Montag 29.07.2024 – Rumgegurke
Am Morgen erreicht mich eine Nachricht auf die ich innerlich schon gehofft hatte: Meine einzige Nachhilfeschülerin, die auch während der Ferien Stunden nimmt, würde ihre letzten zwei für den Juli verbleibenden Einheiten auch noch ausreizen – zwei Stunden in den nächsten zwei Tagen. Insgesamt habe ich im kompletten Monat nur 154,00 Euro mit Nachhilfe verdienen können – in vorherigen Monaten war das gerne Mal das Vierfache. Mitte August enden in vielen deutschen Bundesländern die Sommerferien und die Nachfrage nach Nachhilfe dürfte wieder steigen. Nach dem Mittag fragt Rosé mich, ob ich abfahrtsbereit wäre – wir würden gleich losfahren. Wie so oft, weiß ich zu diesem Zeitpunkt, weder wohin wir fahren, noch was der Zweck dieser Fahrt ist, doch ich antwortworte provisorisch einfach mit „Ja“. Als ich nach einer Stunde, die ich dann auf die tatsächliche Abfahrt warte, überlege meinen Bereitschaftsmodus wieder abzulegen und mich meinen eignen Plänen zu widmen, kommt Rose gerade die Treppe runter, sieht mich, scheint sich schlagartig daran zu erinnern ja losfahren zu wollen und kündigt an, dass sie nur noch nur noch kurz etwas holen wolle. Das Spiel wiederholt sich dreimal bis wir dann endlich in ein Taxi steigen und sich das sich das Geheimnis lüftet, wohin unser Ausflug geht. Rose will ein Bündel Kassava-Blätter verkaufen, den defekten Deckel einer Gefrierbox reparieren lassen und ein paar Dinge besorgen. Meine Aufgabe dabei? Ich darf die Tasche mit den Dingen die hundert Meter vom Taxi zu den jeweiligen Stationen tragen. Als sie die Tasche dann nicht mehr benötigt darf ich mit dieser dann vorzeitig alleine ein Taxi nach Hause nehmen. Schön! Ein weiteres Mal zwei Stunden gewartet um eine Stunde im Taxi zu sitzen und jemanden ihre Sachen hinterherzutragen, während sie ihre Erledigungen macht. Dazu meine ToDo-Liste, die ich heute eigentlich hätte weiter kürzen wollen, weiter abzuhaken war ich dafür nicht gekommen. Sobald ich wieder zuhause bin, erledige ich also zumindest noch einen Punkt davon: Meine Haare müssten mal wieder geschnitten werden.
Dienstag 30.07.2024 – Aufbruchstimmung
Da ich am Donnerstag meine Weiterreise plane und ich am morgigen Tag in die Innenstadt fahren und ein paar Erledigungen machen müsste, beginne ich schon langsam damit das in der letzten Woche in meinem Zimmer entstandene Chaos zu lichten. Meine längst trockene – ob man sie auch als sauber bezeichnen kann, ist streitbar – Wäsche zusammensammeln, schonmal dafür sorgen, dass alles wieder da ist, wo es hingehört. Über zwei Monate lang habe ich nicht mehr im Zelt geschlafen. Nicht, nur aus Kostenspargründen, sondern auch weil die Regenzeit, je weiter südlich ich komme, nachlässt und ich es eigentlich mag draußen zu schlafen, möchte ich das in der nächsten Zeit aber wieder ändern. Mein Zelt, mein Kochgeschirr und mein Schlafsack mögen etwas muffig riechen, sind an sich aber einsatzbereit – in letzterem habe ich ja bereits wieder zwei Nächte draußen verbracht. Was ich in diesen Nächten schmerzlich – im wahrsten Sinne des Wortes – vermisst habe, ist meine Isomatte. Die hält nämlich nach wie vor nicht dicht, nachdem ich in Accra nach mehrfachen verzweifelten Flickversuchen aufgegeben hatte. Überraschend schnell gewinne ich neue Erkenntnisse. Zum Einen hat die Isomatte von außen nicht erneut zu Schimmel begonnen – dafür nun von innen. Die zweite und viel wesentlichere Erkenntnis besteht darin, dass leise Zischen nicht von der Stelle stammt, die ich bereits ausgebessert hatte, sondern von einem winzigen Loch einen halben Zentimeter daneben. Schnell ist die Stelle mit etwas Kleber den Samuel in seinem Werkzeugkoffer gefunden hat ausgebessert und die Isomatte scheint ihrer Funktion wieder nachzukommen – dem kongolesischen Dschungel steht nichts mehr im Wege! Am Abend telefoniere ich mit meinen Eltern, die gerade meinen Großeltern sind und verfalle dann – als der Strom mal wieder ausfällt – der seltenen Verlockung eines Buches: „Mit 50€ um die Welt“ – zum werweiß wievielten Mal. Wo ich nun Afrika zu 2/3 hinter mir habe, kann ich meine Träume ja schonmal ein bisschen von den weißen Ständen der karibischer Inseln und den Challenges Südamerikas besudeln lassen.
Mittwoch 31.07.2024 – Malaria-Alarm
Nachdem ich am Morgen noch eine Nachhilfestunde gegeben und danach das Staffelfinale von „The Race“ geguckt habe, mache ich mich gegen Mittag gemeinsam mit Samuel auf den Weg zum Nationalmuseum. Auf dem Innenhof dessen findet gerade ein temporärer Kunsthandwerkermarkt statt. Basteleien, Schnitzereien, Gemälde, traditionelle Kleidung – gut, dass ich sowieso keinen Platz in meinem Gepäck habe. Während wir unsere Runden durch die Marktgassen drehen, stellt sich mir allerdings eine ganz andere Herausforderung, als die verkaufslustigen Künstler: Mein Kreislauf macht schlapp, mir ist schwindelig. Bei jeder Gelegenheit setze ich mich hin oder lehne mich an. „Ich habe bestimmt nur zu wenig getrunken, ich trinke gleich ne Cola, dann geht das wieder“ überzeuge ich mich selbst und mache keine große Sache daraus. Nach dem Besuch auf dem Handwerkermarkt, macht Samuel sich auf den Rückweg. Ich bleibe in der Stadt, denn ich müsste mein Kongo-Visum abholen und noch Geld wechseln, damit ich mich auf die Weiterreise machen könne. Als ich aus der Botschaft komme ist mir kalt – bei einer Außentemperatur von 25° Celsius – mein Kopf wirkt vernebelt, ich bin müde. Trotzdem mache ich mich noch auf den Weg zur Bank, wo ich mir eine Stunde lang alle Mühe gebe nicht im Wartebereich wegzunicken, während die wenig hilfreiche Dame hinterm Schalter alle ihre Kollegen abtelefoniert, um zu fragen, ob einer von ihnen noch sein Freigabe-Passwort für den Bargeldwechsel weiß – Spoiler: Es findet sich keiner. Im Taxi auf den Weg zurück falle ich regelmäßig in Sekundenschlaf. Ich bin so erschöpft, dass ich mich nicht einmal dazu aufraffen will die Cola-Flasche aus meinen Rucksack zu holen. Zuhause angekommen stapfe ich auf direktem Wege die Treppe nach oben und gehe ins Bett. 17.00 Uhr? Egal. Ich mache heute gar nichts mehr! Mein Körper fühlt sich – entgegen seiner tatsächlichen Temperatur – unglaublich kalt, nur mein pochender Kopf fühlt sich nach den knappen 40° an, bei denen meine Körpertemperatur liegen muss. Das Bett ist in Schweiß getränkt, mir fällt es schwer meine Augen offenzuhalten. Langsam beginne ich zu ahnen, dass ich nicht einfach nur schlapp bin, zu wenig gegessen oder getrunken habe … es scheint als hätte mich das Malaria-Virus erwischt. Da es allerdings Nacht ist und ich von den anderen nichts mehr höre, beschließe mich dem Problem morgen mit einem Arztbesuch zu stellen. Ein Klopfen an meiner Tür weckt mich: „Felix? Geht’s dir gut?“ Rose erkundigt sich besorgt nach meinem Wohlergehen und bittet mich zum Abendessen – entgegen meiner Zeitwahrnehmung ist nämlich erst halb acht. Nachdem ich ihr mein ihr mein Befinden geschildert habe, wird sie deutlich: „Du wartetest nicht bis morgen, du brauchst keinen Test, du nimmst Malaria-Tabletten – JETZT! Das ist gefährlich!“
Donnerstag 01.08.2024 – Du brauchst keinen Arzt!
Malaria: Ein durch von dämmerungsaktiven Mücken in das Blut übertragenen Parasiten aufgelöstes Tropenfieber. Die Letalität – also die Wahrscheinlichkeit daran zu sterben – liegt für nicht nichtimmune Personen unbehandelt bei 20 Prozent. Seit dem Senegal war jedes Land, dass ich durchquert hatte ein Malaria-Hochrisikogebiet gewesen. Eigentlich war es also nie die Frage gewesen ob, sondern vielmehr wann ich mich mit Fieber infizieren würde. Als ich am Morgen aufwache fühle ich mich – trotz einer absolut miserablen Nacht – schon etwas besser. Verantwortlich dafür sind wahrscheinlich die fiebersenkenden Mittel, die ich genommen habe. Noch immer habe ich etwas Schüttelfrost, mein Kopf pocht leicht vor sich hin, mein geistigen Kapazitäten sind nicht auf ihrem normalen Stand und doch fühle ich mich nicht schlechter als bei einer normalen Grippe. Meinen Bewegungsradius will ich sicherheitshalber nicht über die Strecke von der Toilette, über mein Zimmer, bis zum Sofa im Wohnzimmer hinausreizen – dort verbringe ich also den ganzen Tag. Einen Arzt bräuchte ich laut Rose nicht, ein Test wäre ebenfalls überflüssig – dass ich Malaria habe stünde mir schließlich ins geschrieben. Malaria ist für die Menschen hier wie eine Erkältung für einen Deutschen: Du merkst, dass du es hast, nimmst ein paar Medikamente und bist ein paar Tage später wieder wohlauf. Nur ohne Medikamente nimmt die Krankheit schnell einen sehr unschönen bis tödlichen Verlauf. Während ich den ganzen Tag über auf den Sofa liege und mich langweile werden die Symptome am späten Nachmittag wieder etwas stärker: Ich friere wieder, die Kopfschmerzen werden stärker. Bevor ich am Abend ins Bett gehe, braut Rose mir mit irgendwelchem Gemüse und noch einen Heiltrunk zusammen – der solle mein Blut stärken. Gemixt mit etwas Milch bekommt man ihn sogar hinunter^^ Mit Schlafen ist nicht wirklich viel – Kein großes Wunder nachdem ich bereits den halben Tag geschlafen. Ich walze mich also fröstelnd in nassgeschwitzten Bett hin und her und zähle Schäfchen. Als ich zum x-ten Mal aufwache spüre ich etwas Flaues in meinem Magen, das sich wenig später meine Speiseröhre hochbewegt und dann neben meinem Bett ergießt. Ging es wir wirklich schon besser als gestern, oder war das vielleicht eine Fehleinschätzung?
Freitag 02.08.2024 – Klarheit
Neben meinem Bett liegen noch die Hinterlassenschaften der Nacht. Obwohl ich 12 Stunden im Bett gewesen war, hatte ich nicht ein einziges Mal mehr als 30 Minuten Ruhe bekommen – die Nacht war ein absoluter Horror. Dennoch fühle ich mich überraschend fit. Als nach unten komme, bietet Samuel mir direkt erstmal etwas zum Frühstück an – mein Appetit allerdings hält sich in Grenzen. Da Erbrechen bei einfachen Malaria-Verläufen wohl nicht zum Symptombild gehört mutmaßt er, ob ich nicht noch mehr Infektionen abbekommen habe. Ich solle einfach noch ein Antibiotikum nehmen – sicher ist sicher. Die Idee gefällt mir weniger und ich beginne mich mit dem Thema „Arztbesuch in Kamerun“ auseinanderzusetzen. Eine Stunde später sitze ich in einer kleinen Arztpraxis und habe schwarz auf weiß bestätigt, was ich schon ahnte: Ich hab Malaria! Zwei Stunden später kommt neben dem Schnelltestergebnis auch das des Bluttests und erweitert die Informationen: Ich habe „Malaria tropica“, die gefährlichste der drei Malaria-Varianten. Staunen tut Samuel, der mir als Dolmetscher dient, als er hört wie viele der Malaria-Parasiten man in meinem Blut gefunden hat: 288 Stück. In einem einzigen Tropfen. Ein – vor allem in Anbetracht dessen, dass ich seit zwei Tagen, ein Medikament nehme, dass eben diese Parasiten abtöten soll – ziemlich hoher Wert. Die Ärztin weiß allerdings eine Lösung: Ich bekäme das Malaria-Medikament von nun an in erhöhter Dosis als Spritze. Wenig gefühlvoll rammt sie mir die Injektionslösung in meinen Allerwertesten und dennoch bin ich froh nun Klarheit und zu haben. Schön, dass ich noch hier in Yaoundé erkrankt bin, wo es an jeder Straßenecke Arztpraxen gibt. Wie wäre das Kongo gewesen? Mitten im zweitgrößten Regenwald der Welt? Vielleicht hundert Schlaglochpisten-Kilometer entfernt vom nächsten medizinischen Versorgungszentrum? Glück im Unglück. Bis auf meinen nun schmerzenden Hintern sind die Symptome des Tropenfiebers weitestgehend verschwunden. Nachdem ich Rose’s Heiltrunk als Übeltäter für das Erbrechen festgemacht habe, ist auch mein Appetit zurückgekehrt. Einziges Problem – je weniger ich krank bin, desto mehr langweile ich mich. Ich müsste nun mindestens bis Montag warten, bis ich weiterreisen könnte.
Samstag 03.08.2024 – Expositionsprophylaxe
Langsam aber sicher werden auch die Nächte wieder etwas besser und ich darf am Morgen ausgeruht aufwachen. Während ich noch im Bett liege und YouTube gucke ruft Steffi nach mir – Ich solle kommen und ihr helfen. Mit dem Wochenende beginnt in der Küche wieder die große Tortenschlacht und meine zweitägige Malaria-Schonfrist scheint nun ihr Ende zu haben. In morgendlicher Laune rühre ich also erstmal eine Stunde lang Teig zusammen, bevor ich dann zum Frühstücken komme. Im Laufe des Tages bekomme ich meine zweite Spritze – nachdem ich der Ärztin erzählt habe, dass die gestiegen Einstichstelle noch schmerzt – diesmal ganz gefühlvoll in meinen Hintern. Ab dem späten Nachmittag wird es unmöglich für mich, mich länger im Wohnzimmer aufzuhalten. Im Minutentakt höre ich ein hochfrequentes Geräusch an meinem Ohr vorbeiziehen und spüre dessen, wenn ich nicht rechtzeitig zuschlage, Verursacher wenige Sekunden später in Form eines juckenden Stichs auf meiner Haut. Ich fliehe also unter das über meinem Bett hängende Moskitonetz, dem einzig sicheren Ort im Haus. Expositionsprophylaxe – also die Vermeidung von Stichen – ist der beste Schutz vor jeder insektenübertragenen Krankheit, nur ist dieser schöne Fachbegriff wesentlich leichter gesagt als getan. In den wenigsten günstigen Unterkünften gibt es ein Moskitonetz über den Bett – und selbst wenn es das gibt: Als ich am Abend ist Bad gehe setzt sich während ich mich rasiere eine Mücke direkt auf meine Wange und auch beim Duschen lassen mich die stechenden Bestien nicht in Frieden. In der Theorie ein plausibles Konzept mit dem „einfach nicht gestochen werden“ – in der Praxis nahezu unmöglich. Um kurz vor neun ruft mich Rose aus dem Bett – Steffi sei nicht da, ich solle ihr helfen kommen. Bis nach 22.00 Uhr stehe ich also noch in der Küche und rühre unter den strengen Augen von Rose mit zwei Mixern im Wechseln – diese überhitzten sonst nämlich, weil sie nicht für die Masse gemacht sind – Creme für weitere Kuchen zusammen.
Sonntag 04.08.2024 – Aus die Maus Mücke!
Ein enttäuschter Blick auf mein Smartphone stellt am Morgen fest, dass das WLAN nicht funktioniert. Das normale „Sonntagsprogramm“ wird also erstmal nichts. Stattdessen widme ich mich meinem Blog und halte die Aufs und Abs der letzten Tage fest. Gegen Mittag kann ich mir dann endlich meine letzte Malaria-Spritze spritze abholen. Auch wenn man keinen weiteren Test macht, heißt es, dass dieser nun negativ ausfallen solle. Um sicher zu gehen, dass wirklich alle Erreger in meinem Körper weg sind und ich nicht direkt wieder an Malaria erkranke würde ich die nächsten drei Tage noch Tabletten nehmen. Ich wäre nun durch mit Malaria! – zumindest mit meinem ersten Mal Malaria, denn Immun wird man nach einer überstandenen Infektion leider nicht. Zu meiner freudigen Überraschung verlief die Krankheit durchaus weniger dramatisch und dramatisch, als sie klingt – wünschen tue ich sie dennoch keinem! Nachdem mein Zeitplan nun gehörig durchgeschüttelt wurde, ist es dieser um den ich mich am Nachmittag krümmere – am Dienstag solle es weitergehen. Steffi versucht sich derweil fluchend an einem Basketball-Kuchen. In Deutschland würde man ein solches kugelförmige wahrscheinlich aus Schokolade modellieren, sie ist hingegen aus Budgetgründen auf Fondantmasse beschränkt, an welcher sie verzweifelt. Vielleicht sollte man den Basketball lieber aus einer Wassermelone schnitzen, schlage ich scherzhaft vor. Am späteren Nachmittag – rechtzeitig vor Beginn der Mückenphase – kommt das Internet wieder und ich komme doch noch dazu, den Hamburger Gottesdienst zu streamen.
Wir freuen uns das es Die besser geht
Unter dem Kreuz des Südens und einem liegenden Halbmond findet man viele fremdartige Überraschungen. Mit Gott weiterhin Richtung Süden, alles Gute!
Schön das Du die Erkrankung einigermaßen „glimpflich“ überstanden hast. Hoffentlich bleibst Du davon jetzt verschont!