Montag 16.06.2025 – Centro Histórico
Da für den frühen Nachmittag eine Nachhilfestunde geplant ist, beschließe Ich mich nicht all zu weit vom Hostel zu entfernen und heute das Stadtzentrum zu erkunden. Mein Weg führt mich zuerst zur „Escadaria Selarón“, einer bunten Mosaiktreppe. Obwohl es noch früh am Tage ist, tummeln sich hier bereits einige Touristen und posieren für schicke Social-Media-Fotos auf den photogenen Stufen. Nachdem auch Ich ein paar obligatorische Fotos geknipst habe, laufe Ich weiter durch den Lapa-Distrikt zur „Catedral Metropolitana de São Sebastião“ und werfe einen Blick in das moderne pyramidenförmige Kirchengebäude. Im relativ untouristischen Centro-Bezirk, treffe Ich auf einen riesigen Markt, auf welchem zu Spottpreisen ohne Ende Kleidung und Elektronik vertickt werden. Mir tut es vor allem das Streetfood an: Coxinhas – ein frittiertes tropfenförmiges Gebäck, welchem mit Geflügelfleisch gefüllt ist –, karamellisierte Erdnüsse, frischer Orangensaft, Açaí und noch so vieles mehr. Um zehn Uhr mache Ich mich auf die Suche nach dem „Real Gabinete Português de Leitura“, einer historischen Bibliothek. Als Ich in jene hineintrete, steht mir der Mund offen: Auf drei Etagen stapeln sich in kunstvollen Regalen hier Bücher bis unter die Decke – Eine unbeschreibliche Kulisse. Zum Mittag lasse Ich mich in einem kleinen lokalen Restaurant nieder. Während man nämlich in den touristischen Restaurants an der Beachfront europäische Preise zahlt, kann man hier im Zentrum für knappe zwei Euro ein gutes Selbstbedienungs-Buffet bekommen. Pünktlich zu meiner Nachhilfestunde kehre Ich zurück ins Hostel und verbringe dort dann auch die heißesten Stunden des Tages. Hatte Ich mir in Ouro Preto letzte Woche noch den Arsch abgefroren, waren in Rio wieder konstant zwischen 25 und 30 Grad Celsius und strahlender Sonnenschein. Am Abend drehe Ich noch eine Runde durch die Stadt – eigentlich bin Ich auf der Suche nach einem schönen Sonnenuntergangsspot, doch nachdem Ich festgesellt habe, dass die Sonne dafür auf der falschen Seite untergeht, versinke Ich wieder in einem der Streetfood-Märkte.
Dienstag 17.06.2025 – Christo Redentor
Nach einem gemütlichen Morgen fahre Ich am Vormittag mit der U-Bahn an die Copacabana. Dort will Ich eigentlich einen Blick in das „Columbus-Café“ werfen, doch nachdem Ich die Warteschlange gesehen habe, vergesse Ich das berühmte Kaffeehaus mit seiner alleinstellenden Aussicht ganz schnell wieder und mache mich entlang der „Rodrigo de Freitas Lagune“ auf den Weg zum „Parque Lage“. Der öffentliche Park ist vor allem für das in ihm gelegene Café bekannt, dessen szenischen Innenhof mit der Christusstatue auf dem Berg im Hintergrund ein beliebtes Fotomotiv bildet – doch leider ist das Gebäude zurzeit wegen Renovierungsabreiten geschlossen und mir bleibt nur die Außenansicht. In dem dichten Dschungel in einer der hinteren Ecken des Parks, startet der zur Christusstatue führende Corcovado-Hike. An einem kleinen Polizei-Checkpoint muss Ich mich registrieren und stapfe dann dem Pfand folgend in das Dickicht des Tijuca Nationalparks. Nach einer Stunde auf einsamen Wanderwegen erreiche Ich das Besucherzentrum, wo Ich mich mit einem Snickers stärke. Von dort ist es – wenn man zu geizig ist für die Shuttle-Busse oder die Zahnradbahn zu zahlen – eine weitere 45-Minuten Wanderung, bis zwischen den Baumwipfeln der Rücken der 38 Meter hohen Betonstatue auftaucht. Ein Strahlen zaubert sich auf mein Gesicht – hier zu stehen war surreal! Jene weltberühmte Sehenswürdigkeit mit eigenen Augen zu sehen und zu realisieren, wie weit Ich es inzwischen geschafft hatte. Fast noch beeindruckender als die Statue ist aber der Ausblick: Das Meer aus den von hier oben winzig klein wirkenden Hochhäusern und die spitzen, grünen, aus jenem Häusermeer herausragenden Berge; die Bucht mit ihren vielen kleinen Inseln und den hunderten Segelbooten. Es ist einfach wunderschön! Bis zum Sonnenuntergang bleibe Ich an der Statue und genieße die einzigartige Aussicht, bevor Ich in der Dämmerung wieder zum inzwischen menschenleeren Besucherzentrum hinunterwandere und mir von dort einen Uber bestelle. Dort auf Kundschaft wartende Taxifahrer versuchen mich davon zu überzeugen, dass kein Uber hier hochfahren würde, und wollen mir zu absurden Preisen ihre Dienste aufzwingen – clevere Strategie – doch nach dreißig von Zweifeln geprägten Minuten kommt mein bestelltes Uber-Mototaxi und bringt mich nach Hause.
Mittwoch 18.06.2025 – Favelas mit Aussicht
Wieder mache Ich mich am Vormittag mit der Metro auf den Weg in die Stadt, fahre diesmal aber fast bis zur letzten Station der Linie. Mein Ziel: Die Favela Vidigal – oder besser gesagt der Berg „Dois Irmãos“ an welchem die Favela liegt. Denn von jenem soll man eine der schönsten Panoramaaussichten auf die Stadt haben. Am Eingang der Favela steht ein Polizeiauto der UPP-Einheit, die heute ein Großteil der Favelas in Rio kontrolliert. Mit einem lokalen Mototaxi –Uber lässt einen hier im Stich – fahre Ich einmal quer durch das Viertel zum Start des Wandertrails. Die Eindrücke, die Ich während der Fahrt von Vidigal bekomme, kommen mir sehr bekannt vor. Nur weil man den Marginalsiedlungen hier in Südamerika einen fancy Namen gegeben hatte, waren sie nämlich grundlegend nichts anderes als die „Slums“ im Guinea oder die „Townships“ in Südafrika. Auf den Plänen vieler Touristen, die Rio besuchen, steht unter anderem eine Führung durch diese Favela. Ich hatte mich bewusst dagegen entschieden eine solche zu machen. Denn in erster Linie waren Favelas eines: Wohnviertel! Und Ich kann mir kaum vorstellen, dass die meist an der Armutsgrenze kratzenden Menschen, die hier leben, es besonders toll finden, wenn Massen reicher, westlicher Touristen mit Kamera um den Hals durch ihr Zuhause stapfen, um zu bestaunen unter welch prekären Zuständen sie doch hausen. Schon nach zwanzig Minuten, die Ich den steilen Pfad hinaufgewandert bin, erreiche Ich den Gipfel und die Aussicht kann sich sehen lassen: Vor mir erstreckt sich die Stadt, unter meinen Füßen liegt der Ipanema Beach, zu meiner linken funkeln die Blechdächer der Favela Rocinha – der größten Favela in Südamerika – im Sonnenlicht. Während Ich den Ausblick genieße, gesellt sich ein indischer Reisender zu mir, mit dem Ich mich eine ganze Zeit unterhalte. Nach mehr als einer Stunde laufe Ich den Trail zurück und lasse mich mit einem Mototaxi wieder an den Eingang der Favela bringen. Dort esse Ich noch einen Becher Açaí – der kostet in der Favela nämlich ein Drittel dessen, was er an der Copacabana kostet – und laufe dann den Ipanema Beach entlang in Richtung des „Apoador’s Rock“ um von dort den Sonnenuntergang zu bestaunen. Der aus dem Wasser ragende Fels zwischen den Stränden Ipanema und Copacabana gilt als der Top 1 Sonnenuntergangsspot in Rio und so ist es bereits eine Stunde vor Sonnenuntergang ordentlich voll. Gerade als die Sonne hinter den Bergen verschwindet, taucht dann auch wieder der Inder aus und wir lassen den Abend gemeinsam ausklingen.
Donnerstag 19.06.2025 – Museu do Amanhã
Als Ich aufwache, kratzt mein Hals, meine Nase läuft – Ich schien mich bei dem verschnupften Russen, der seit einigen Tagen im Bett unter mir schlief, angesteckt zu haben. Unbeirrt davon mache Ich mich am Vormittag, nachdem Ich eine Nachhilfestunde gegeben habe auf den Weg zum „Museu do Amanhã“. Doch an dem futuristischen Bau, von dem man meinen könnte, er sei einem Science-Fiction-Film entsprungen, angekommen, beschließe Ich, dass es – so wie Ich mich fühle – unsinnig wäre, das Wissenschaftsmuseum zu besuchen. Stattdessen kehre Ich ins Hostel zurück, wo Ich mich erschöpft in mein Bett fallen lasse. Dort scrolle Ich den restlichen Tag – wenn Ich nicht gerade mit Nase putzen beschäftigt bin – durch die Untiefen des Internets und hoffe auf eine schnelle Genesung. Am Abend gucke Ich seit langer Zeit mal wieder einen Film auf Netflix und gebe dann mein Bestes ein wenig Schlaf zu bekommen.
Freitag 20.06.2025 – Maratona do Rio
Morgen fand der „Maratona do Rio“ und ein dazugehöriger Halbmarathon statt. Als Ich im Januar festgestellt hatte, dass das zeitlich passen dürfte, waren die Tickets bereits ausverkauft – doch da die Laufroute sich auf der Website des Veranstalters runterladen ließ, nahm Ich mir vor auf eigene Faust einen Halbmarathon durch Rio zu laufen. Noch gestern Morgen hatte Ich, optimistisch gestimmt, extra eine heutige Nachhilfestunde dafür verschoben. Doch anstatt einen Halbmarathon zu laufen, lang Ich nun krank im Bett. Die Nacht war bescheiden, sonderlich viel Schlaf bekommen hatte Ich nicht – und so verbringe Ich einen weiteren Tag damit mich auszuruhen. Ich scrolle viel auf meinem Handy rum, lese das Buch „All About Africa“ von Stève Hiobi zu Ende und besorge mir vitaminreiches Essen. Im Laufe des Nachmittags erreicht mein Konzentrationsvermögen wieder ein Niveau, auf dem Ich sogar ein wenig an meinem Blog schreiben kann – so schaffe Ich heute dann zumindest doch noch irgendetwas Produktives!
Samstag 21.06.2025 – Verflixter FlixBus
Bereits vor einigen Tagen hatte Ich mir ein Busticket nach São Paulo gebucht, denn Trampen in dem Ballungsgebiet rund um die beiden größten Städte Brasiliens galt als nahezu unmöglich. Hätte Ich beim Buchen gewusst, dass Ich zwei Tage krank im Hostel verbringen würde, so wäre Ich vielleicht ein paar Tage später gefahren – doch es ist, wie es ist: Das Ticket war gebucht und das Allermeiste von Rio de Janeiro hatte Ich ja schließlich auch gesehen. Um 11:30 Uhr soll mein FlixBus – ja, die grünen Busse sind inzwischen auch nach Südamerika expandiert – abfahren, doch als Ich mich eine halbe Stunde vor Abfahrtszeit am Terminal einfinde, wartet dort bereits ein Mitarbeiter des Busbetreibers und erklärt mir, dass der Bus eine Reifenpanne habe und deshalb zwei Stunden verspätet sei. Aus zwei Stunden werden drei bis der Reisebus endlich in den Busbahnhof gerollt kommt. Immerhin die Fahrt ist angenehm, der Bus klimatisiert, die sitze bequem. Als wir um halb acht dann endlich São Paulo erreichen, mache Ich mich mit der Metro auf den direkten Weg zu meinem Hostel und falle dort fertig ins Bett.
Sonntag 22.06.2025 – Hillsong São Paulo
Auf dem Weg zur Bushaltestelle, hole Ich mir noch kurz ein Croissant zum Frühstück, und verpasse so glatt den Bus, welcher gerade abfährt, als Ich die Haltestelle erblicke. Egal – Ich habe genügend Zeit und in zwanzig Minuten kommt bereits der nächste Bus! Als Ich in jenen einsteige und dem Fahre, das Geld fürs Ticket in die Hand drücke, guckt dieser mich schräg an und winkt mich, ohne das Geld zu nehmen durch – Wie Ich später erfahre, sind alle Busse in São Paulo sonntags kostenlos. Pünktlich erreiche Ich das unauffällige Gebäude der Hillsong Church, vor welchem bereits eine Handvoll Leute warten. Schon bald öffnen sich die Türen und Ich betrete eine riesige Halle – die Dimensionen der Kirche sind gigantisch: An die 3000 Besucher schleust man jeden Sonntag in vier Gottesdiensten hier durch – und das ist nur einer von zwei Hillsong-Standorten in São Paulo! Über einen kleinen Funkempfänger wird mir der Gottesdienst ins Englische übersetzt. Im Anschluss an den anderthalbstündigen Gottesdienst zieht mich der auf der anderen Straßenseite liegende McDonalds an – die Burgerkette ist in Südamerika recht weit verbreitet und preiswert. Wieder zurück im Hostel telefoniere Ich mit meiner Familie. Obwohl Ich noch immer ein klein wenig angeschlagen bin, raffe Ich mich als die Temperatur am Abend ein wenig abkühlt noch zum wöchentlichen fünf Kilometer Lauf – allerdings mit gemäßigter Geschwindigkeit – auf.
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