Montag 20.05.2024 – Backpackerparadies
Mein Zelt ist voller Sand. So sandig, war ich das nicht einmal in der Sahra – kommt eben davon, wenn man am Strand zeltet. Mit einem vorbeirauschendem Sammeltaxi geht es von der Unterkunft der letzten Tage in Richtung Hauptstraße. Eigentlich wollte ich heute nach Cape Town fahren, doch Freddy hatte mir gestern Abend noch einen Ort genannt den ich auf meinen Weg dahin keinesfalls auslassen dürfte. An der Nationalstraße angekommen, wechsle ich einmal das Buschtaxi und komme eine knappe Stunde später in der letzten Stadt vor meinem Zielort an. Vor hier geht es mit dem Mototaxi weitere 10 Kilometer in Richtung Strand, dann stehe ich in Busua. Der kleine Strandort gilt als Surfer- und Backpackerparadies – hier würde ich schnell auf andere Reisende treffen, so hatte mir Freddy versprochen. Allerdings sehe ich bei meiner Ankunft weder ein einziges Surfbrett im Wasser, noch treffe ich hier auf weißes Gesicht. Nach einer Runde, die ich die Hotels des Ortes abgeklappert habe, habe ich meine Zweifel an dem angeblichen Paradies: Die Preise sind horrend, die bei Rucksackreisenden beliebten Dormitories gibt es nicht. Ich bin schon kurz davor, wieder zu fahren, als ich mich in einem Restaurant am Strand zum Frühstück niederlasse und meinen Plan noch einmal überdenke. Auf dem Gelände einer Unterkunft darf ich für 50 Cedis (3,15€) mein Zelt aufschlagen und lasse mich dann in eine Hängematte direkt am Strand fallen. Das mit dem Surfen wird heute wohl nichts – das Wasser ist trotz Wind relativ ruhig. Ich döse also einfach den ganzen Tag in meiner Hängematte rum und gehe ab und zu schwimmen. Am frühen Nachmittag erscheinen dann tatsächlich ein paar „Touristen“. Mit Cocktailglas in der Hand laufen sie fleißig Instagram Stories postend den weißen Sandstrand auf und ab. Doch kaum ist der #sunset vorbei, sind auch die Touristen wieder verschwunden und ich genieße in meiner Hängematte wieder die Stille.
Dienstag 21.05.2024 – Hängematten-Gedanken
Am Ortsausgang wartet bereits ein fast volles Sammeltaxi auf mich. Noch vor acht Uhr bin ich wieder in dem kleinen Städtchen an der Nationalstraße, von dem ich gestern das Mototaxi nach Busua genommen hatte. Auf mich warten heute keine Nachhilfeschüler, ich habe den ganzen Tag Zeit um in das 110 Kilometer entfernte Cape Coast zu kommen. Optimale Bedingungen um mich mal wieder am Trampen zu versuchen. Auf Facebook hatte ich von jemanden gelesen der gerade von England aus nach Guinea getrampt war – man scheint also auch hier in Westafrika irgendwie kostenlos voranzukommen. Ich muss nicht lange an der Straße warten, da sammelt mich ein LKW-Fahrer ein. Im Schritttempo lenkt er seinen 40-Tonnen-Koloss über die schlaglochübersäte Straße. Für die 20 Kilometer bis in die nächste größere Stadt brauchen wir eine knappe Stunde – ich hab ja Zeit … und es ist gratis! In Takoradi trifft viel Verkehr auf unzählige Baustellen – das Chaos ist vorprogrammiert. Hier weg trampen? Schwierig. Ich steige also doch wieder in eines der regulären Buschtaxis, die hier Tro-Tros genannt werden. Zwei Stunden später spuckt mich das Tro-Tro am Rande von Cape Coast aus. Auf meinen Weg ins Stadtzentrum, mache ich halt an einem kleinen „Fast-Food“-Restaurant – zwei Frauen, die im Schatten eines Wellblech-Daches Essen kochen. Gerade einmal 15 Cedis (0,95€) kostet eine Portion Jollof-Reis mit einer Hänchenkeule und etwas Salat hier. Direkt am Meer finde ich ein Hotel, dass für 80 Cedis (5,04€) Dorm-Betten anbietet. Kurz meine Sachen aufs Bett schmeißen, schon fläze ich mich in die an zwei Palmen befestige Hängematte. Meine Gedanken kreisen um meine Finanzlage: In einigen Teilen Deutschlands sind Pfingstferien, das senkt die Nachfrage nach Nachhilfestunden ungemein. Obendrein hat zusätzlich zu den zwei Abi-Schülerinnen ein weiterer Schüler das Handtuch geschmissen – die Anzahl meiner Stunden reicht nun nicht mehr, um meine täglichen Ausgaben zu decken – geschweige denn, um zusätzlich Geld für die nächsten Visa zu sparen. Am späteren Nachmittag stelle ich fest, dass ich das 16-Bett-Zimmer, wohl doch nicht für mich alleine habe. Neben mir schlafen dort zwei deutsche Mädels – die ersten anderen Deutschen seit Guinea-Bissau. Das „Fast-Food-Restaurant“ von heute Mittag ist schon zu, ich mache mich also in der Innenstadt auf die Suche nach Essen. Am Straßenrand sitz eine Frau zwischen unzähligen Kochtöpfen. Ihr sagt man erst den Preis – der dient als Mengenangabe – und dann die Wunschmahlzeit, schon wird das gewünschte Gericht in der entsprechenden Menge in eine Styroporbox gefüllt. Man organisiert mir sogar noch einen Plastikstuhl und eine Gabel – fertig ist das Pop-Up-Restaurant.
Mittwoch 22.05.2024 – Dachschaden
Ich klappe den Laptop auf und habe kurz Hoffnungen, dass das Internet am Morgen besser sein könne. Falsche Hoffnungen – ich brauche eine knappe Stunde um eine Mail zu senden und vier Bilder hochzuladen. Genervt mache ich mich auf den Weg nach Elmina, einen fünfzehn Kilometer entfernten Nachbarort von Cape Coast. Ein Sammeltaxi ist schnell gefunden – zwanzig Minuten und nur sechs Cedis (0,38€) ärmer stehe ich inmitten des bunten Hafenmarktes der kleinen Stadt. Direkt neben diesem befindet sich die St. George’s Castle. Bereits im Jahr 1482 von portugiesischen Besatzern – Sorry, Handelsleute meine ich natürlich – erbaut, soll die Festung das älteste von Europäern geschaffene Bauwerk in ganz Subsahara-Afrika sein. Knappe eine Stunde laufe ich durch die unzähligen Zimmer und Flure des zu UNESCO Weltkulturerbe gehörenden Forts. Überraschen tut mich, dass auf keiner der Infotafeln in dem dazugehörigen Museum auch nur einmal das Wort „Sklaven“ steht. Es scheint tatsächlich so, als habe diese Festung lediglich der Ausbeutung der afrikanischen Ressourcen und Bodenschätze gedient – also im Prinzip nicht anderem, als die chinesischen Flüssiggasterminal es heute tun. Kaum bin ich zurück in Cape Coast und habe etwas gegessen zieht ein Tropensturm auf. Es schüttet – aber so richtig! Gemeinsam mit den beiden deutschen Mädels sitze ich im Dormitory und spiele abwechselnd UNO und Stadt, Land, Fluss. Nach einiger Zeit werden wir aber auch hier drinnen nass – das Dach ist undicht. Das auf dem Boden stehende Wasser sieht das Hotelpersonal entspannt und gibt uns vier Eimer, die wir unter die am stärksten tropfenden Löcher stellen – feudeln lohne sich erst wenn der Regen vorbei ist. Als es am Abend ein bisschen weniger regnet gehe ich zu der Street-Side-Köchin von gestern. Direkt macht man mir eine Portion fertig und quartiert mich zum Essen in einem Friseursalon neben an ein. Dort bekomme ich Aufmerksamkeit – liebend gerne würde man mich heiraten – ein bisschen schnell für meinen Geschmack. In meinem Essen entdecke ich heute etwas neues – frittierte Bananen. Es scheint mir wie eine plötzliche Erleuchtung: Warum hab ich die krummen Teile immer falsch gegessen? Frittiert sind die noch viel leckerer. Auf meinem Weg zurück in die Unterkunft gibt der Regen nochmal alles. Aus meinen Schuhen quillt das Wasser, ich bin nach dem fünfminütigen Fußweg nass bis auf die Unterwäsche.
Donnerstag 23.05.2024 – In luftigen Höhen
Die Sonne ist gerade aufgegangen, als ich die Hauptstraße entlang in Richtung Stadtrand laufe. Mein heutiges Ziel ist der knapp 30 Kilometer entfernt liegende Kakum-Nationalpark – die Attraktion in Ghana. Ich steige in ein bereits volles Taxi, das mich für 15 Cedis (0,94€) dorthin bringen soll. Nach 200 Metern steigen alle anderen Fahrgäste aus und ich sitze alleine in dem Taxi. Der Fahrer klärt mich auf, dass er kein Sammeltaxi sondern ein normales Taxi sei – er könne mich zwar gerne zum Nationalpark bringen, das koste dann aber 150 Cedis (9,36€). Ich steige aus und nehme das nächstbeste Tro-Tro. Etwas über eine Stunde brauchen wir für die 30 Kilometer zum Nationalpark. Dort angekommen erwartet mich ein großes Tourismuscenter. Souvenirshops, ein Restaurant, Wartebereiche – nur keine Touristen. Der Nationalpark ist bekannt für seinen „Canopy-Walks“. In bis zu 40 Metern Höhe kann man auf schmalen Hängebrücken durch die Baumwipfel des Regenwaldes laufen. Nachdem vier weitere Interessenten für eine Tour zusammengekommen sind, geht es in den Regenwald: Erst auf dem Boden zwei Kilometer in den Dschungel hinein, dann etwa 500m auf den Hängebrücken und dann wieder zurück zum Eingang. Auch wenn der Spaß für seinen Aufwand und Preis recht kurz ist, beeindruckt es den Regenwald aus einer Perspektive zu sehen, die einem sonst vorenthalten wird. Unter den wackeligen Hängebrücken springen kreischende Affen von Baum zu Baum. Das dichte Blattwerk der Bäume bildet einen sich bis an den Horizont erstreckenden grünen Teppich. Nach einer Stunde stehe ich wieder an der Straße und warte darauf, das mich das nächste Vorbeifahrende Buschtaxi mit zurück Cape Coast nimmt. In einem Restaurant in Cape Coast habe ich selbstgemachten Mangosaft gefunden – unverdünnt, 100% Fruchtgehalt, zu schön um wahr zu sein. Seit Beginn der Mango-Saison hatte ich danach gesucht, doch immer wenn „Mangosaft“ auf der Karte stand, gab es den gerade nicht oder es handelte sich um abgepackte Supermarkt-Varianten, die noch nie in ihrem Leben eine ganze Mango gesehen haben. Glücklich und zufrieden lasse ich mich in die Hängematte fallen und döse dort den restlichen Tag vor mich hin.
Freitag 24.05.2024 – Cape Coast Castle
Die beiden Mädels in den Morgenstunden die Unterkunft. Sie würden über das Wochenende in einen großen Nationalpark ganz im Norden des Landes. Kurz überlege ich, ob ich nicht einfach mitkomme, doch ich vermute das der Trip nicht ganz günstig werden würde. Die Löwen, Elefanten und Giraffen habe ich mir dann lieber für die ganz großen Nationalsparks im südlichen Afrika auf. Ich scrolle währenddessen durch Couchsurfing und erhalte nur fünf Minuten nachdem ich eine Anfrage an einen Host in Accra, der Hauptstadt Ghanas, geschickt habe, eine positive Rückmeldung „It will be a honour to host you!“. Für mich geht es heute ins keine hundert Meter von der Unterkunft entfernte Cape Coast Castle – ein weiteres von Europäern erbautes Fort hier an der Goldküste. Anderes als das Fort in Elmina hat man in Cape Town aber menschliche Ware im großen Stil verschifft. In den „Dungeons“ unterhalb der Festung warteten auf kleinstem Raum zusammengepfercht hunderte Sklaven auf ihre Verschiffung über den Atlantik. Auch wenn man heute noch in den moderigen, stickigen Kellern steht – abgeschnitten von jeglichem Tageslicht – wird einem noch ganz flau im Magen – und dabei muss man als Tourist keinerlei Befürchtungen haben, gleich an einen einem unbekannten Ort deportiert zu werden. Am Nachmittag taucht im Dormitory eine neue Mitbewohnerin auf: Alicia, ebenfalls Deutsch – was auch sonst –, macht in Accra ein Praktikum bei der Konrad Adenauer Stiftung. Auf meine Frage, was man da mache, antwortet sie lachend mit „Nichts!“. Am Abend sehe ich den ersten wirklich schönen Sonnenuntergang seit langem. Während Afrika eigentlich für seine atemberaubenden den Himmel goldrot färbenden Sonnenuntergänge bekannt ist, hatte ich davon bisher wenig gesehen. Oft war der Himmel wolkenlos klar und die Sonne verschwand schon viele Meter über dem Horizont im dichten Smog – aber nicht heute.
Samstag 25.05.2024 – Eine neue Bekanntschaft
Am frühen Morgen verlasse das Hostel. Bevor ich am Montag bei meinem Couchsurfer in Accra einziehe, möchte ich noch nach Krokobite, einer kleinen Stadt wenige Kilometer vor Accra, die erstklassige Surfspots bieten soll. Hochmotiviert versuche ich mich wieder am Trampen und bereue das sofort wieder als just in dem Moment, in dem ich an der Nationalstraße ankomme, ein schöner Tropenschauer beginnt. Glücklicherweise hält ziemlich schnell ein Auto an und bringt mich zwei Städte weiter. Dort steige ich – ebenfalls fast ohne Wartezeit – in den SUV eines älteren Mannes, der auf dem Weg nach Accra ist. Als ich nach anderthalb Stunden Fahrt auf Höhe von Krokobite aussteige, möchte der Herr dann auf einmal Geld für seinen Service – Trampen sei hier nicht kostenlos. Er stellt sich eine stolze Summe von 250 Cedis (15,60€) vor, glücklicherweise habe ich in meinem Portemonnaie aber nur noch 70 Cedis (4,37€), die ich dem mäßig zufriedenen Fahrer in die Hand drücken kann. Zu Fuß laufe ich die letzten sieben Kilometer in Richtung Strand und stoße dabei auf einige Hindernisse. Der Regen der letzten Stunden hat die Straßen vollständig überschwemmt. Ich probiere mehre Alternativwege aus, bevor ich einsehe, dass meine einzige Option darin besteht meine Schuhe auszuziehen und barfuß durch die schienbeintiefe braune Brühe zu laufen. In Krokrobite angekommen mache ich mich auf die Suche nach einer Bleibe und treffe dabei auf einen österreichischen „Overlander“ der gerade beim Frühstück sitzt. Flo ist mit dem Motorrad auf dem Weg nach Angola und wartet hier seit inzwischen zwei Wochen darauf, dass er sein Visum für Togo bekommt. Uff! Mein inzwischen schon wieder schimmelndes Zelt darf ich umsonst im Garten einer Unterkunft aufbauen. Den Nachmittag und Abend verbringe ich gemeinsam mit Flo und den Menschen, die er in den zwei Wochen, die er hier ist kennenglernet hat. Am späteren Abend wechseln wir von der Hotelbar in der wir bisher gesessen hatten, in eine der zahlreichen Billiard-Bars. Billiard ist in Ghana ein fester Bestandteil des Nachtlebens, keine Bar kommt ohne einen oder mehre Billardtische aus – und entsprechend gut spielen die Menschen hier. Nach drei Spielen, von denen ich drei gnadenlos verliere, verkrieche ich mich in meinem muffelnden Zelt.
Sonntag 26.05.2024 – Jesus is always the answer!
Ein weiterer Sonntag in Ghana! Eine weitere Möglichkeit auf einen englischsprachigen Gottesdienst zu hoffen. Ich laufe zur „International Evangelistic Chapel“, allerdings wird auch dort der Gottesdienst in der lokalen Stammessprache gehalten – so viel zu “International“. Mehr Glück habe ich in der „Holy Family Chapel“. Direkt im Dorf gelegen wird der Gottesdienst in erster Linie von Kindern im Konfirmandenalter besucht. Generell habe ich während dem zweistündigen Gottesdienst eher das Gefühl im Konfirmationsunterricht zu sitzen als in einem Gottesdienst. Jede Liedzeile muss fünfmal wiederholt werden, bis auch jedes der wenig motivierten Kind sie richtig singt. Das Ganze selbstverständlich A Capela – hören tut man nur den schiefe Gesang des Pfarrers. Fünf Minuten nachdem der Pfarrer die Bibelstelle (Joh. 3, 1-16) vorgelesen hat, antwortet ein Kind auf die Frage, mit wem sich Nikodemus getroffen habe “Mose“ … immerhin auch irgendwer aus der Bibel. Ich weiß aus dem Kindergottesdienst noch das mit “Jesus“ als Antwort immer gute Chancen hat😉. Wenn man sich einen kraftvollen und leidenschaftlichen afrikanischen Gottesdienst vorgestellt hatte, dann geht man am Ende ziemlich enttäuscht aus der kleinen direkt am Strand gelegenen Kirche. Nach einem Mangosaft in meiner Unterkunft miete ich mir ein Surfbrett und stürze mich in die Wellen. Die Erfolgsquote lässt noch zu wünschen übrig. Die Wellen und ich finden keinen gemeinsamen Nenner. Bin ich gerade nicht darauf vorbereitet so kommen große Wellen mit viel Kraft, liege ich auf dem Brett und warte, kommen nur kleine Wellen, die das Brett nicht tragen. Insgesamt fahre ich in einer Stunde etwa viermal stehend bis zum Strand, die restlichen Versuche fallen – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Wasser. Den Tag lasse ich wie schon gestern gemeinsam mit Flo und einigen frustrierenden Runden Billiard ausklingen.
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