Montag 16.10.2023 – Ein typischer Montag
Montag. Der wolkenverhangen graue Himmel lud nicht wirklich zum Rausgehen ein – also tat ich das auch erstmal nicht. Ich hatte den ganzen Tag nichts vor. Den Job auf dem Schiff war ich los. Meine nächste Schicht als Fahrradkurier hatte ich erst morgen Abend. Ich entschloss mich dann doch noch einmal rauszugehen. Eine letzte „Attraktion“ hatte ich auf meiner Liste noch stehen – eine klassisch holländische Windmühle mit angrenzender Brauerei. Auf dem Rückweg kaufte ich noch „Vla“ – irgendwas zwischen Vanillepudding und -soße, was ich kennengelernt hatte als Anna damals bei uns war. Um 13.00 Uhr kam Igor von der Uni zurück. „Frühstückst du noch?“. Gemeinsam überlegten wir, was man denn sonst noch machen könnte. Ein gutes Stück außerhalb von Amsterdam lag der kleine Ort Zaandam mit vielen bekannten Windmühlen und traditionellen holländischen Häusern – dort könnte man noch hinfahren. Nach einem kurzen Wettercheck entschieden wir uns jedoch dieses Ausflug morgen zu machen. Also verbrachte ich den restlichen Tag damit an meinem Blog zu schreiben, bevor ich mich YouTube guckend wieder in mein Bett verkroch.
Dienstag 17.05.2023 – Plattes Land
Schnell duschen und den Laptop hochfahren. Ich hatte um 10 Uhr einen Termin für Kick Off als Nachhilfetutor. Eine Stunde lang hörte ich mir die Dinge an, die ich auch in fünf Minuten PowerPoint durchklicken hätte erfahren können. Sobald das Meeting zu Ende war machte ich auf den Weg zum Hauptbahnhof, wo mich Igor bereits erwartete. Mit dem Zug fuhren wird dann nach Zaandam. Und ja, genau so hatte ich mir Holland vorgestellt. So weit das Auge reichte plattes Land, entlang des Wassers eine Windmühle nach der Nächsten, der Himmel strahlend blau – nicht einmal ein kleines Wattewölkchen. Nachdem wir zu Fuß eine Runde durch die besinnliche Gegend gedreht hatten, gucken wir uns noch diverse Museen – von Clogs bis Käse – an und ließen uns dann in einem kleinen Café nieder. Nach dem morgendlichen Kick Off Meeting hatten inzwischen drei Nachhilfeschüler eine Stunde bei mir gebucht. Wieder zuhause hatte ich nun auch nicht mehr viel Zeit bis ich mich zur Arbeit aufmachen musste. Igor lieh mir dafür sein Fahrrad, denn die letzte Straßenbahn fuhr um 00.12 Uhr und meine Schicht endete um 00.30 Uhr. Eine Bestellung nach der Anderen lieferte ich im Angesicht der untergehenden Sonne aus. Von dem Leistungsdruck, von dem man in den Medien spürte ich nichts – oft musste ich sogar ein paar Minuten warten, bis die nächste Bestellung lieferfertig war. Auf den Straßen war inzwischen nichts mehr los, was das Fahren umso angenehmer machte. Konstant fuhr das E-Bike – auch ohne jegliches Zutun – seine 26 km/h – so macht Fahrradfahren doch Spaß. Als ich kurz nach dann irgendwann zuhause ankam fiel dennoch vollkommen müde in mein Bett.
Mittwoch 18.05.2023 – Die Jagd nach der perfekten Waffel
Nach der langen Schicht gestern, musste ich heute erstmal ausschlafen. Dann ging es ans Wäsche waschen – so langsam wurde meine Kleidungsauswahl sonst rar. Zur Mittagszeit machte ich mich dann zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Auch wenn ich nun schon zwei Wochen hier war, hatte ich einige der traditionell niederländischen Gerichte noch immer nicht probiert – Zeit das zu ändern. Heute wollte ich Stroopwaffeln probieren. Ein Gebäck aus zwei Waffeln, zwischen denen eine Karamellfüllung ist. Im Internet hatte ich nach dem besten Ort dafür gesucht – eine uralte Bäckerei in Stadtkern. Nachdem ich die Preisschilder in der Bäckerei entdeckt hatte überlegte ich dann doch noch einmal. „Die hatte ich in den letzten Tagen doch schon günstiger gesehen“. Ich lief also, verzweifelt nach dem Geschäft suchend, dass ich ein paar Tage zuvor gesehen hatte, durch die Innenstadt – Erfolglos. Die Geschäfte, die ich fand waren genau so teuer und deutlich überlaufener. Ich ging also zurück zu der Bäckerei, gönnte mir für stolze 7,50€ eine einzelne frische Stroopwaffel und machte mich dann auf den Rückweg. Meine erste Nachhilfestunde wartete auf mich. Fünfzig Minuten lang erklärte ich meinem ersten Schüler das Umformen von Termen, dann war die Stunde geschafft. Geld ließ sich so viel einfacher verdienen, als auf dem Schiff oder dem Fahrrad. Ich war zufrieden. Am Abend telefonierte ich erst mit meiner Smallgroup, die sich heute traf, und danach noch mit meinen Eltern, die gerade bei meinen Großeltern waren.
Donnerstag 19.05.2023 – Polynomdivision???
Heute stand eine weitere Essensverkostung an. Neben den Fritten, die in den Niederlanden sehr gut sein sollten, wollte ich Fleischkroketten probieren. Gemeinsam mit Igor machte ich mich also auf den Weg in die Stadt. Ergebnis – beides sehr lecker. Nachdem wir gut gesättigt waren liefen wir gemeinsam durch einige der Einkaufsstraßen, wobei wir auf einen Laden voller Gummienten trafen. Krass, dass man nur mit Gummienten ein profitables Geschäft in der Fußgängerzone Amsterdams betreiben kann. Am Nachmittag sollte ich eine weitere Nachhilfestunde haben – diesmal Oberstufenmathematik. Das Thema, das meinen Schüler beschäftigte, war Polynomdivision. Doch leider hatte ich dieses weder schonmal Wort gehört, noch sagten mir die bei Google zu dem entsprechenden Suchbegriff auftauchenden Ergebnisse etwas (Herr Venth, wenn sie das hier lesen sollten – Warum haben wir das nie gemacht?!). Peinlich. Wir einigten uns darauf, dass wir diese Stunde ein anderes Thema anguckten und die Polynomdivision erstmal verschieben. Am Abend – oder viel mehr in der Nacht – hatte ich dann wieder eine Schicht als Fahrradkurier. Die Schicht ging diesmal relativ zügig rum. Ich merkte, dass ich langsam etwas routinierter wurde. Zudem kam mir zugute, dass die heutige Schicht „nur“ bis 23.30 Uhr – also früh genug endete um noch mit der Straßenbahn nach Hause zu kommen.
Freitag 20.05.2023 – Am und auf dem Boden
Ein weiterer Tag, weitere Nachhilfestunden und eine weitere Kurier Schicht – Täglich grüßt das Murmeltier. So langsam begann ich einen Alltag entwickeln. Auf der einen Seite ganz schön, auf der anderen Seite war doch genau das etwas, was ich nicht wollte – Im täglichen Trott leben. Zeit mal wieder weiter zu ziehen. Über den Tag verteilt gab ich zwei Nachhilfestunden. Obwohl Oberstufenniveau – diesmal ohne ungeahnte Überraschungen. Die gab es dafür woanders. Der Online Supermarkt hatte mein Gehalt für die erste Schicht in der letzten Woche überwiesen. Obwohl mir klar war, dass die 8,50€ pro Stunde brutto waren, hatte ich nicht mit derart hohen Abzügen gerechnet – gut vierzig Prozent meines Lohnes gingen an den niederländischen Staat. Hatte ich auf dem Steuerformular das falsche angekreuzt? Ich konnte ja nicht lesen, was da steht. Egal, jetzt war es eh zu spät. Meine Motivation für die abendliche Schicht steigerte das jedenfalls nicht – genau so wie der Regen, der schon seit dem Morgen pausenlos anhielt. Nach den ersten Stunden war meine gesamte Kleidung bis auf die Unterwäsche durchgeweicht – da änderte auch eine Regenjacke nichts dran. Sehnsüchtig zählte ich die Minuten bis zum Feierabend. Doch die Lieferungen wurden und wurden nicht weniger. Als ich um halb eins gerade wieder am Hub ankam und fragte und ich mein Fahrrad schon reinstellen solle entgegnete man mir mit einem Lachen. Ich inzwischen ziemlich durch. Bei der nächsten Tour passierte dann was passieren musste. Im schwachen Lichtkegel der kleinen Funzel sah ich einen Kantstein, der das Ende des Radwegs markierte etwas zu spät. Ich bremste. Das E-Bike kam auf dem nassen Asphalt zu rutschen und begrub mich unter sich. Sch***e, tat das weh! Ich war wütend – eigentlich sollte ich schon Feierabend haben. Als ich wieder am Hub ankam und meinem Unmut Luft machen wollte, kam man mir zuvor – letzte Tour. Mhh. Okay. Inzwischen war es halb zwei. Der Nahverkehr fuhr nicht mehr, Igors Fahrrad war in der Werkstatt. Mir blieb also nichts anders übrig, als die sieben Kilometer nach Hause zu laufen. Bei jeden Schritt quoll das Wasser aus meinen Schuhen, bevor mein Fuß sich mit einem Schmatzenden Geräusch wieder hob. Mein Knie war von dem Sturz blutig – zumindest glaubte ich das zu spüren – und schmerzte. Als ich dann gegen drei zuhause ankam deckte ich die Wunde nur kurz mit einem Pflaster ab und verschwand dann vollkommen fertig in meinem Bett. Was für ein Sch***job … für nicht mal sechs Euro die Stunde. Immerhin war das Trinkgeld bei dem Regen etwas mehr gewesen.
Samstag 21.05.2023 – Everything ready for take off?
Morgen sollte es wieder losgehen – Trampen, neue Meschen, neue Orte, neue Abenteuer. Doch erstmal versank ich ein weiters Mal in meiner Routine. Zwei Nachhilfestunden – beide vollkommen unterschiedlich und doch beide zufriedenstellend. Dazwischen ging ich Einkaufen: Äpfel, Brötchen, Müsliriegel, eine Tafel Schokolade als Nervennahrung – wer weiß, wie lange ich morgen unterwegs sein würde. Das Ganze außerdem in kurzer Hose – ich wollte nicht extra ein Pflaster verschwenden nur um kurz meine Hose über die Wunde ziehen zu können. Dann ein bisschen Sachen zusammensammeln – unglaublich wie sich diese verstreut hatten. Eigentlich wollten Igor und Ich heute Poffertjes – eine niederländische Spezialität, die kleinen Pfannkuchen ähnelt – machen, doch irgendetwas war bei unserer Kommunikation schiefgegangen. Während ich davon ausging, dass Igor – wie die letzten Tage – gegen Mittag nach Hause kam, ging Igor scheinbar davon aus, dass ich heute Abend nicht arbeiten müsste. Dumm gelaufen – Wir begegneten uns nicht mehr bevor ich mich zu meiner letzten Kurierschicht aufmachte. Meine letzte Schicht ging ich gemächlich an. Langsam rollte mein Fahrrad von einer Haustür zur nächsten. In dem Gedanken daran, das dies meine letzte Schicht wäre, ließ sich sogar der – heute mal etwas leichtere – Regen einigermaßen aushalten. Nach sechs Stunden war es geschafft. Ich nahm mir aus dem Hub noch ein Stück Pappkarton für mein Schild und fiel dann müde in mein Bett. Morgen ginge es weiter …
Lieber Felix,
natürlich lese ich das! Ich freue mich auf jede Nachricht von dir und bin ein großer Fan deines mutigen Abenteuers.
Polynomdivision gehört nicht mehr zu den Schulinhalten in Schleswig-Holstein. Ich hatte das als Schüler noch in Niedersachsen und durfte es als Student einer Cousine aus Nordrhein-Westfalen für ihren Leistungskurs noch erklären. Hätte ich doch nur geahnt, dass du das für die Weltreise brauchst…
Es ist sehr spannend zu lesen, wie du die Probleme deiner Reise bewältigst! Ich freue mich auf weitere Berichte!
Alles Gute und liebe Grüße!
Gustav Venth