Montag 18.08.2025
Einen weiteren Tag wartete Ich in Puerto Natales auf das passende Wetter für meinen Nationalpark-Besuch. Die Stadt selbst hat nicht viel zu bieten und so sitze Ich den gesamten Tag in der von einem Holzofen angenehm gewärmten Küche des Hostels an meinem Blog zu schreiben. Gegen Mittag warten zudem zwei Nachhilfestunden auf mich: Ja, richtig gehört! Nach sieben Wochen ohne eine einzige Nachhilfestunde, ging es heute wieder los – in den ersten Bundesländern waren die Sommerferien vorbei. Weil ich im Frühjahr einige Schüler auf das Abitur vorbereitet hatte, blieben nun zum Beginn des neuen Schuljahres nur noch drei Schülerinnen übrig, die Ich unterrichtete. Über die Nachhilfeplattform, mit welcher ich einst in die Tätigkeit gestartet war, hatte ich nun gar keine Schüler mehr. Der Rückgang an Schülern bereitet mir ein wenig Sorge: Ich müsste mich langfristig nach neuer Kundschaft umsehen, doch das schob Ich erstmal auf „wenn Ich aus Patagonien raus bin“ auf.
Dienstag 19.08.2025
Um fünf Uhr klingelt mein Wecker. Zwei Minuten später ruft mich jemand an „Where are you? We are waiting for you?“. Ich gucke noch einmal auf die Uhrzeit auf meinem Handy, dann steht schon der Tourguide in der Tür und spricht das Offensichtliche aus: Meine Uhr ging falsch. Am südlichen Zipfel Chiles war es eine Stunde früher als im Rest des Landes – das hatten weder Ich noch mein sich eigentlich automatisch an die lokale Zeit anpassendes Handy mitbekommen. Man gibt mir zehn Minuten bis Ich mit meinen Sachen an der Straße muss, solange würde man andere Tour-Teilnehmer einsammeln. Als der weiße Minibus zwei Stunden später den „Torres del Paine“-Nationalpark erreicht, ist die frühmorgendliche Verwirrung vergessen. Im dichten über der Landschaft liegenden Nebel starten wir unsere Wanderung – man kann kaum zehn Meter weit gucken. Steil führt der matschige Pfad in die Höhe. Schon bald splittet sich unsere Tourgruppe in einen langsameren und einen schnelleren Part auf. Unser „Pace“ gefällt mir ganz gut – weder kommt man außer Atem, noch fühlt man sich dauerhaft ausgebremst. Es beginnt zu regnen. Nach zwei Stunden erreichen wir eine geschlossene Campsite und legen dort eine Pause ein – etwa die Hälfte des Aufstiegs war geschafft. Ab nun wird es noch steiler, es liegt Schnee, in Serpentinen führt der Wanderweg durch ein Geröllfeld einen Hang hinauf. Die grauen Wolken verschwinden langsam und geben – erst nur ein ganz wenig, dann immer mehr – blauen Himmel frei und vor uns tauchen die drei weltbekannten Granitsäulen auf. Als wir final die zugefrorene Lagune erreichen, kommt sogar ein wenig die Sonne raus – perfektes Timing. Zieht man fürs Fotografieren die Handschuhe aus, so sind die Hände innerhalb wenig Minuten blaugefroren – doch der beeindruckende Blick lässt einen das Verzeihen. Nach einer Stunde an dem Aussichtpunkt machen wir uns an den Abstieg, bei dem sich trotz Wintersaison auf dem schmalen Pfad eine regelrechte Schlange. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie der Trail bei dem 13-fachem Touristenaufkommen in der Hauptsaison aussehen mag. Als wir wieder an dem Campingplatz auf halber Strecke ankommen, ist der Berg gerade wieder in dichten Nebel gehüllt – wir hatten genau den richtigen Zeitpunkt erwischt! Erschöpft kommen wir gegen 16:00 Uhr wieder an unserem Shuttle-Bus an und fahren zurück nach Puerto Natales. Eigentlich hatte Ich gehofft auf einer der Campsites im Nationalpark bleiben zu können, doch der Touranbieter war verpflichtet alle Teilnehmer auch wieder aus dem Nationalpark mitzunehmen. Als Kompromiss handelte Ich aus, dass man mich zumindest in einem Dorf auf halbem Weg absetzte. Dort schlage Ich – im Busterminal des Ortes Schutz vor dem Wind suchend – mein Zelt auf und lege mich zur Ruhe.
Mittwoch 20.08.2025
Die Tatsache, dass mein Eintrittsticket in den Nationalpark für 72 Stunden gültig war, reizte mich, mich daran zu versuchen per Anhalter noch einmal in den Nationalpark zu kommen. Zwar konnte ich dort ohne Guide keine großen Wanderungen machen, doch es gab einen Aussichtspunkt, den ich gerne sehen wollte. An der Straße angekommen will ich eigentlich zuerst etwas frühstücken, doch es kommt direkt ein Auto, ich strecke vorsichtig meinen Daumen aus und das Auto hält abrupt an – das war ja mal einfach! Ein vielleicht dreißigjähriger Mexikaner und seine Mutter sind ebenfalls auf dem Weg nach „Torres del Paine“. Auf der Fahrt bietet sich uns ein spektakulärer Doppel-Regenbogen über der Berglandschaft dar. An der Ranger-Station angekommen, steige ich aus – meine beiden Fahrer planen weiter zum „Base Torres“-Trailhead fahren, den kannte ich bereits. Doch die beiden Mexikaner haben sich unzureichend informiert – einer der Ranger erklärt ihnen, dass sie die Wanderung ohne Guide nicht machen könnten, zumal es so oder so schon zu spät für den langen Trail war. Was für meine Fahrer eine Hiobsbotschaft ist, soll für mich der Jackpot sein: Sie haben ein Auto und nun keine Idee, was sie tun können. Ich sprudle nur so vor Orten, zu denen ich hinwill, habe aber keinen fahrbaren Untersatz. Wir steigen also gemeinsam wieder in den Kleinwagen und ich lotse uns von einem spektakulären Aussichtspunkt zum nächsten. Das Wetter spielt bis kurz vorm Ende mit – hinter uns zieht es sich zu, dort wo wir sind, ist blauer Himmel. Zwischendrin gelingt es uns sogar noch eine kurze, einstündige Wanderung zu machen, die auch ohne Guide erlaubt ist. Den ganzen Vormittag lang fahren wir kreuz und quer durch den Nationalpark, bis ich mir sicher bin, dass wir ziemlich alles gesehen haben. Als ich nach sechs Stunden wieder an demselben Ort aussteige, an dem man mich am Morgen aufgegabelt hatte, sind alle glücklich „Du solltest da als Guide arbeiten. Ohne dich wären wir einfach umgedreht und zurückgefahren!“. Cerro Castillo liegt direkt an der Grenze zu Argentinien. In Anbetracht dessen, dass es erst früher Nachmittag ist, male ich mir gute Chancen aus diese heute noch zu überqueren und es nach El Calafate zu schaffen. Doch in zwei Stunden, die ich an dem einsamen Grenzübergang warte, quert nur ein einziges Fahrzeug diesen – so wird das nichts. Spontan revidiere ich meinen Plan und trampe zu einer 70 Kilometer südlich gelegenen, deutlich mehr frequentierten Grenze. Auf dem Weg dorthin komme ich auch noch einmal in Puerto Natales vorbei und kann so meine Gabel, die ich in der gestrigen Hektik im Hostel liegen lassen hatte, einsammeln. Eine gute halbe Stunde vor Sonnenuntergang habe ich es auf argentinischen Boden geschafft, bin El Calafate durch den Umweg aber letztendlich keinen Meter nähergekommen. Um das zu ändern, bleibe ich auch nach Einbruch der Dunkelheit noch unter einer Straßenlaterne stehen und versuche mein Glück. Nach einigem Warten sammelt mich tatsächlich ein kleiner Lastwagen ein, der zwei Drittel der Strecke nach El Calafate fährt. Unsere Wege trennen sich an einer Tankstelle – Inzwischen ist es halb elf und eisig kalt, Verkehr herrscht keiner mehr. Aber spätestens, als ich online ein Hostel sehe, das damit wirbt, dass man „ab 0 Uhr“ einchecken könne, ist mein Sporn geweckt es heute noch nach El Calafate zu schaffen. Die Aussicht auf ein warmes Bett treibt mich an – auch wenn dafür ich am Ende einen Bus nehmen muss.
Donnerstag 21.08.2025
Um 0:30 Uhr stehe ich vor dem Hostel und will einchecken, doch der leicht überforderte Rezeptionist, muss mir beichten, dass es sich bei den online beworbenen Check-In-Zeiten um einen Tippfehler handle. Er habe kein freies Bett mehr für mich – nach ein wenig Diskussion, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf einem Sofa in der Lobby des Hostels zur Ruhe zu legen. Zweieinhalb Stunden später weckt man mich dort: Auf magische Weise schien auf einmal doch noch ein ganzer Dormitory-Raum frei geworden zu sein, in den ich nun einchecken darf – dann bekomme ich endlich meinen wohlverdienten Schlaf. Mit neuer Energie bediene Ich mich am nächsten Morgen am in der Übernachtung inklusiven Frühstück des Hostels. Den Vormittag verbringe Ich erstmal damit heiß zu duschen und meine Sachen ein wenig zu sortieren und einzukaufen. Am Nachmittag will Ich dann El Calafate erkunden, doch stelle schnell fest, dass es in der Stadt nicht sonderlich viel zu erkunden gibt. Abgesehen von einer Hauptstraße mit zahlreichen touristischen Bars und Outdoor-Geschäften, sowie einer kleinen Promenade am Ufer des „Lago Argentino“, besteht die Stadt ausschließlich aus unansehnlichen Wohnvierteln. Zwar ist El Calafate die größte Stadt im argentinischen Patagonien, doch die Stadt liegt selbst gar nicht in der Bergen – entsprechend halten sich auch die Optionen für Wanderungen in Grenzen. Googelt man nach Aktivitäten, so wird einem neben dem etwa 70 Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen „Perito Moreno“-Gletscher vorgeschlagen nach El Chaltén zu fahren – dort wollte Ich sowieso als nächstes hin!
Freitag 22.08.2025
Mit den ersten Sonnenstrahlen verlasse Ich das Hostel und laufe zu Fuß auf die andere Seite der Stadt. Dort stelle Ich mich an die zum „Perito Moreno“-Gletscher führende Ruta 41 und Strecke meinen Daumen aus. Es herrscht kaum Verkehr – nur hin und wieder fahren weiße Mercedes-Sprinter, die als Shuttle-Busse für Touristen dienen an mir vorbei. Ich warte und warte und warte. Nach zwei Stunden in denen mich niemand mitgenommen beginne auch Ich einen solchen Shuttle-Bus in Betracht zu ziehen – bis Ich herausfinde, dass dieser mehr kostet als der Eintritt in die Sehenswürdigkeit selbst. Eine weitere Stunde stehe Ich erfolglos an der Straße – inzwischen ist es Mittagszeit – dann gebe Ich auf. Wenn es so schwer wäre dort hinzugelangen, dann würde Ich den Gletscher eben nicht besuchen können. Enttäuscht stiefle Ich, jedem mir entgegenkommenden Auto mit letzter Hoffnung meinen Daumen zeigend, zurück in Richtung Zentrum. Plötzlich bremst ein VW Golf ab. Ein junges spanisches Pärchen bietet mir bereitwillig an mich mit zum Nationalpark zu nehmen. Nach einer Stunde Fahrt durch wunderschöne Berg- und Fjord-Landschaften verdichteten sich die auf dem See neben der Straße schwindenden Eisschollen, bis schließlich der Gletscher am Horizont auftaucht. Mit annähernd 30 Kilometern Länge zählt der „Perito Moreno“-Gletscher zu einem der größten Gletscher im südpatagonischen Eisfeld. Was ihn von anderen Gletschern unterscheidet sind aber nicht nur seine immensen Ausmaße: Über ein langes System aus Metall-Stegen kann man dem Gletscher viel näherkommen, als das normal möglich ist. Man kann ein deutliches Knatschen vernehmen, welches durch die millimeterweise Fortbewegung der Eismasse entsteht. Alle paar Minuten brechen zudem riesige Eisblöcke aus der vordern Kante des Gletschers und fallen mit ohrenbetäubendem Lärm ins Wasser – eine beeindruckende Szenerie! Als es nach einigen Stunden zu regnen beginnt, fliehe Ich in das Besucherzentrum, wo Ich wieder auf Alex und Maria, das spanische Pärchen, welches mich mit hierher genommen hatte, treffe. Sie laden mich noch auf eine heiße Schokolade ein, bevor wir uns gemeinsam auf den Rückweg nach El Calafate machen.
Samstag 23.08.2025
Nachdem Ich gestern die einzige Sehenswürdigkeit der Stadt abgehakt hatte, konnte Ich heute ohne schlechtes Gewissen in meinem Hostel sitzen und an meinem Blog schreiben. Doch schon bald ist der fertig und Ich bekomme Langeweile. Ursprünglich hatte Ich von den günstigen Übernachtungspreisen verführt ganze vier Nächte in El Calafate gebucht – das war eindeutig zu viel! Nachdem Ich gegen Mittag mit meinen Eltern telefoniert habe, gehe Ich zur Rezeption und bitte darum meinen Aufenthalt, um einen Tag zu verkürzen. Dann nutze Ich den restlichen Tag für ein paar produktive Dinge, bevorrate mich für mein nächstes Ziel mit Lebensmitteln und nutze das gute WLAN, um ein Backup meiner Fotos zu erstellen. Auch meine Wäsche müsste Ich mal wieder waschen, doch Waschsalons sind in Patagonien absurd teuer: Drei Euro pro Kilogramm Wäsche muss man hier zahlen – das wären 15 Euro für meine Klamotten! Sparsam wasche Ich stattdessen einfach die nötigsten Teile mit der Hand im Waschbecken.
Sonntag 24.08.2025
Als Ich am Morgen auschecken möchte, erklärt mir der Rezeptionist, dass Ich zwar früher auschecken, man mir das Geld für die letzte Nacht aber nicht zurückerstatten könne. Ich blieb also doch noch einen Tag hier, denn eine bereits bezahlte Nacht in einer warmen Unterkunft, wollte Ich nicht einfach verfallen lassen – sei sie in einer noch so langweiligen Stadt. Vielleicht war es auch ganz gut, einfach mal einen Tag nichts zu tun! Ich doomscrolle also einen weiteren Tag durch Social Media, lese das Buch, das Ich aktuell lese, zu Ende und plane schonmal ein wenig welche Wanderungen Ich in El Chaltén, meinem nächsten Zielort, wann wie machen würde.
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