gerne geschlafen hätte – mein Zelt auf.
Mittwoch 22.10.2025
Der schon in den frühen Morgenstunden deutlich zunehmende Verkehr auf der Straße weckt mich. Langsam packe ich mein Zelt zusammen und positioniere mich, darauf hoffend heute mehr Erfolg als gestern zu haben, gegenüber der Tankstelle auf dem Straßenbankett. Tatsächlich hält nach knappen 15 Minuten ein Kleinlastwagen und nimmt mich zumindest in die nächste Ortschaft mit. Dort gelingt es mir nicht nur endlich meine SIM-Karte zu aktivieren – ich hatte diese zwar bereits gestern aufgeladen, doch um mit dem aufgeladenen Guthaben ein Datenpaket zu kaufen, brauchte man bereits Internet – auch gab es dort eine große Kreuzung, an der ein Großteil des so oder so nicht in meine Zielrichtung fahrenden Verkehrs abbog. Nach einer halben Stunde sammelt mich der junge Fahrer eines SUVs ein, der auf dem Weg nach Cusco ist. Einige Stunden fahren wir durch die weiten Berglandschaften des Altiplanos. Obwohl es erst acht Uhr am Morgen ist, besteht mein Fahrer darauf mich zu einer Lammkeule mit Kartoffeln einzuladen, als wir Pucara durchqueren – es gibt schlimmere Dinge, die man frühstücken kann! Nach vier Stunden Fahrt lasse ich mich schließlich etwa 90 Kilometer vor Cusco an einer Kreuzung absetzen, von welcher es mit einem Collectivo die letzten zwanzig Kilometer zu meinem Zielort, Sangarara, geht. In dem kleinen Dorf startet der Trail zu der Inka-Festung Waqrapukara, zu der ich mich morgen auf den Weg machen wollte. Den restlichen Tag über setze ich mich ins Rathaus der kleinen Siedlung – dort gibt es Steckdosen und guten Mobilempfang – und tippe fleißig an meinem Blog. Gegen Abend laufe ich einige Kilometer aus der Stadt heraus und schlage mein Zelt für die Nacht auf einer Wiese auf – gerade rechtzeitig, bevor es zu regnen beginnt.
Donnerstag 23.10.2025
Am frühen Morgen laufe ich zurück in die Stadt und vertreibe mir dort an meinem Blog tippend die Zeit – um 13 Uhr müsse ich noch eine Nachhilfestunde geben, danach könne ich dann endlich loswandern! Zwei Stunden vor Beginn der Nachhilfestunde erhalte ich die Absage, mit der ich schon fast gerechnet hatte, und schultere daraufhin unmittelbar meinen Rucksack. Normalerweise organisierte man sich für die Wanderung nach Waqrapukara ein Taxi, das einen zum knappe zehn Kilometer außerhalb des Ortes gelegenen Trailhead brachte – auf diese Weise sparte man sich einen Großteil der Strecke und vor allem 900 der insgesamt 1100 Höhenmeter des Trails. Ich hatte allerdings beschlossen darauf zu verzichten und meine Wanderung direkt aus dem Ort heraus zu starten. Serpentine um Serpentine kämpfe ich mich die steile Schotterstraße in die Höhe; die glühende Mittagssonne treibt mir den Schweiß aus allen Poren; der mit Essen vollbeladene Rucksack liegt schwer auf meinen Schultern. Nach etwas mehr als drei Stunden erreiche ich schließlich vollkommen erschöpft den kleinen Unterstand, an dem der eigentliche Trail beginnt. Ein paar Nudeln und eine einstündige Pause füllen meine Kraftreserven wieder auf und ich mache mich, nun mit traumhafter Aussicht über ein breites Tal, an die verbleibenden 200 Höhenmeter. Am höchsten Punkt der Wanderung angelangt, schlage ich schließlich mein Zelt auf einem Felsvorsprung auf und lasse den Abend dort gemütlich ausklingen. Als ich mich etwas später in mein Zelt verziehe, blitzt es in einer der Wolken am Horizont. Zwar war das Gewitter viele Kilometer weit entfernt, doch seit dem Erlebnis auf dem Roraima-Tepui in Venezuela, bekomme ich, wenn ich im Zelt schlafe und es gewittert, kaum noch ein Auge zu.
Freitag 24.10.2025
Regentropfen prasseln auf meine Zeltplane, als ich aufwache. Von der gestern noch schönen Aussicht ist nichts mehr übrig, stattdessen ist mein Schlafplatz in dichte Wolken gehüllt. Als der Regen irgendwann aufhört, quäle ich mich aus meinem Schlafsack und packe meine Sachen. Nach nur anderthalb Stunden Wanderung taucht neben mir ein beeindruckender Canyon auf; nur wenig später entdecke ich dann auf einem Felsen über den Canyon thronend auch die Inka-Festung. Waqrapukara gilt aufgrund seiner Lage, als eine der spektakulärsten Inka-Ruinen in Peru – durchaus auf Augenhöhe mit dem weltberühmten Machu Picchu. Da die Anlage allerdings recht klein, wenig bekannt und nur zu Fuß zu erreichen ist, verirren sich jeden Tag nur eine Handvoll Touristen dorthin. Eine gute Stunde lang sitze ich auf einem Felsen und beobachte, wie die Wolken durch die in typischer terrassenförmiger Bauweise angelegten Ruinen, von deren obersten Plateau aus zwei markante „Felshörner“ in die Höhe ragen, ziehen, bevor ich diese dann erkunde. Ich habe die Kulturstätte komplett für mich allein – einzig und allein eine Rangerin, die damit beschäftigt ist Bewuchs aus den historischen Mauern zu entfernen, ist auch vor Ort. Als schließlich um zehn Uhr eine geführte Touristengruppe – womöglich die einzige des Tages – auftaucht, nehme ich dies zum Anlass mich auf den Rückweg zu machen. Der Wanderweg führt direkt am Rande des Apurímac Canyons entlang. Bei herrlichstem Blick stoppe ich gegen Mittag und koche mir ein paar Instant-Nudeln. Wenig später entdecke ich bereits mein Ziel: Das kleine Dorf Huayqui, das allerdings noch gute tausend Meter tiefer als ich liegt. Steil führen die Serpentinen in einem endlos wirkenden Zickzack nach unten. Meine Beine werden mit jedem Schritt schwerer, dazu bricht noch die Hüftgurt-Schnalle meines Rucksacks, sodass dessen gesamtes Gewicht auf meinen Schultern liegt. Vollkommen entkräftet, erreiche ich am Nachmittag schließlich Huayqui und freue mich an der lauwarmen Cola, die ich in der einzigen Tienda des Dorfes bekomme. Eigentlich hatte hier heute die Nacht verbringen und dann morgen den restlichen Weg zur Hauptstraße laufen wollen doch in Anbetracht dessen, dass es hier – abgesehen von dem Tante-Emma-Lädchen wirklich nichts gab, laufe ich schon heute noch ein paar Kilometer weiter. Ich habe gerade einen geeigneten Zeltplatz gefunden und will mich dort breit machen, da kommt auf einmal ein Auto den Schotterweg entlanggerollt. Ich zögere nicht lange, strecke meinen Daumen aus und ergattere so einen Lift in die nächste nennenswerte Stadt, Acomayo. Dort gibt es noch etwas „Richtiges“ zwischen die Zähne, bevor ich mein Zelt dann am Stadtrand auf einer Wiese zwischen einigen Häusern aufschlage.
Samstag 25.10.2025
Grübelnd liege ich am Morgen in meinem Zelt. Nächste Woche wollte ich den Ausangate Circuit, einen mehrtägigen Wandertrail, der einen einmal um den gleichnamigen Gletscher herumführt, machen. Von Montag bis Donnerstag musste ich allerdings erst einmal unzählige Nachhilfestunden geben. Ursprünglich hatte ich, da auch der Ausangate Circuit südlich von Cusco lag, geplant gar nicht erst in die Provinzhauptstadt zu fahren, doch nun zog ich genau das in Erwägung. Cusco war so oder so nur noch 100km entfernt und in der Großstadt waren nicht nur die Unterkünfte günstiger und das Internet besser, auch hätte ich dort eine Chance meinen kaputten Hüftgurt zu reparieren. Mit einem Sammeltaxi gelange ich an die Straßenkreuzung, an der ich das Waqrapukara-Abenteuer vor vier Tagen gestartet hatte; von dort bekomme ich innerhalb kürzester Zeit einen Lift nach Cusco. Aus unserem Familienurlaub vor drei Jahren erinnere ich mich, wenn ich an Cusco denke, in erster Linie an eine VIEL zu ausführliche Stadtführung. Das gesamte kulturelle Programm, der für die Inka-Kultur unglaublich bedeutsamen Stadt, würde ich daher skippen. Heute mache ich aber so oder so nichts mehr: Der Muskelkater in meinen Waden ist so stark, dass ich im Hostel kaum noch die Treppen hoch und runterkomme.
Sonntag 26.10.2025
Schon gestern Abend hatte das WLAN des Hostels seinen Geist aufgegeben und auch über Nacht hatte sich daran nichts geändert. Der Rezeptionist zuckt nur mit den Schultern – er wisse nicht, wo das Problem liege, und der Kundendienst des Internetanbieters sei am Wochenende nicht erreichbar. Immerhin zeigt man sich verständnisvoll und erstattet mir und einigen weiteren Gästen, die bereits bezahlten Nächte anstandslos zurück – funktionierendes Internet ist für eine Unterkunft im Jahr 2025 mindestens genauso wichtig, wie der Schlafplatz selbst! Durchs historische Zentrum hindurch laufe ich zu meinem neuen Hostel, das sich als wahrer Glücksgriff entpuppt: Es war günstiger, zentraler gelegenen, das Internet funktionierte und zu allem Überfluss befand es sich nur zwei Straßen vom zentralen Marktplatz Cuscos, dem Mercado San Pedro entfernt. Dort gehe ich, nachdem ich meinen Rucksack im Hostel abgestellt habe, auch gleich zu Mittag essen. Den weiteren Tag verbringe ich im Hostel und gönne meinen Beinen, die sich immer noch wie Betonklötze anfühlen, etwas Erholung.





















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