Montag 23.09.2024 – Allen Guten Dinge sind Drei
Mäßig motiviert packe ich am frühen Morgen meine Sachen zusammen und mache mich in einem Sammeltaxi auf den Weg in die Stadt. Ein drittes und letztes Mal würde ich es heute versuchen nach Namibe zu trampen. Im Stadtzentrum angekommen lasse ich mich von einem Mototaxi an die entsprechende Straße bringen und treffe dort auf einige sich ebenfalls am Trampen versuchende Locals. Im Gegensatz zu der direkten Verbindung zwischen Benguela und Namibe, hat die von Lubango nach Namibe führende Straße den unwesentlichen Vorteil, dass sie geteert – und somit wesentlich mehr befahren – ist. Nach einigen Minuten hält ein Kleinlaster und ich tue es den Locals gleich, die sofort auf die Ladefläche klettern. Weit bringt mich der erste Lift nicht – nur etwa fünf Kilometer – aber zumindest bin ich nun aus der Stadt raus. Zwei Autos später stehe ich an der letzten Tankstelle vor der Wüste. Ein gleichaussehender Tanklastwagen nach dem anderen fährt an mir vorbei – nur keiner hält. Ich bin schon kurz davor aufzugeben, als nach einer knappen Stunde sich einer der Fahrer dann doch zum Stoppen entscheidet. Zwei Stunden fahren wir durch die karge Landschaft der hier beginnenden Namib-Wüste, bis auf einem etwas Blaues in der Ferne – der Atlantik – und einige grüne Büsche andeuten, dass wir schon bald die Provinzhauptstadt Namibe erreichen würden. Nambie gefällt mir vom ersten Moment an gut. Die Wärme der Wüstensonne trifft auf eine frische vom Meer herüberwehende Brise. In einem Restaurant esse ich etwas und decke mich im Supermarkt mit Lebensmitteln ein, bevor ich mich dann um einen Schlafplatz kümmern muss. Einige Kilometer außerhalb der Stadt soll es direkt am Strand einen Campingplatz geben, der zwar einige negative Kommentare vorweist, aber dennoch meine beste Chance auf einen bezahlbaren Schlafplatz ist. Nachdem ich den Rezeptionisten davon überzeugt bin, dass ich als Einzelperson nur den halben Preis des mit „2 Pessoas“ ausgeschriebenen Preises zahlen würde, stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis und ich beginne mich auf dem rustikalen Platz, den ich komplett für mich alleine habe, richtig wohlzufühlen. Am späten Nachmittag soll ich eigentlich eine Nachhilfestunde geben. Allerdings hat die Mutter der Schülerin mich vergessen und Ihre Tochter ist nicht zuhause. Stattdessen telefoniert sie also eine Stunde mit mir und reden über meine Reise – 32€ Stundelohn fürs Klönen? Geld verdienen war schon schwieriger.
Dienstag 24.09.2024 – Digital Nomad
Um kurz vor fünf klingelt mein Wecker. Eine meiner Nachhilfeschülerinnen macht ein Auslandsjahr an der Westküste Kanadas und so sind es ganze acht Stunden Zeitverschiebung, die wir irgendwie überbrücken müssen. Tatsächlich hat das frühe Aufstehen aber auch seine Vorteile: Um 07.00 Uhr habe ich mein Werk bereits vollbracht und kann entspannt in den Tag starten. In die Wüste fahren würde ich heute allerdings noch nicht, denn auch den restlichen Tag bin ich über bin ich auf gutes Internet angewiesen. Nach der morgendlichen Nachhilfestunde steht am Vormittag noch eine weitere Videokonferenz und am Nachmittag erneut eine Nachhilfestunde an. Dazu soll das Website, an der ich seit einigen Wochen arbeite zu Beginn der nächsten Woche online gehen und es bedarf noch einigen Anpassungen. Zwischen den Online-Terminen bleibt immer genug Zeit, damit ich meinen Laptop wieder laden und in die Stadt fahren kann. Die zehn Kilometer vom Campingplatz ins Stadtzentrum, lassen sich dabei problemlos trampen. Als ich nach meiner Mittagspause zurück zum Campingplatz trampe, steige ich auf einmal zufällig wider in das selbe Auto welches mich gestern um diese Zeit zu schon aus der Stadt mit herausgenommen hatte. Anders als die vielen negativen Bewertung es verlauten, gefällt es mir auf dem kleinen am Meer gelegenen Campingplatz unglaublich gut. Ruhe, Strom, ein schattiger Tisch, Toiletten, Duschen und nicht zuletzt ein in Sichtweite stehender Mobilfunkmast für einen nächtlichen Preis von 3000 Kwanza (2,85€) – was will man mehr? Am Abend kann ich meinen Laptop zufrieden zuklappen – mein Konto ist voll, die meisten Dinge erledigt. Morgen könne es in die Wüste gehen …
Mittwoch 25.09.2024 – Colinas
Auch am heutigen Morgen gebe ich noch bevor die Sonne aufgeht meine erste Nachhilfestunde. Danach klappe ich den Laptop dann aber zu und verabschiede mich vom Internet – jetzt geht’s in die Wüste! Denn mein eigentliches Ziel ist nicht die Stadt Namibe sondern eine 60 Kilometer entfernte inmitten der Namib-Wüste liegende Felslandschaft. Von einem Mototaxi lasse ich mich in die Stadt bringen und decke mich dann noch einmal mit Vorräten ein. Nachdem ich die vier zwei Liter Wasserflaschen in meinen Rucksack verstaut habe, sind es plötzlich merkliche acht Kilo mehr, die auf meine Schultern drücken. An der aus Namibe herausführenden Straße muss ich nicht lange warten bis ein Kleinwagen anhält auf dessen Rücksitz ich mich quetschen darf. Nachdem wir die zum Flughafen führende Ausfahrt hinter uns gelassen haben, gibt es kein zurück mehr – die beiden Juristen würden mich auf alle Fälle bis zu meinem Ziel mitnehmen können. Eine halbe Stunde später steige ich mitten in der Wüste aus dem Auto. Nur eine Sandpiste führt von hier senkrecht von der geteerten Hauptstraße weg dem Horizont entgegen. Trampen? Kanste knicken! Hier kommt höchstens ein paar Mal täglich ein Auto vorbei. Laut meinem GPS-Gerät sind die Steinformationen aber immerhin nur noch 7 Kilometer entfernt. Leider verrät mir mein Handy dann das die dort hinführende Schotterpiste einen großen Bogen macht … dann eben zwölf Kilometer. Nach einer Stunde Fußmarsch unter der prallen Wüstensonne öffnet sich vor mir ein großer Canyon, in dem sich eine kleine grün schimmernde Oase befindet. Mit der Oase treffe ich auf Menschen und einem Mototaxifahrer, der mir anbietet mich die letzten fünf Kilometer zu den Steinsäulen zu bringen. Von der Sonne angestrahlt ragen die roten Sandsteinsäulen aus dem trockenen Wüstenboden. Die Landschaft wirkt, als wäre sie von einem anderen Planten – oder die Kulisse eines Star-Wars-Filmes. Stundenlang klettere ich von Säule zu Säule und mache – gespannt darauf wartend, ob zuerst mein Akku alle, oder mein Speicher voll ist – unzählige Fotos. Nach fünf Stunde die ich mutterseelenallein in der Wüste verbracht habe, schlägt die Euphorie in Langeweile um. Zudem ist mein aus Butterkekspackungen bestehender Essenvorrat aufgebraucht. Ich lege also – bis sich irgendwann die Sonne dem Horizont nähert – schonmal die ersten Kilometer des Rückwegs zurück, bevor ich irgendwo am Wegesrand mein Zelt aufbaue und meinen schmerzenden Füßen Ruhe gönne.
Donnerstag 26.09.2024 – Rückweg
Mit dem Sonnenaufgang baue ich mein Zelt wieder ab und stapfe die letzten Kilometer in Richtung Hauptstraße. Dort angekommen setze ich meinen Rucksack ab und warte. Um acht Uhr hält sich der Verkehr auf der quer durch die Wüste führenden Teerstraße allerdings noch in überschaubaren Grenzen. Mehr als eine Stunde vergeht, bis endlich ein Auto – nachdem es bereits an mir vorbeigefahren war – noch einmal umdreht und mich einsammelt. Zurück in Namibe freue ich mich dann erstmal auf das Frühstück, für welches ich in einem „Pastel de Nata“ verkaufenden Café einkehre. Am späten Vormittag laufe ich dann aus der Stadt heraus und stelle mich an die nach Lubango führende Straße. Der Lastwagenfahrer, mit dem ich hierhergekommen war, war über einen Umweg über eine andere Straße gefahren, und so zweifle ich, als die ersten Minuten jedes Auto in die andere Richtung abbiegt, ob das hier wirklich die Straße nach Lubango wäre. Einen Augenblick später kommt dann allerdings ein erstes Fahrzeug und hält direkt an. Die Wüste bekommt nach und nach wieder mehr Vegetation, die Landschaft wird bergiger. Irgendwann taucht vor uns dann die kurvenreiche „Serra da Leba“ auf – jetzt ist es nicht mehr weit. Fast genauso lange, wie für die 200 Kilometer von Namibe nach Lubango brauche ich, um aus dem Stadtzentrum zu meiner außerhalb gelegenen Unterkunft zu gelangen. Dort freut man sich, mich wiederzusehen, und richtet mir direkt mein Zimmer her. Kaum halte ich den Schlüssel in der Hand sitze ich mit aufgeklappten Laptop auf dem Doppelbett und bin wieder am Arbeiten. Um 21 Uhr klopft es an der Tür: „Sopa?“ – ich hatte Suppe bestellt. Eigentlich zwar zu um halb sieben, aber mit Zeiten scheint man es hier nicht so zu haben. Immerhin gibt es dafür nicht nur einen Teller, sondern einen ganzen Topf voll Suppe und darf ich darf mit vollem Margen ins Bett fallen.
Freitag 27.09.2024 – Abschiedsschmerz
Schon morgen müsste ich aus Angola ausreisen. Doch so sehr ich mich ursprünglich auf das nächste Land, Namibia, gefreut hatte, so wenig tue ich dies nun – ich hatte mich in Angola verliebt. Günstig, voller sehenswerter Orte, nicht touristenüberladen und im Verhältnis zu den vorherigen Ländern dennoch hochmodern und zivilisiert. Namibia reizt mich hingegen gerade so absolut gar nicht. Sämtliche Berichte von Raubüberfällen rund um die Grenze, sorgen dafür, dass ich mich unsicherer fühle als im bettelarmen Westafrika. Wildcampen wäre – auch wegen der Massen an Touristen – schwierig, einfache Campingplätze gibt es nicht mehr – der Mindeststandart liegt bei einem „Campground“ mit Pool, eigner Grill-Area, und sonstigem Luxusschnickschnack. Trotz aller meiner Bedenken mache ich mich gegen Mittag schon einmal auf den Weg Richtung Grenze – die liegt immerhin noch 400 Kilometer entfernt. Das Trampen geht – wie ich es in Angola gewöhnt bin – problemlos. Nach etwas über vier Stunden Fahrt und fünf verschiedenen Mitfahrtgelegenheiten lässt mich ein freundlicher namibischer LKW-Fahrer bei der katholischen Mission in Ondjiva raus. Dort könne ich die Nacht verbringen, bevor ich dann morgen die letzten 50 Kilometer zur Grenze zurücklege und in Namibia einreise.
Samstag 28.09.2024 – Welcome to Namibia
Im Morgengrauen baue ich mein hinter der Kirche stehendes Zelt ab und sitze wenige Minuten später in einem Auto das mich in den Grenzort bringt. Eigentlich hatte ich gehofft ein Auto zu finden, dass direkt weiter nach Namibia fährt, doch das gestaltet sich irgendwie als schwierig. Immerhin bekomme ich so die Chance an der Grenze meine letzten Kwanza in Namibia-Dollar wechseln. Eine Stunde laufe ich von Geldwechsler zu Geldwechsler, in der Hoffnung einen akzeptablen Kurs zu bekommen. Bekommt man den irgendwo, dann wird man aber meist auf andere Weise abgezogen. Anstelle des vereinbarten Betrags gibt einem der Wechsler einen Schein zu wenig. Gibt man ihm das Geld dann zurück, zählt er nach legt oben den fehlenden Schein dazu und zieht gleichzeitig unten aus dem Bündel – in der Hoffnung man würde nicht noch einmal nachzählen – doppelt so viele Scheine raus. Stellt man fest, dass ich von dem Trick weiß, so nimmt man den guten Wechselkurs wieder zurück und kann mir nur noch einen wesentlich schlechteren bieten. Am Ende wechsle ich – zum Besten Kurs den ich finden konnte – und mache satte 18% Verlust. Aber es hilft nichts – angolanische Kwanza sind einfach nichts wert. Als ich meine Euro in Kwanza gewechselt hatte, hatte ich immerhin auch Gewinn gemacht. Der weitere Grenzübergang verläuft ohne Probleme. Kaum habe ich das „Welcome to Namibia“-Schild passiert klettere ich in einen ebenfalls gerade von der Grenze kommenden LKW. Der schmächtige weiße Fahrer mit Rauschebart würde mich die ersten 50 Kilometer mitnehmen, damit ich von der „gefährlichen“ Grenze wegkomme. Allerdings biegen wir nach wenigen Kilometern schon ab und fahren in einen Lagehallenkomplex. Hier habe er einen Kontakt, bei dem er angolanisches Diesel tanken könne, erklärt mir Jack auf dem Fahrersitz. Mit 10 Dollar (0,52€) pro Liter ist der von Angola über die Grenze geschmuggelte Diesel, wesentlich günstiger als die normalen namibischen Dieselpreise. Allerdings kostet das ganze Zeit: Drei Stunden dauert das „Tanken“, denn der Diesel muss direkt aus Angola geholt werden. Ihn vorab in der Lagerhalle zu lagern, bürge die Gefahr einer Razzia. Gegen eins geht es dann endlich von der Grenze weg. Nachdem ich einige Minuten das freie Internet der Shoppingmall, an der Jack mich rausgelassen hat, ausgenutzt habe, trampe ich weiter nach Oshakati. Jack hatte mich vor der Stadt gewarnt – dort sei die Kriminalität noch höher, als an der Grenze selbst – doch die außerhalb Oshakatis gelegene katholische Mission, ist meine einzige Option auf einen sicheren Schlafplatz – zumindest solange ich mich weigere 150 Dollar (7,82€) für einen Zeltplatz zu bezahlen.
Sonntag 29.09.2024 – No connection
Erst gegen Sieben – in Namibia ist es nämlich eine Stunde später als in Angola – erhellt die Sonne das Innere meines auf dem Innenhof des Missionsgeländes stehenden Zeltes. Wie in jedem Land ist „Top 1“ auf meiner innerlichen ToDo-Liste das besorgen einer lokalen SIM-Karte – ohne Internet geht nichts. Zu Fuß mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Während die Straßen in Angola noch klapprigen Sammelbussen und knatternden Mototaxi geflutet wurden, fehlen diese kostengünstigen Transportoptionen in Namibia. Die einzigen öffentlichen Nahverkehrstransportmittel sind Taxen – bei denen hat man allerdings, wie schon in Mauretanien, die farbliche Markierung vergessen – alles kann potentiell ein Taxi sein, mal ganz abgesehen davon, dass das Verhältnis zwischen mir und Taxifahrern noch nie das Beste war. Zu Fuß komme ich also in die Innenstadt, die eher wie deutscher Autohof wirkt – ähnlich wie in amerikanischen Städten, scheint hier alles auf dicke Geländewagen und nichts auf Fußgänger ausgelegt zu sein. Da Sonntag ist hat der Shop, des Mobilfunkanbieters MTC natürlich zu. Leider funktionieren aber auch die freien WLANs von „KFC“ und „Hungry Lions“ – der lokalen Fast-Food-Kette – nicht, sodass mein Weg in die Stadt vollkommen umsonst war. Auf meinem Rückweg probiere ich mein Glück noch einmal in einer Tankstelle und bekomme, nachdem ich mein Dilemma erklärt habe, das Passwort des Mitarbeiter-WLANs. Bis mein Akku aufgibt sitze ich also eine kalte Cola trinkend in der Tankstelle und nutze das überraschend schnelle Internet. In der Küche der katholischen Mission treffe ich auf Schwester Theresa. Die liebevolle Nonne zeigt mir nicht nur eine Steckdose, an der ich meine Geräte laden könne, sondern macht mir auch gleich noch eine Portion des Mittagsessens warm. Am Nachmittag wandere ich ein zweites Mal zur Tankstelle, um mit meinen Eltern zu telefonieren und meine Route für die nächsten Tage zu planen. Am Abend lädt kommt Schwester Theresa mit einem weißen Mädchen zu meinem Zelt. Nele, die deutsche Freiwilligendienstlerin, macht in dem Kindergarten der Mission ein Auslandsjahr und lädt mich zu dem am Abend stattfindenden Grillabend ein. Das lass ich mir nicht zweimal sagen – „Braai“ (gegrilltes Fleisch) ist schließlich das namibische Nationalgericht.
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