Montag 04.11.2024 – Farmleben
Am Vormittag nimmt Deon mich mit auf eine Kontrollfahrt über die Felder seiner riesigen Farm. Neben Massen von Süßkartoffeln baut der junge Landwirt auch Salatköpfe an. Das er auf dem Land überhaupt etwas anbauen kann, verlangt er einem mehre hundert Kilometer langen künstlichen Bewässerungskanal, aus dem er Wasser für seine Beregnungsanlagen entnehmen darf. Denn auch wenn es in Western Cape – anders als in Namibia – in den letzten Monaten immer mal wieder etwas geregnet hat, reicht der Regen noch lange nicht aus. Gerade ist Süßkartoffelernte. Eine Schar von Arbeitern – über 90 Stück sind auf Deons Farm beschäftigt – gräbt die Kartoffeln per Hand aus der Erde und sortiert sie in Kisten. Am Nachmittag laufe ich noch einmal in den Ort, um dort in einer Shopping-Mall Geld abzuheben und Eizukaufen. Am Abend folgt dann die montägliche Nachhilfestunde, bevor ich mich in meinen Schlafsack kuschle.
Dienstag 05.11.2024 – Lamberts Bay
Ich bin schon dabei mein Zelt zusammenzupacken, da verkündet mir Deon, dass er einen Lift für mich organisiert habe. Am Nachmittag würde ein Freund von ihm nach Lamberts Bay fahren und könne mich mitnehmen. Bis dahin nutze ich meine Zeit, um noch ein paar Erledigungen am Laptop zu machen. Pünktlich um 16.00 Uhr sammelt mich Deons Bekannter dann ein und wir machen uns auf den Weg in Richtung Küste. An einer Kreuzung einige Kilometer außerhalb des Ortes werde ich rausgelassen. Unweit von der Kreuzung gibt es zwei Campingplätze, die allerdings beide werde besonders einladend wirken noch preislich attraktiv sind. Ich laufe also einfach etwas die Straße hinunter, und halte Ausschau nach einem geeigneten Wildcamping-Spot. Eine von der Straße nicht einsehbare, dazu noch etwas windgeschützte, Kuhle bietet sich als Lager für die Nacht an. Meine letzten 2-Minuten-Nudeln aufkochend, gucke ich den Sonnenuntergang zu und verkrieche mich dann in mein Zelt.
Mittwoch 06.11.2024 – Tölpelkolonie
Zügig ist das Zelt wieder im Rucksack verstaut und stapfe die letzten Kilometer in den Ort hinein. Grund für meinen Besuch in Lamberts Bay ist eine vor der Stadt gelagerte Insel, auf der eine große Kap-Töpel Kolonie leben soll. Und auch sonst gefällt mir der kleine Hafenort mit seinen Fischerboten und dem Strand ausgesprochen gut. Auf der Insel kann man den Boden gar nicht sehen, so viele der gelbköpfigen Vögel sitzen dort. Einen unglaublichen Lärm machend bevölkern über 5000 Vögel die kleine Insel, auf der sich ein kleines Museum und eine Beobachtungshütte. Am späten Vormittag laufe ich wieder zurück zum Ortsausgang und muss nicht lange warten, bis mich ein vorbeikommendes Auto einsammelt. Eine knappe Stunde später lässt mich der freundliche Handwerker vor einen Supermarkt in Clanwilliam raus. Die nächsten Tage möchte ich in den Cederbergen verbringen und da in den Bergen Supermärkte eher rar sind, muss ich noch einmal groß einkaufen. Mit einem fünf Kilo schwereren und allen Nähten platzenden Rucksack mache stelle ich mich wieder an die Straße und warte darauf, dass mich jemand die letzten 20 Kilometer zum Beginn des Nationalparks mitnimmt. Nachdem das geklappt hat, verbleiben mir allerdings immer noch sieben Kilometer bis zu meiner Unterkunft, die wohl oder übel zu Fuß bewältigt werden müssen – Verkehr herrscht auf der Schotterstraße nämlich kaum. Was mir Google Maps verschwiegen hatte, ist das es bei den sieben Kilometern dauerhaft nach oben geht. Mühselig quäle ich mich den letzten Anstieg nach oben, hinter dem ich mir die Gecko Creek Lodge erhoffe. Dort angekommen lasse ich den schweren Rucksack von meinen schmerzenden Schultern plumpsen, schlage mein Zelt auf und erhole mich dann in einer der Hängematten.
Donnerstag 07.11.2024 – Gecko Creek
Die Lodge, auf deren Campingplatz ich zelte, ist ein wahrer Traum: Ein großer Pool mit Blick in die Berglandschaft, eine offene Gemeinschaftsküche, schattige Hängematten und trotz der abgelegenen Lage erstklassiges Internet. Fast vergesse ich, dass ich hier zum Wandern hergekommen war und nicht zum Herumgammeln. Nach dem Frühstück mache schnüre ich dann aber meine Schuhe und mache mich auf die Suche nach dem „Elephant‘s Rock“. Nach einer halben Stunde erreiche ich die markante Felsformation, die aus der richtigen Perspektive einem Elefanten ähnelt. Als ich zurück von der ersten kurzen Wanderung bin, lasse ich mich dann doch von der Gemütlichkeit des Camps verleiten und in eine der Hängematten fallen. Die meisten Wanderrouten starten von einem fast 20 Kilometer entfernten Camp, dort hinzutrampen lohne heute sowie nicht mehr. Sanft lasse ich mich in das angenehm kühle Wasser des gleiten und ziehe einige Bahnen. Als über ich über die Kante blicke, traue ich meinen Augen kaum – Ist das eine Schildkröte! Tatsächlich versteckt sich im Graß neben dem Pool eine kleine Schildkröte. Wo die mitten in den Bergen auf einmal herkam, verstehe ich bis heute nicht. Genau so schnell plötzlich, wie ich das gepanzerte Reptil entdeckt hatte ist es dann auch schon wieder verschwunden. Nachdem die Sonne untergegangen ist und es langsam kalt wird, gebe ich noch eine Nachhilfestunde und verkrieche mich dann in meinem Bett.
Freitag 08.11.2024 – Middelberg Wasserfall
Mit seinem Geländewagen, bringt mich der Besitzer der Lodge am Morgen bis zu dem Fronttor und wartet dort mit mir auf vorbeifahrende Autos. Doch, wie ich bereits vermutet hatte, herrscht an der Schotterpiste wenig Verkehr – ich müsste wohl doch laufen. Kaum habe ich mich den Umständen gebeugt und meinen Rucksack geschultert, schon kommt ein Auto angerollt, hält an und ich steige zu drei jungen südafrikanischen Frauen ins Auto. Nach einigen Minuten – zu Fuß wären es vier Stunden gewesen – erreichen wir das Camp Algeria, in dem sich das Verwaltungsbüro des Cederberg Nationalparks befindet. Dort bekomme ich nicht nur das für die Wanderung nötige Permit sondern kann dort auch meinen großen Rucksack stehen lassen. Mit leichtem Gepäck geht es dann den Wanderweg entlang in die Höhe. Nach vier Kilometern taucht der eine Felswand hinunterstürzende „Middelberg Waterfall“ dann vor mir auf. Nach einer kleinen Pause und einem erfrischendem Bad in dem Becken unterhalb des Wasserfalls kraxle ich weiter dem Gipfel des Berges entgegen. Die still daliegende Berglandschaft ist einfach nur schön – das hatte ich vermisst. Nach dreieinhalb Stunden komme ich völlig zufrieden wieder am Verwaltungsbüro im Basiscamp an. Eigentlich hatte ich nun einige Kilometer weitertrampen und von dort vier Stunden auf einen weiteren Berg wandern wollen, um dort zu zelten. Doch die Dame im Permit Office erklärt mir, dass ich alleine nicht in den Bergen zelten könne – dafür müsse man aus Sicherheitsgründen eine Gruppe von mindestens drei Personen sein. Etwas verärgert – ich hätte so gerne in den Bergen übernachtet – muss ich mir also einen anderen Plan überlegen und beschließe schlussendlich den Cederbergen den Rücken zu kehren. Es dauert eine Weile, bis wieder ein Auto die Schotterstraße entlangkommt. Die deutsche Touristengruppe lässt mich zurück in der Zivilisation an einem Campingplatz raus. Zwischen den großen Zelthäusern der Dauercampern baue ich mein kleines 1,5-Personenzelt auf und errege damit die Aufmerksamkeit zweier Rentner neben mir. Es dauert nicht lange, da folgt erst die Einladung zu einem Tee und dann die Einladung zum Braai.
Samstag 09.11.2024 – Schritt für Schritt
Wenig motiviert packe ich am morgen mein Zelt zusammen. Es ist einer dieser Tage, an denen mir die Lust zum Weiterreisen fehlt. Dazu kommt, dass der Campingplatz sich an einer recht ungünstigen Stelle an der Straße befindet. Fast zwei Stunden muss ich so warten bis endlich ein Pick-Up anhält und mich auf der Landfläche mit in den nächsten Ort nimmt. Auch dort vergeht wieder einiges an Zeit bis ich meinen nächsten Lift bekomme. Nachdem ich mir in einem Supermarkt etwas zum Mittagessen geholt habe, muss ich mich dann entscheiden, wo ich überhaupt genau hin möchte. In Langebaan, den Ort, den ich eigentlich anpeilte, und auch in den umliegenden Orten scheint es laut Google an preiswerten Campingplätzen zu mangeln. Wie es sich Wildcampen lässt, kann ich auch schwer einschätzen, da in Südafrika generell eher davon abgraten wird. Während ich dort am Straßenrand sitze und auf die Karte meines Handys starre, kommt ein bärtiger junger Mann in Birkenstock Latschen und mit großem Rucksack die Straße entlang auf mich zu. Rua war vor genau vierzig Tagen nach Windhoek geflogen, um von dort wieder nach Hause – nach Kapstadt – zu laufen. Ich überlege kurz, schultere dann meinen Rucksack und schließe mich dem abenteuerlustigen Südafrikaner an – nach Kapstadt möchte ich immerhin auch und eigene Pläne hatte ich ja gerade nicht. Nach einigen Kilometern verlassen wir die Hauptstraße und laufen auf einem neben einer Bahnstrecke entlangführenden Schotterweg weiter. Sein Handy hat Rua bewusst zuhause gelassen; die Navigation läuft ganz altmodisch – aber nicht weniger zuverlässig – über eine Karte. Wir haben inzwischen die ersten zwölf Kilometer hinter uns gebracht, da zeigt Rua auf zwei große Wassertanks, die auf den Feldern einer Farm stehen „Da können wir schwimmen gehen“. Wir klettern erst über den Stacheldrahtzaun und dann auf die großen 5000L Tanks, auf deren Oberseite sich eine runde mit einem Deckel verschlossene Öffnung befindet. Erst taucht Rua seinen Körper durch die schmale Öffnung in den Tank, dann auch ich – erfrischend! Nach der Abkühlung, geht es dann schonungslos weiter: Schritt für Schritt, Kilometer für Kilometer – bis die Sonne sich langsam dem Horizont nähert. Hinter einigen Büschen, an der Böschung einer Brücke, schlagen wir unsere Zelte auf, beginnen zu kochen und gönnen den schmerzenden Füßen Ruhe.
Sonntag 10.11.2024 – Langebaan
Mit neuer Energie machen wir genau damit weiter, womit wir gestern aufgehört hatten: Laufen – noch immer sind es 23 Kilometer bis nach Langebaan. Immerhin steht die Sonne am Morgen noch nicht so hoch und die Temperatur ist noch angenehm kühl. Auf halber Strecke legen wir eine kurze Verschnaufpause ein – Schultern entlasten, Füße belüften – bevor es dann auf die Zielgerade geht. Gegen Zwölf – nach viereinhalb Stunden Fußmarsch – erreichen wir den mit einem großen Shoppingcenter gesäumten Stadtrand von Langebaan. Nach einer kurzen Kaffee-Pause sind es dann nur noch vier Kilometer, bis zu dem Campingplatz, den wir ansteuerten. Die Online-Bewertungen des Campingplatzes waren nicht gerade verlockend gewesen – „Okay, als Notoption“ „Gut, wenn man ins Restaurant nebenan möchte, ansonsten kein Grund hierherzukommen“ – doch er war die einzig günstige Option. Zu unserer Überraschung finden wir einen vollkommen zufriedenstellenden Campingplatz vor: Grüne Grasflächen, warme Duschen, Strom, sogar Meerblick – Was will man denn noch? Zufrieden bauen wir unsere Zelte auf und entledigen die schmerzenden Füße von unseren Schuhen. Einzig und allein der Hunger bringt uns noch einmal dazu den nächsten Supermarkt aufzusuchen, damit wir die beim Laufen verbrannten Kalorien in Form von Erdbeeren, Bananenkuchen und Eis auch wieder zu uns zu nehmen könnten. Dann ist aber endgültig Sense und wir lassen den Sonntag Sonntag sein.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!