Montag 16.09.2024 – It’s Party Time
Mein Aufenthalt in Benguela hat in erster Linie einen Grund: Etwas außerhalb der Stadt soll es eine aktive Tauchbasis geben. Seit Dakar – und die dortige Tauchbasis sah alles andere als aktiv aus – war in keinem der Orte auf meiner Route auch nur eine einzige Tauchbasis auf der Website des weltweit größten Tauchverbandes, PADI, verzeichnet gewesen. Hier in Benguela könnte ich also endlich wieder mal meinem geliebten Hobby, dem Sporttauchen, nachgehen. Nunu hatte mir angeboten mich heute zu der etwas abseits gelegenen Basis fahren zu können. Um kurz nach zwölf rollt sein Geländewagen auf dem Parkplatz des Appart-Hotels vor. Die Landschaft wird schlagartig zur Wüste – vegetationslose Felslandschaften ziehen an der Fensterscheibe vorbei. Kaum haben wir Benguela verlassen, endet die geteerte Straße und es geht nur noch auf einer Schotterpiste weiter in Richtung Caotinha. Das kleine an einer Steilküste gelegene Dorf besteht zum größten Teil aus Fischereiindustrie – laut Nunu beherbergt der kleine Ort die größte „Fischfabrik“ Afrikas. Auf dem Wasser tummeln sich unzählige Fisch-Trawler – alles Chinesen murmelt Nunu. Etwas außerhalb des Dorfes liegt direkt neben einem traumhaften Strand die versprochene Tauchbasis. Auch wenn ich es heute nichtmehr ins Wasser schaffen würde – mein Nachmittag ist mir einer Nachhilfestunde verplant – ist es schön schonmal einen Eindruck von der Basis zu bekommen, alles für morgen klären zu können und nicht zuletzt die beeindruckenden Küste Caotinhas zu bestaunen. Auf der Aussichtsterrasse einer Restaurantruine gebe ich mit grandiosen Blick auf die aus dem Waser ragenden Felshänge meine Nachhilfestunde. Nach meiner Fast-Pleite zu Beginn des Kongos, hat sich meine Reisekasse inzwischen wieder gut erholt – stolze 356,96€ verzeichnet sie, als ich meinen Laptop nach der Nachhilfestunde zuklappe. Nunu hatte mir bereits angekündigt, dass wir, nachdem er mich aus Caotinha abholt, weiter nach Baía Azul (blaue Bucht) fahren würden, um dort seine Familie besuchen. Dass es sich nicht nur einen einfachen Besuch handelt, sondern um eine Geburtstagsfeier hatte er mir allerdings verschwiegen. In der Villa – ein riesiges Haus in Strandlage mit Pool und Outdoor-Küche – seiner Eltern ist schon ordentlich was los. Mich erwartet ein großes Grill- und Salatbuffet; der große Kühlschrank ist bis zum Rand mit Bier und Softdrinks gefüllt. Gegen ein Uhr nachts werden meine Augenlider – nicht mehr an das lange Aufbleiben gewöhnt – schwerer, mein Bauch ist voll mit Fleisch, Lasagne und Kuchen und so bin ich froh als Nunu sein letztes Glas Gin Tonic leert und wir uns auf den Nachhauseweg machen.
Dienstag 17.09.2024 – Abgetaucht
Per Anhalter lege ich am Morgen die erste Hälfte der Strecke nach Caotinha zurück, bevor ich mit dem Ende der geteerten Hauptstraße dann auf ein Mototaxi umsteigen muss. Pünktlich um zehn Uhr stehe ich vor der Tauchbasis und treffe mich mit Marco, meinem Guide. Schon eine halbe Stunde später stapfen wir in voller Montur über den Strand ins Wasser. Beim ersten Tauchgang des Tages würden wir das direkt am Strand vor der Tauchbasis liegende Schiffswrack erkunden. Das Wasser ist aufgrund einer Algenplage nicht ganz so klar wie sonst. Die Sichtweite von knappen drei Metern erinnert eher an die heimische Ostsee, als an tropische Gewässer. Verhangen mit alten Fischernetzten, wirkt das große Stahlwrack dessen Korridore wir in 13 Metern Wassertiefe treffen in den grün schimmernden Wasser fast etwas gespenstisch. Die Wassertemperatur ist mit 20° Celsius zwar anfangs angenehm, wird mit dem dünnen 3mm-Neoprenanzug nach einer knappen Stunde, aber dann doch kühl. Auf dem Rückweg gibt es dann noch eine kurze Rettungsaktion: Ein blau gepunkteter Zackenbarsch kämpft mit einer alten Angelleine, in welcher er sich verfangen hat und freut sich von uns befreit zu werden. Nach einer ruhigen Mittagspause in der Hängematte wird es Zeit für den zweiten Tauchgang. Diesmal geht es auf die andere Seite des Riffs. Hier gibt es zwar kein Wrack, dafür aber massig Fisch. In den Höhlen des Riffs verstecken sich einige an die 1,5 Meter messende Zackenbarsche. Im 16 Meter Wassertiefe begegnet wir neben großen bunt im Licht der Lampe schimmernden Fischschwärmen unter anderem Muränen, Seepferdchen und kleinen bunten Meeresnacktschnecken. Nach 55 Minuten ist auch die zweite Flasche Pressluft leergenuckelt und der zweite Tauchgang neigt sich dem Ende. 70.000 Kwanza (67,87€) ärmer aber dennoch zufrieden mache ich mich auf den Nachhauseweg: Taucherisch waren es sicherlich nicht die beeindruckendsten Tauchgänge gewesen und dennoch war es unfassbar schön, nach so langer Zeit mal wieder abtauchen zu können. Wieder zurück in Benguela gönne ich mir erstmal einen großen Hamburger. Ich bin ziemlich fertig – pro Stunde im Wasser verbrennt man beim Tauchen immerhin etwa 600 Kilokalorien, genauso viel wie beim zügigem Joggen. Mit einem der blau-weißen Kleinbusse fahre ich zu dem Appart-Hotel, auf dessen Hinterhof mein Zelt steht, und falle müde ins Bett.
Mittwoch 18.09.2024 – Ein weiterer Tag in Benguela
Das Geräusch von auf mein Zelt prasselnden Regentropfen weckt mich am Morgen – Wie gut, dass ich das kleine Loch in meiner Zeltplane gestern noch provisorisch mit einem „Nett hier“-Sticker geflickt hatte. Eigentlich hatte ich gehofft heute gemeinsam mit James und Elise weiter nach Namibe fahren zu können, doch die beiden hatten Probleme mit ihrem Auto und sind deshalb schon gestern weitergefahren. Im Regen trampen macht keinen Spaß und so sorgt der morgendliche Schauer dafür, dass ich beschließe noch einen weiteren Tag in Benguela zu verbringen. In meinem Zelt sitzend nutze ich die Zeit bis der Regen aufhört damit, die nächste Woche etwas zu planen. Zehn Tage sind es nur noch, die mir verbleiben, bis der Zeitraum, in dem ich mich visafrei in Angola aufhalten darf, endet – und ich hab durchaus noch einige Ziele. Gegen Mittag erinnert nichts mehr an den morgendlichen Schauer – 30° Celsius, blauer Himmel und Sonnenschein. Mit einem Sammeltaxi mache ich mich auf dem Weg zum Strand. Während die Innenstadt Benguelas fast ausgestorben wirkt, tobt rund um die Strandpromenade das Leben. An einem der Stände bestelle ich mir mein Mittagsessen. Ein Sandes – was übersetzt tatsächlich einfach nur „Sandwich“ bedeutet – unterscheidet sich an dem kleinen Fast-Food-Stand kaum von dem doppelt so teuren Hamburger. Bereits für 1500 Franc (1,45€) bekommt man einen beachtlichen „Sandes“ mit Pommes als Beilage – nur das Patty fehlt im Vergleich zum Hamburger und wird durch etwas Dosenthunfisch ersetzt. Nachdem ich auch der Ananasverkäuferin noch einen Besuch abgestattet habe, mache ich mich auf den Rückweg und lade noch kurz meine mobilen Daten auf. Bereits für 1000 Franc (0,97€) bekommt man hier drei Gigabyte Datenvolumen – da denkt man kaum mehr über WLAN nach. Zurück auf dem Parkplatz des Apart-Hotels überlasse ich dem freundlichen Security-Mann meine Powerbanks, damit er diese einmal vollladen kann. Am Abend gebe ich noch eine Nachhilfestunde, bevor ich mir mein Abendessen – eine Portion „Indomie“ – koche und mich dann im Zelt verkrieche.
Donnerstag 19.09.2024 – Zum Scheitern verurteilt
Zügig baue ich mein Zelt ab, packe meine sieben Sachen zusammen und laufe dann zu der in Richtung Namibe führenden Straße. Schon nach wenigen Minuten bringt mich ein Lastendreirad einige Kilometer weiter zu der entsprechenden Abzweigung und auch dort muss ich nicht lange warten. Nach fünf Minuten klettere ich in das Führerhäuschen eines nach Dombe fahrenden LKWs. Immer tiefer führt die Straße in die Steppe hinein. Eine halbe Stunde lang ziehen endlose karge Trockenlandschaften an mir vorbei, bis wir auf einmal schlagartig wieder grün wird: Wir haben den „Rio Cuanza“, Angolas längsten Fluss, erreicht. Auf der über den Fluss führenden Brücke lässt mein Fahrer mich raus, er würde gleich abbiegen, ich müsste weiter geradeaus. Das kleine Dombe, der letzte Ort bevor aus der geteerten Straße nur noch eine quer durch die Wüste führende Schotterpiste werden soll, ist nur noch drei Kilometer entfernt. Bis zu meinem Ziel, der Provinzhauptstadt Namibe, sind es allerdings noch knappe 350 Kilometer. Nur mäßiger Verkehr kommt die abgelegene Nationalstraße entlanggefahren. Es halten zwar überdurchschnittlich viele Fahrzeuge an, doch keines der Autos fährt weiter als Dombe. Auch nach einige Stunden stehe ich immer noch am Ende der Brücke – meine Zeit wird knapp. Am Abend müsste ich eine Nachhilfestunde geben und bräuchte somit Internet. Davon soll es in der Wüste zwischen Dombe und Namibe allerdings nicht all zu viel geben. Google Maps kalkuliert bis Namibe nur etwa vier Stunden Fahrtzeit ein. Davon abweichende Online-Berichte sprechen allerdings davon, dass man allein für den 60 Kilometer langen ungeteerte Abschnitt drei Stunden einplanen müsse. Um Elf gebe ich nach drei erfolglosen Stunden Wartezeit also auf – ich würde es nichtmehr rechtzeitig nach Namibe schaffen – und wechsle die Straßenseite. Zurück nach Benguela komme ich immerhin recht schnell und weder Nunu noch den Security-Mann scheint es stören, dass ich noch eine Nacht auf dem Hinterhof des Apparthotels verbringen würde. Morgen gäbe es eine neue Chance …
Freitag 20.09.2024 – Neues Ziel, neues Glück
Neuer Tag, neues Glück. Schon um acht Uhr erreiche ich Dombe, die Stadt in der in der Ich gestern gescheitert war. Anders als am Vortrag stelle ich mich diesmal allerding nicht auf die in die Stadt hereinführende Brücke, sondern laufe zum Ortsausgang. Das hat einen drastischen Effekt: Kamen gestern noch regelmäßig Autos an mir vorbei, sind es heute nur ein bis zwei Fahrzeuge, die an mir vorbeifahren – der Rest bleibt in Dombe. Und selbst die wenigen an einer Hand abzählbaren Fahrzeuge, die die Ortschaft in die richtige Richtung verlassen, kommen meist nach etwas Zeit zurück, sind also auch im näheren Umkreis geblieben. Nach drei Stunden, die ich hoffnungsvoll in prallen Sonne Straßenrand stehe, gebe ich auf – das hat doch keinen Sinn. Eine weitere Nacht volle ich nicht in Benguela verbringen, stattdessen würde ich nach Lubango, der größten Stadt im Süden Angolas, trampen. Also Straßenseite wechseln, zurück nach Benguela kommen und dort an die andere Hauptstraße stellen. An der ist glücklicherweise mehr Verkehr und ich muss nicht lange warten, bis mich ein junges Paar einsammelt. Knapp 400 Kilometer später erreichen wir in der Abenddämmerung Lubango. Etwas außerhalb der Stadt soll es hier ein Hotel geben, in dem man für nur 3500 Kwanza (3,39€) ein Zimmer bekommt. Nach 25 Nächten, die ich am Stück gezeltet habe – und das ohne Isomatte – , ist die Verlockung eines eigenen Hotelzimmers, eines Bads und eines weichen Bettes groß – zumal es in der Stadt keine wirklich geeigneten Zeltplätze gibt. Der Mototaxi-Fahrer, der mich in den nahe des Flughafens gelegenen Außenbezirk bringt, weiß zwar nichts von einem dortigen Hotel, doch zu seiner Überraschung und meiner Freude befindet sich in den ungeteerten Gassen tatsächlich eine Unterkunft. Auf dem Gelände treffe ich nur zwei Kinder an, die haben allerdings zumindest den Schlüssel für eines der Zimmer und können mir sagen, dass der Preis inzwischen auf 5000 Kwanza (4,85€) gestiegen sei. Nach kurzer Diskussion einigen wir uns auf 4000 Kwanza (3,88€) und ich beziehe das geräumige Doppelbett Zimmer, nehme eine Eimerdusche – fließendes Wasser gäbe es im Bad momentan nicht – und lasse mich in das weiche Boxspringbett fallen.
Samstag 21.09.2024 – Aussichtspunkte
Werkstatt James und Elise ausfindig mache – die beiden waren ebenfalls gestern in Lubango angekommen. Gemeinsam wollen wir heute die Umgebung der Provinzhauptstadt erkunden, rund um Lubango soll es nämlich einige beeindruckende Aussichtspunkte geben. Nachdem der Reifen des Autos geflickt ist machen wir uns auf den Weg zur „Fenda da Tundavala“, einer Schlucht, an der ein Hochplateau 1000 Meter senkrecht nach unten abfällt. Die Abbruchkante ist – typisch für afrikanische Aussichtspunkte – ungesichert und bietet die Möglichkeit für beeindruckende Fotos. Eine Handvoll Touristen und einige Etwas von der Schlucht entfernt, soll es einen Wasserfall geben. Zwanzig Minuten kämpft sich der Land Rover Discovery Offroad über Stock und Stein und schüttelt uns auf den Sitzen dabei ordentlich durch, bis wir den einsamen, nur von ein paar Rindern bewachten Wasserfall erreichen. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Stadt geht es weiter zum nächsten Aussichtspunkt dem „Serra da Leba“. Eine vielbefahrene Passstraße schlängelt sich hier in unzähligen Kurven direkt neben einer großen Felswand einen Berghang hinauf – ein perfektes Postenkartenmotiv. Nur im Schritttempo kämpfen sich die großen Lastwagen den engen Weg nach oben, immer hoffend, dass Ihnen niemand entgegenkommt. Auf dem Rückweg legen wir noch einen Stopp bei der Lubango überblickenden Christusstaute ein. Die Skulptur ist im Vergleich zu der in Rio de Janeiro allerdings recht klein. Wer weiß, mit etwas Glück würde ich schon in einigen Monaten vor dem brasilianischen Original stehen dürfen. Am Abend kehren wir gemeinsam in meine Unterkunft zurück – nachdem James und Elise gehört hatten, was ich für mein Zimmer zahle, hatten sie beschlossen auch in dem Hotel einzuchecken. Mit meinem Handy voller Bilder und meinem Kopf voller Eindrücke gehe ich ins Bett – ohne Fahrzeug hätte ich locker einige Tage gebraucht um die Sehenswürdigkeiten abzuhaken.
Sonntag 22.09.2024 – Erdbeeren
Als ich am Morgen aufwache sind James und Elise schon weg. Auf meinem Handy sehe ich eine Abschiedsnachricht und – zwanzig Minuten später gesendet – die Nachricht, dass ihr Reifen ein weiteres Mal platt wäre. Ich starte meinen Tag mit Wäsche waschen – das ist mal wieder dringend nötig. Danach streame ich den Gottesdienst aus dem ICF in Hamburg, schreibe an meinem Blog und überarbeite ein weiteres Mal meine Pläne für die letzte Woche in Angola. James und Elise hatten mir gestern von den „Colinas“, einer atemberaubenden Felslandschaft in der Wüste unweit von Namibe vorgeschwärmt. Das sei das beeindruckteste gewesenen, was sie seit langem gesehen hätten. Nachdem ich Namibe vorgestern eigentlich abgeschrieben hatte, beginne ich nun wieder alle meine Pläne über den Haufen zu werfen und doch noch nach Namibe zu fahren. Mir verbleiben zwar nur noch sechs Tage, bis ich aus Angola ausreisen müsste – und Namibe liegt in exakt entgegengesetzter Richtung zur Grenze –, doch irgendwie würde das schon passen. Gegen Mittag mache ich mich auf den Weg ins Stadtzentrum und schlendere durch die Innenstadt. Ich traue meinen Augen kaum, als ich sehe, was eine der Straßenverkäuferinnen in dem Korb auf ihren Kopf hat. Erdbeeren?! Seit ich Deutschland verlassen habe, habe ich keine Erdbeere mehr in meinem Mund gehabt. Für 500 Kwanza (0,48€) bekomme ich ein kleines Körbchen der roten Beeren (Fun Fact: Streng genommen sind Erdbeeren Nüsse) – Ein purer Genuss. Am Nachmittag mache ich mich auf den Rückweg zu meiner Unterkunft. Während es super leicht ist ein Sammeltaxi zu finden, dass von dort ins Stadtzentrum fährt – jedes Sammeltaxi fährt irgendwann ins Stadtzentrum – ist es nicht unwesentlich schwieriger den richtigen unter den hunderten blau-weißen Bussen zu finden, um zurück zu der Unterkunft zu gelangen. Nachdem ich zweimal am falschen Ort geendet bin, entscheide ich mich dann doch für das Mototaxi.
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