Montag 25.11.2024 – Schmuddelwetter
Grauer Himmel, es ist kühl, der Regen liegt spürbar in der Luft – so habe ich Kapstadt bisher noch nicht erlebt. Das Schmuddelwetter schlägt sich unmittelbar auf meine Motivation nieder – bei dem Wetter macht es absolut keinen Spaß die Marinas abzulaufen. Den Morgen verbringe ich vor Tonis Laptop und versuche eine neue E-Mail-Adresse in sein Mail-Programm einzubinden. Was auf meinem Computer eine Sache von weniger als zwei Minuten ist, funktioniert auf seinem Rechner aber irgendwelchen Gründen nicht. Mehr als zwei Stunden probieren erst ich, dann ein Bekannter von Toni und schlussendlich der Microsoft-Support das Problem zu lösen – ohne Erfolg! Am Nachmittag überkommt mich dann das ungewohnte Gefühl von Langeweile. YouTube habe ich inzwischen wieder einmal durchgeschaut, auf Sozial-Media gibt es auch nicht Neues. Es ist ja nicht so, dass ich nichts zu tun hätte – meine Mission war schließlich noch immer ein Segelboot finden. Doch jeden Tag an dem ich mich aufs neue motivierte in den Hafen zu gehen und mein Glück zu versuchen, kam ich erneut ohne Neuigkeiten zurück. Da war ein Gefühl der Überforderung – am liebsten würde ich einfach den Kopf in den Sand stecken. Doch, so funktioniert das nicht. Ich könnte nicht länger resigniert zuhause sitzen – ich müsste weiter kämpfen. Jeden Tag aufs neue in die Häfen gehen, Leute kennenlernen, mich weiter durchfragen – um jeden Preis. Morgen wäre ich schon zwei Wochen hier in Kapstadt und am Sonntag würde schon der Dezember beginnen – Wo warf die ganze Zeit nur hin.
Dienstag 26.11.2024 – Nutzloser Triumph
Ich bin doch nicht aus Zucker – obwohl den ganzen Morgen über immer wieder kräftige Regenschauer runterkommen mache ich mich am Vormittag mit dem Bus auf den Weg in die Innenstadt und von dort auf den weiteren Weg in Richtung Hout Bay. Dunkle Wolken hängen in den Gipfeln der „zwölf Apostel“ neben dem heute menschenleeren Strand von Camps Bay. Im Hafen von Hout Bay angekommen öffnet mir direkt jemand das Tor zur Marina und ich laufe zielstrebig auf einen der Stege zu. Viel los ist in dem Yachtclub allerdings nicht – nur einen vereinzelten Mann, der gerade an seinem Motorboot rumschraubt treffe ich an. „Suchst du jemanden?“ „Niemand Bestimmten, aber weißt du zufällig, ob eines der Boote hier in den nächsten Wochen über den Atlantik fährt?“ Der hilfsbereite Herr empfiehlt mir beim Hafenmeister zu fragen – der müsste das wissen. Aber auch in den Büros des Yachtclubs finde ich niemanden, der einen wirklichen Überblick, über die im Hafen liegenden Boot, zu haben scheint. Oder fuhren von hier aus einfach keine Boote über den Atlantik? Schon nach einer Stunde steige ich in den nächsten Bus, der mich zurück nach Kapstadt bringt. Wieder im Stadtzentrum beschließe ich mich noch einen Abstecher zum „Royal Cape Yacht Club“ zu machen und dort mein Glück zu probieren. In dem Restaurant des Yachtclubs herrscht ordentlich Betrieb. Als auch nach zehn Minuten, die ich an einem der Tische sitze noch keine Bedienung gekommen ist um meine Bestellung aufzunehmen, komme ich die Idee, dass ich die Unaufmerksamkeit des Personal, ja auch für mich nutzen könne. Kurzentschlossen stehe ich auf, verlasse durch eine der Türen den Restaurantbereich und laufe einen der Stege. Es ist irgendwie ein triumphierendes Gefühl endlich einen Schritt weiter in den Yachtclub hineingekommen zu ein. Und doch bringt es mir absolut gar nichts, denn – genauso wie in Hout Bay – ist die Marina des Yachtclubs aufgrund des Regenwetters menschenleer.
Mittwoch 27.11.2024 – Segel setzten!
Heute würde ich mit etwas Glück, dass erste Mal segeln. Jeden Mittwochnachmittag bietet der RCYC eine Vereinsregatta an, bei der auch Externe willkommen sind. Egal, wen ich gefragt hatte, jeder hatte mir empfohlen an einem Mittwochnachmittag mein Glück im Yachtclub zu versuchen – und nachdem heute der Männerkreis, an dem ich sonst Mittwochabends teilnehme, ausfiel und ich auch keine Nachhilfestunden hatte, war die Gelegenheit endlich da. In mir brodelt es so sehr von Vorfreude und Aufregung, dass ich mich schon um halb elf auf den Weg in die Innenstadt mache – keinesfalls wolle den Start des Segelrennens um 16 Uhr verpassen. Bevor es wirklich spannend wird sitze ich also erstmal noch einige Stunden im Restaurant des Yachtclubs und schreibe einen Milchshake schlürfend an meinem Blog. Um vier stehen neben mir noch zwei weitere junge Männer an der Rezeption, die ebenfalls noch nie gesegelt sind und sich auch erhoffen heute Abend auf einer der Yachten mitsegeln zu dürfen. Nachdem man uns etwas auf die Folter gespannt hat – man müsse erstmal gucken, ob man genug freie Plätze für uns habe – kommt dann die Freudenbotschaft: Es klappt! Wir würden sogar alle drei auf dem selben Segelboot mitsegeln können. Unser Kapitän ist ein älterer Deutscher mit krausem weißem Haar und gibt uns eine kurze Einführung in die wichtigsten Dinge. Bevor wir ablegen kommt dann noch sein Sohn – geschätzt etwa 40 – um uns zu unterstützen. Das Segeln bringt unglaublichen Spaß – nur Wind angetrieben rasen wir bei über 25 Knoten (ca. 45 km/h) Windgeschwindigkeit durch die Tafelbucht. Immer wieder neigt sich das Boot weit über 45° hinaus in den Wellen. Das sei normal, lerne ich – immerhin fahren wir ja ein Rennen. Neben dem Spaß bei Segeln, ist auch die Aussicht hervorragend – als wir die letzte Wende in Richtung Hafen machen geht gerade die Sonne zwischen dem Löwenkopf und Signalhügel unter. Bis mich der Uber zuhause absetzt, ist es halb zehn – müde und erschöpft aber vollkommen glücklich krabble ich in mein Bett.
Donnerstag 28.11.2024 – Löwenkopf
Nach nur etwas mehr als vier Stunden Schlaf klingelt mein Wecker. Mit halboffenen Augen ziehe ich mich an und schnüre meine Schuhe – gemeinsam mit Toni wolle ich heute zu Sonnenaufgang auf den Löwenkopf steigen. Mit Kopflampen bewaffnet laufen wir von dem schon zu dieser frühen Stunde randvollen Parkplatz aus dem Pfad folgend den Berg hinauf. Immer weiter geht es in die Höhe, immer steiler und schmaler wird der Weg, dessen letztes Stück sich nur noch mithilfe von Leitern und im Fels verankerten Ketten überwinden lässt. Hat man den Gipfel aber einmal erreicht, so sind alle Strapazen des Aufstiegs und man blickt herab über das Lichtermeer des nächtlichen Kapstadts. Woooww! Ein eisiger Wind weht. Minute für Minute wird der orangegoldene Streifen über den Wolken am Horizont breiter und breiter, bis dann irgendwann auch die Sonne selbst sich über dem noch verschlafenen Kapstadt erhebt. Ein Naturschauspiel sondergleichen! Waren wir heute morgen noch die Ersten, die den beliebten Sunrise-Spot erklommen, müssen wir auf dem Rückweg an jeder Leiter und Kette regelrecht Schlange stehen, so groß ist der Andrang auf den Berg. Nach einer kleinen Pause zuhause fahre ich mit Toni zum „Canal Walk“-Shoppingcenter – Er müsste hier etwas besorgen, ich würde einfach etwas durch die Geschäfte schlendern. Spätestens nach dem Mittag holt mich dann aber der mangelnde Schlaf der vergangenen Nacht ein. Bei den beiden Nachhilfestunden, die ich am Abend gebe muss ich sichtlich anstrengen, damit meine müden Äuglein nicht zufallen.
Freitag 29.11.2024 – Der Wurm in mir
Gespannt warte ich am Morgen auf das „DHL Express“-Päckchen mit meinen Medikamenten, dass heute Ankommen soll. Und tatsächlich klingelt es schon um kurz nach neun an der Tür und ein Kurierbote überreicht mir den Karton mit den sechs ersehnten Pillen. Der teure Expressversand scheint sich also doch bezahlt zu machen. Ein zweites Päckchen, dass wir drei Tage vorher über den normalen Postweg losgeschickt hatten, befindet sich laut Sendungsverfolgung nach wie vor in Deutschland. Bevor ich die Tabletten nehme, mache ich mich aber erstmal auf den Weg in ein Industriegebiet außerhalb Kapstadts. Hier sitzt ein Support-Partner des Herstellers meines Zeltes. Der deutsche Support, hatte mir nämlich, ohne dass ich das Zelt einschicke – und das geht in meinem Fall ja schlecht –, nicht weiterhelfen können. Also lasse ich nun den südafrikanischen Support beurteilen, ob die Löcher in meiner Zeltplane ein Garantiefall sind, damit dieser dann sein Beurteilungsergebnis an den deutschen Support schicken kann, welcher dann meinen Eltern eine Ersatzplane schicken kann, damit sie mir diese, wenn sie mich Ostern besuchen kommen würden, mitbringen könnten – da soll mal jemand den Überblick behalten. Eigentlich hätte ich, nachdem ich zurück zuhause bin, den restlichen Tag gerne genutzt, um meinen Blog fertig zu schreiben, doch nachdem ich mir zum Mittag die gesamte Dosis des Schistosomiasis-Medikaments einverleibt habe, machen sich schnell erste Nebenwirkungen bemerkbar – Müdigkeit und ein vernebelter Kopf. Ich bin also froh, dass meine Schülerin ihre für heute Nachmittag geplante Nachhilfestunde abgesagt hat und verbringe den restlichen Tag im Ruhemodus. Ein bisschen beunruhigend bleibt weiterhin, dass ich keine Symptome von der Bilharziose hatte – damit fehlt mir jeder Anhaltspunkt, ob die Behandlung nun erfolgreich war oder die Parasiten still und heimlich weiter in mir leben würden.
Samstag 30.11.2024 – Kap der Guten Hoffnung
Bei strahlendem Sonnenschein setzten mich Toni und Monika in der Waterfront ab – Ich hatte für heute ein Bustour zum „Kap der guten Hoffnung“ gebucht. Fast 70 Kilometer sind es von Kapstadt aus, bis zur Spitze der Kap-Halbinsel, die fälschlicherweise oft als „südliche Spitze Afrikas“ gesehen wird – die liegt genaugenommen allerdings 300 Kilometer weiter östlich am „Kap Agulhas“. Eineinhalb Stunden fahren wir mit dem roten Doppeldeckerbus die Küste der „False Bay“, bis wir das Tor des Cape Point Nationalparks erreichen. Der das Kap markierende Leuchtturm hatte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer absoluten Touristenhotspot entwickelt – neben unserem Bus stehen acht weitere Reisebusse und einige dutzend Autos auf dem Parkplatz der Attraktion. Die letzten Meter bis zu dem Leuchtturm müssen dann aber tatsächlich mit etwas Kletterei zu Fuß bewältigt werden und so stehe ich auf der Klippe ganz an der Kapspitze wieder fast alleine da. Neben dem ikonischen Leuchtturm ist ein großes Holzschild mit der Aufschrift „The most South-Western Point of the African Continent“ und den Koordinaten des Punktes das Fotomotiv schlechthin – wer hier ein Erinnerungsbild will muss erst einmal Schlange stehen. Am Nachmittag macht sich unser Bus auf den Weg zum zweiten Stopp des Tages: Dem Boulders Beach, einem kleinen Strand in der Nähe von Simons Town auf dem eine Pinguin-Kolonie lebt. Anders als die Pinguine aus dem „National Geographic“-Dokus sind die „afrikanischen Pinguine“ allerdings recht klein – süß anzusehen ist es trotzdem, wie sie den Strand entlang watscheln und durchs Wasser jagen. Nach langen achteinhalb Stunden kehrt unser Bus in die Waterfront zurück. Auf Ruhe muss ich aber noch ein bisschen warten – zuhause erwartet mich erstmal eine Nachhilfestunde.
Sonntag 01.12.2024 – 24x Schlafen bis Weihnachten
Zeit das erste Türchen meines Adventskalenders zu öffnen! Ist es wirklich schon Dezember? In 24 Tagen soll Weihnachten sein?! So anfühlen tut es sich nicht. Auch wenn die Shoppingcentren schon lange ihre Weihnachtsdeko aus den Kellern geholt haben und Monika diese Woche Plätzchen gebacken hatte – ohne das Dunkle, die Kälte und vielleicht etwas Schnee, kam ich nicht so schnell in Weihnachtstimmung. Vielleicht sollte sich das heute ändern, denn in der Stadtmission gäbe es heute eine große Adventsfeier. Am Vormittag mache ich mich gemeinsam mit Toni auf den Weg zum Aufbauen – Stühle und Tische für über 200 Leute müssen in der Mehrzweckhalle einer Schule gestellt werden. Über Mittag fahren wir noch einmal nach Hause – da eine Nachhilfeschülerin von mir Morgen Klausur schreibt, hatte ich mich dazu erweichen lassen heute noch zwei Nachhilfestunden zu geben. Am Nachmittag machen wir uns dann auf den Weg zu der Adventsfeier – einer klassischen Deutschen Adventfeier. Bei selbstgebackenen Keksen und Liedern wie „O Du Fröhliche“, „Stille Nacht“ und „Tochter Zion“ komme dann auch ich etwas in festliche Stimmung. Zumindest solange, bis die Feier vorbei ist und ich wieder mit dem 25° warmen, sonnigen Kapstadt konfrontiert werde.
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