Montag 13.11.2023 – Zwischen Bett und Sofa
Nachdem ich ausgeschlafen und gefrühstückt hatte, ging ich eine Runde mit Willi, dem Hund der Familie. Das Wetter lud nicht wirklich dazu ein etwas anderes zu tun, als sich in seinem Bett zu verkriechen. Perfekt, um die Zeit zu nutzen und weiter an meinem Französisch zu arbeiten. Innerhalb des Tages schloss ich gleich acht Einheiten ab – mehr als ein Drittel des von Babbel generierten Wochenziels. Die Berichte für die letzte Woche mussten geschrieben und meine Bilder gesichert werden – genug Ideen hatte ich, um verhindern, dass mir langweilig werden würde. Am Nachmittag gab ich dann noch zwei Nachhilfestunden bevor sich der Tag schon langsam dem Ende neigte.
Dienstag 14.11.2023 – Hochgeklappte Bürgersteige
Damit ich den heutigen Tag nicht wieder zwischen Bett und Sofa verbringen müsste, bat Ilka mir an mich mit nach Brantôme zu nehmen – Eine kleine, aber wohl sehr schöne, 3600 Einwohner Stadt keine zehn Minuten entfernt. Regionstypische Häuser reihen sich in kleinen Gassen aneinander. Um den Stadtkern herum läuft ein Fluss, der die Kleinstadt mehr oder weniger zur Insel macht. Ich lasse mir sagen, dass im Sommer hier das Leben tobt. Touristen liefen durch die Stadt, welche dann voll mit Cafés, Restaurants und kleinen Läden sei. Die Realität sieht anders aus: Der leichtete aber permanente Nieselregen hatte inzwischen zugenommen, die Bürgersteige waren wie hochgeklappt – Ich begegnete auf meinem einstündigen Weg durch die Straßen Brantômes nur einer Handvoll Menschen. Der kleine nun ebenfalls menschenleere Kanuverleih, an dem Ilka mich wieder einsammelte, sei in der Saison die Attraktion schlechthin, erzählt sie mir. Wieder zuhause kümmere ich mich um meine Wäsche und nutze die Zeit um meine Fragen an den Autor des Afrika-Buchs in einer Mail zu formulieren. Den Abend verbringe ich damit, öffentliche Verkehrsmittel zu suchen, die mich zu den bekannten Höhlenmalereien von Lascaux bringen könnten. Ich wurde tatsächlich fündig und so ging es dann zügig ins Bett – morgen könne ich nicht ausschlafen.
Mittwoch 15.11.2023 – Zeichen der Vergangenheit
Gegen halb Neun ließ Ilka mich in Périgueux am Bahnhof raus. Von hier sollte ein Linienbus – Linie 7 – direkt zum Besucherzentrum in Lascaux fahren. Zu meiner Enttäuschung fand sich an den fünf Bushaltestellen jedoch nirgendswo ein Hinweis auf eine Linie 7. Im Internet hatte ich auf einigen Seiten gelesen – und auch Ilka hatte mir das heute morgen gesagt – dass der Bus nur vom „Place du 8 Mai 1945“ fahren solle. Meine Internetrecherche sagte jedoch etwas anderes. Da ich aber noch Zeit hatte, lief ich dann doch – sicherheitshalber – zum Place du 8 Mai. Fünf Minuten bevor die ominöse Linie 7 kommen sollte kam dann ein Bus der zwar „Lascaux IV“ als Ziel anzeigte jedoch mit der Nummer 330 beschriftet war. Ich stieg dennoch ein und etwas über eine Stunde später zufrieden vor dem Besucherzentrum in Lascaux wieder aus. Der Bus war genau die bei mir als Linie 7 angezeigte Route gefahren – nur scheinbar hieß die Linie nun anders. Am Schalter erklärte man mir, dass ich ein Ticket für eine französische Führung gebucht hatte – Die englische Führung wäre so viel später, dass ich den Bus zurück nicht mehr bekäme. Dem französischen Guide folgend – aber mit einem deutschen Audioguide ausgestattet – ging es dann also in eine Nachbildung der Original-Höhle. Nach einer Stunde in der Höhle ging es dann weiter in ein Museum, in dem einzelne Zeichnungen, die in der Höhle nicht sichtbar waren mittels UV-Licht sichtbar gemacht wurden. Spannend, vor allem weil der französische Guide, der jeden der Stiere aufs Neue erklärte nun endlich verschwunden war. Mit dem Bus – Linie 330, nicht 7 – ging es zurück nach Périgueux, wo mich Ilka einsammelte und wieder mit nach Hause nahm. Der Bus fuhr tatsächlich bis zum Bahnhof und nicht nur bis zum Place du 8. Mai – war ich wohl heute morgen umsonst gelaufen. Zuhause waren Elina, die zweite Tochter in der Familie, und ihr Freund zu Besuch. Gemeinsam machten wir zum Abendessen Burger – typisch französisches Essen blieb hier aus. Schon recht früh verschwand ich dann – fertig vom Tag – in meinem Bett.
Donnerstag 16.11.2023 – Wie du aufhörst deine Zeit zu verschwenden
Das Wetter war gut. Ich ging also nach dem Frühstück eine Runde mit dem Hund durch den herbstlich gefärbten Wald. Wirklich etwas zu tun, hatte ich nicht, also fiel ich wenig später wieder in mein Bett und klappte meinen Laptop auf – Ich hatte noch eine offenen Auftrag von der Webagentur. Eine Stunde probierte ich mit einem neuen Theme rum und freute mich, als das Ergebnis irgendwann so aussah wie gewollt. Inzwischen hatte auch der Afrika Autor meine Mail beantwortet und mir angeboten mit ihm zu telefonieren – am Wochenende hätte er Zeit. Mein Browsertab wechselte von WordPress auf YouTube. Von Anfangs noch sinnvollen Videos, wurden die Videos mit der Zeit immer weniger relevant und liefen irgendwann nur noch – Eines nach dem Anderen – an mir vorbei. Ich klickte auf meine „Später ansehen“-Playlist: „Wie du aufhörst deine Zeit zu verschwenden“ „This Video Will Save You 9+ Years Of Your Life in 6 Minutes“ – Vor einigen Wochen hatte ich mich wieder einmal damit beschäftigt meinen Social Media Konsum auf ein Minimum zu reduzieren. In meinem Handy hatte ich Zeitlimits festgelegt: Instagram – 45min täglich, Snapchat – 30min täglich, Youtube – 60min täglich. Das klappte tatsächlich ganz gut. Oft erreichte ich die Limits gar nicht und wenn doch, schloss ich die App und wechselte zu sinnvolleren Dingen – Französischlernen zum Beispiel. Doch heute? Da ich gerade an meinem Laptop war, zählten die inzwischen bestimmt mehreren Stunden YouTube nicht in das Limit. Ich war mir vollkommen bewusst, dass ich gerade unnötige Videos guckte und meine Zeit verschwendete, doch ich hatte in dem Moment keinen Drang auch nur irgendetwas daran zu ändern. „Wenn du es genießt Zeit zu verschwenden, ist es dann immer noch verschwendete Zeit?“ Diese Frage hatte ich vor einigen Wochen irgendwo gelesen und zerbrach sie nun in meinem Kopf. Eine überzeugende Antwort fand ich nicht. Am Abend hatte ich noch eine Nachhilfestunde – endlich mal etwas Sinnvolles.
Freitag 17.11.2023 – Beschäftigt mit Langeweile
Heute hatte Pilou – Ilkas Mann – mir eine sinnstiftende Tätigkeit aufgetragen – Das Bett ihres Campers müsste auseinandergebaut werden, da er dies umkonstruieren wollte. Mit einem Akkuschrauber bewaffnet machte ich mich gleich nach dem Frühstück in der Scheune an die Arbeit. Vielleicht hätte ich den Akkuschrauber weglassen sollen, dann hätte es länger gedauert. Gemeinsam mit Ilka und Mona setzte ich mich danach in die Küche und schnibbelte Gemüse – Ofengemüse mit Hähnchen stand heute auf dem Speiseplan. Inzwischen war es Zeit sich die Frage zu stellen, wann ich denn weiter wollte. Nach einigen Überlegungen plante ich am Sonntag nach Lyon aufzubrechen und begann ein paar Couchsurfing Hosts anzuschreiben. Da das Wetter dazu einlud drehte ich im Schein der langsam am Horizont sinkenden Sonne noch eine Runde mit Willi, bevor ich mich dann schon wieder in meinem Bett verkroch und – obwohl irgendwas tief in mir „Nein“ schrie – YouTube öffnete.
Samstag 18.11.2023 – Achtung, Baum fällt!
Gegen Acht fuhr ich nach einem warmen Kakao gemeinsam mit Pilou zu seiner Mutter. In ihrem Garten stand ein toter Baum der nun das Zeitliche segnen sollte. Als ich den Baum im Garten stehen sah, verstand ich warum Pilou die langen Schwerter auf den Sägen hatte, die mir beim Einladen noch recht überdimensioniert vorgekommen waren – Knapp 80 Centimeter im Durchmesser hatte das gute Stück. Nach einigen Vorbereitungen, dauerte es dennoch nicht lange bis der Riese im Garten lag – jetzt kam der schwierige Part: Ordnung schaffen. Man drückte mir eine Kettensäge in die Hand und statte mich auf Nachfrage auch mit einer Schnittschutzhose aus. Weiterhin in Sneakern – machte ich mich dann vorsichtig ans Werk. Zum Mittag gab es Hähnchen mit Kartoffeln und Gemüse um uns für die bevorstehende Arbeit zu stärken. Die nächsten Stunden kamen wir gut voran, der Großteil der Baumkrone war inzwischen in handliche Stücke verarbeitet – Irgendwann ging dann meiner Kettensäge die Puste aus. Nach einigen Wiederbelebungsversuchen wechselte ich auf eine kleinere Säge. Bis in den späten Nachmittag waren wir noch damit beschäftigt den Baum soweit zu zerkleinern, dass wir einen zumindest provisorischen Weg in die durch den Baum abgeschnittenen Teile des Gartens schaffen konnten. Ein Blick auf mein Handy verriet mir das ich den ausgemachten Telefontermin mit dem Afrika-Autor versäumt hatte – Mist! Als wir endlich mit den Arbeiten fertig waren, drückte mir Pilous Mutter noch 100€ in die Hand – für deine Reise. Im Sonnenuntergang kamen wir wieder zuhause an. Eigentlich hatte ich morgen weiterfahren wollen, doch noch immer hatte ich keine Zusage von einem Couchsurfing Host bekommen. Auch meine Sachen waren noch nicht gepackt und wirklich motiviert aufzubrechen war ich auch nicht. Ich beschloss also meine Weiterreise noch einige Tage hinauszuzögern.
Sonntag 19.11.2023 – Zwei Routen, ein Dilemma
Der Sonntag begann – wie schon der letzte – mit einem ausgiebigen Sonntagsfrühstück und einem darauf folgenden Spaziergang – diesmal allerdings im Nieselregen. Am Nachmittag holte ich dann das nach, was ich gestern verpasst hatte – das Telefonat mit dem Autor des Afrika-Buchs. Eine Stunde lang beantwortete Thomas mir alle Fragen, die ich zu seinem Buch und der damit verbundenen Reise hatte. Auch wenn noch immer ein paar Fragezeichen in meinem Kopf umherschwirrten, hatte mir das Telefonat Mut gemacht. Was Thomas mir vermittelte war vor allem Ruhe. Die meisten Ziele ergäben sich auf dem Weg selbst, die meisten Unterkünfte seien – nicht wie in Europa – auf keiner Online-Plattform zu finden. Es gibt Dinge die man nicht planen muss, weil man sie nicht planen kann. Wenig später gab es dann den wöchentlichen Familien-FaceTime-Call: Mein Vater war aus seinem Ägypten-Urlaub zurück, meine kleine Schwester dafür nun in Nordmazedonien. Ich wusste inzwischen, dass ich Dienstag weiterziehen würde – was ich noch nicht wusste war allerdings wohin. In mir hatten sich Zweifel gesät, ob der Weg über Lyon und Marseille der Richtige war. Gleichzeitig sagte mir die direktere Alternativroute über Toulouse auch nicht wirklich zu. Dann kamen wir auf die Afrika-Thematik zu sprechen. Seit Monaten stellte diese einen Konfliktpunkt zwischen mir und meinen Eltern dar. Während mich irgendetwas auf den schwarzen Kontinent zog, versuchten meine Eltern alles in ihrer Macht stehende, um mich von einer Afrika-Durchquerung abzubringen. Zugegebener Maßen: Die Vorstellung schon im Januar in der warmen Karibik unter Palmen sitzen zu können und gegebenenfalls irgendwo als Tauchguide zu arbeiten, klang objektiv gesehen verlockender als die, sich auf mühsamste Weise ein dreiviertel Jahr lang durch einen für Krieg, Armut, Hunger und fehlende staatliche Strukturen bekannten Kontinent zu quälen. Doch aus irgendeinem Grund fühlte sich letzteres subjektiv richtig an. Bei der Vorstellung mich schon zum Jahreswechsel auf den Weg über den Atlantik zu machen und Afrika einfach zu umgehen, blutete mein Herz – Keine Ahnung warum, aber das war es, was ich fühlte. Warum sonst hatte ich ganze Bücher über Afrika gelesen, Exceltabellen mit den verschiedenen Reisewarnungen erstellt, unzählige Gespräche geführt und begonnen Französisch an Stelle von Spanisch zu lernen. Immer schwerer viel es mir das so simpel zu beschreiben, wie es war. Immer mehr verkrafte ich mich in einer Verteidigungsposition, um irgendetwas gegen die strikte Ablehnung meiner Pläne vorhalten zu können. Doch abgesehen von einer zerstrittenen Stimmung jedes Mal, wenn das Thema aufkam, kamen wir nicht wirklich weiter. Themenwechsel: Bevor ich schon um kurz nach neun ins Bett ging schrieb ich noch ein paar Couchsurfing Hosts in verschiedenen Städten an – dort wo ich eine Zusage bekäme würde ich hinfahren.
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