Montag 26.08.2024 – Mundelé
Endlich wieder gutes WLAN! Den Morgen verbringe ich damit die hunderten Bilder, die ich während der Zugfahrt gemacht habe zu sichern und gebe etwas später am Strand sitzend eine Nachhilfestunde. Gegen Mittag suche ich mir eine Straßenkantine: 1000 Franc (1,52€) soll ich für eine Portion Maniok mit spinatähnlichen Gemüse zahlen. Als ich mich daraufhin wegdrehe halbiert sich der Preis schlagartig – 500 Franc (0,76€). Während ich im restlichen Kongo das Gefühl hatte die offiziellen Preise zu zahlen, scheint es in Point-Noire das man dem „Mundelé“ – so werden Weiße in Lingala, der lokalen Sprache hier, genannt – einem wesentlich höheren Preis nennt. Schon gestern hatte ich 1000 Franc für eine Portion Reis mit Bohnen gezahlt und dann rausgehört, dass alle anderen Kunden nur 300 Franc (0,46€) für teils größere Portionen zahlen. Ob die 500 Franc heute nun der echte Preis sind oder das Gericht eigentlich noch günstiger ist, werde ich wohl nie erfahren. Nach dem Essen laufe ich in die Innenstadt und schaue mir den – zugegebenermaßen nicht all zu spektakulären – Markt von Point Noire an. Im Gegensatz zu meinen gestiegen Ausflug wird die Innenstadt heute aber nicht so ausgestorben. Überall findet man Menschen, Taxis hupen sich ihren weg durch das Verkehrschaos. Am späten Nachmittag ist es dann Zeit für die erste private Nachhilfestunde mit meiner Schweizer Schülerin. Wir versuchen es mit verschiedenen Videokonferenzplattformen und Links, doch irgendwie bekommt der Vater der Schülerin keinen davon geöffnet. Nach einer halben Stunde rumprobieren, verschieben wir den Start dann auf nächste Woche.
Dienstag 27.08.2024 – Umtausch
Wellen rollen ans Ufer, ein leichter Wind weht mir um die Ohren. Ich sitze mit meinem Laptop am Strand und schreibe an meinem Blog. Als mein Kopf eine Pause vom Schreiben braucht, widme ich mich meiner Sprachlernapp. Seitdem ich festgestellt habe, dass die Republik Kongo das letzte französischsprachige Land ist, durch das ich reise, hat mich noch einmal die Motivation gepackt, die verbleibenden Einheiten des A2-Sprachnieveaus abzuarbeiten, bevor ich die App dann auf Spanisch umstellen würde. Inzwischen habe ich auch auf die Mails, die ich letzte Woche an die Hersteller meiner defekten Ausrüstungsgegenstände geschickt hatte, Antwort erhalten. Der Hersteller meiner Isomatte hat deren Kaufpreis problemlos erstattet, sodass ich eine davon eine neue Luftmatratze kaufen kann. Bei dem Support der Firma meiner Powerbank meldete sich nur eine KI zurück. Benutzt man die richtigen Schlüsselwörter, so beauftragt diese ohne weitere Nachfragen den Versand eines Ersatzprodukts. Nur beim Hersteller meines Rucksacks gibt es nichts umsonst – aber auch hier versorgt man mich mit online eigentlich nicht erhältlichen Ersatzteilen, mit denen ich das Tragesystem reparieren könnte. Nur noch von Deutschland zu mir müssten all diese Dinge irgendwie kommen! Irgendwann ist der Laptop leer, ich wechsle also vom Tisch zu einer der liegen und widme mich einem Buch. Manchmal ist nichts tun auch ganz schön!
Mittwoch 28.08.2024 – Zum Kotzen
Ewig lang erstreckt sich der Sandstrand, den ich am heutigen Morgen einige Kilometer entlangspaziere. Danach lasse ich mich, wie gestern schon an einem der Tische am Strand nieder und klappe meinen Laptop auf. Am Nachmittag beginnt es in meinem Magen irgendwie zu brodeln, mir ist kalt. Anstatt am Abend noch etwas essen zu gehen, verkrieche ich mich schon um fünf in meinem Zelt und kuschle mich in meinem Schlafsack. Anders als in Europa gibt es hier keine Regelungen, die vorschreiben wieviel Grad das Spülwasser haben muss oder wie lange etwas maximal ungekühlt gelagert werden darf. Und selbst wenn es sie gibt – für die Straßenkantinen gelten sie wohl kaum. In solchen Essen zu gehen ist daher immer mit einem Risiko verbunden – das Essen könnte nicht richtig gekocht sein, Lebensmittel schlecht und das Geschirr dreckig. Selbst das Auswärtige Amt warnt vor daher vor den Straßenkantinen. Allerdings ist das Problem entweder nicht so groß, wie alle behaupten, oder ich habe bisher sehr viel Glück gehabt, denn in sechs Monaten, seit denen ich regelmäßige bei den lokalen Küchen esse, habe ich bisher nicht einmal Probleme gehabt. Und auch diesmal habe ich gar nicht die Straßenkantine im Verdacht sondern vielmehr einen Jogurt, den ich mir heute Morgen am Stand einer Marktfrau gekauft hatte. Naja, so oder so. Den restlichen Abend und die Nacht laufe ich stündlich in Richtung WC und hänge dort über den Toilettenschüssel. Details spar ich mir hier.
Donnerstag 29.09.2024 – Da kommen wir nicht durch, da müssen wir drum herum
Neben meinem Zelt steht am Morgen ein Zweites: Courtney, eine junge Kanadierin, ist gemeinsam mit ihrem englischen Freund, der die Nacht im Hotel verbracht hat, ebenfalls per Anhalter auf dem Weg in Richtung Südafrika. Die Beiden machen sich allerdings direkt auf den weiteren Weg – ich habe heute noch zwei Nachhilfestunden zu geben und ziehe daher erst morgen weiter. Wenn man von der Republik Kongo weiter in den Süden möchte, dann liegt einem die Demokratische Republik Kongo – auch wenn sie an der Küste gerade einmal 37 Kilometer breit ist – unvermeidbar im Weg. Im Gegensatz zu Ward, dem Belgier aus Brazzaville, könnte ich verhältnismäßig unkompliziert ein Transitvisum bekommen. Allerdings habe ich wenig Lust 110€ für ein Visum zu bezahlen und eine Woche warten zu müssen, nur um knappe 40 Kilometer durch ein Land fahren zu können – vor allem, wenn für dieses Land eine Reisewarnung gilt und es gerade mit Mpox-Infektionen und einem Krieg Schlagzeilen macht. Glücklicherweise gibt es eine Alternative: Von der an die Republik Kongo grenzenden angolanischen Exklave Cabinda aus fahren Fähren die Küste entlang bis ins eigentliche Angola – ganz ohne Visastress und für relativ günstige fünfzehn Euro. Das wäre also mein Plan für Morgen. Viel tue ich den restlichen Tag über nicht: Ich gebe die geplanten Nachhilfestunden und arbeite etwas an einer Website, damit sich der steile Aufwärtstrend in meiner Kasse weiter so fortsetzt und genieße es abgesehen davon einfach nichts zu tun und am Strand liegen. Aufgrund meiner gestern entstandenen Skepsis gegenüber den Straßenkantinen, gehe ich heute lieber noch einmal in das Restaurant neben dem ich zelte und gönne mir „vernünftiges“ Essen.
Freitag 30.08.2024 – Sackgasse
Noch ein paar Minuten das Handy laden, während ich meine Zelt abbaue, dann mach ich mich auf den Weg. An der aus Point-Noire herausführenden Hauptstraße angekommen packe ich mein „Cabinda“-Schild aus. Ein Schild hatte ich zum Trampen das letzte Mal in Europa Mauretanien benutzt – eigentlich reicht immer der Daumen – doch an meinem heutigen Spot, könnte das Schild ganz nützlich sein. Ich soll mit meiner Vermutung recht behalten: Während die Taxis mich mit dem Schild ignorieren, hält bereits nach fünf Minuten ein Pick-Up und bringt mich zur Grenze. Mit dem Kongo verlasse ich den frankophonen Teil Afrikas – die französische Sprache bräuchte ich frühstens im südamerikanischen Französisch-Guyana wieder. Mit der Sprache ändert sich auch die Währung: Der in den meisten ehemals französischen Kolonien verwendete CFA-Franc, hatte mich seit dem Senegal begleitet – inzwischen dachte mein Preisgedächtnis in dieser Währung und nicht mehr in Euro. Nachdem ich von meinen verbleibendem CFA-Kleingeld etwas Plantain gekauft habe, geht es über die Grenze. Ich habe gerade alle Stempel im Pass, da zitiert mich ein anzugtragender Herr in sein Büro. „You’re clean.“ – Erst als er mir den Ausdruck seines Computers in die Hand drückt, versteh ich, um was es geht: Interpol – Man will sichergehen, dass ich nicht zufällig ein international gesuchter Verbrecher sei. Auf der anderen Seite der Grenze beginne ich den Sprachwechsel erst richtig zu realisieren: Während ich mit der französischen Sprache inzwischen recht problemlos kommunizieren konnte, mangelt es mir nun an den einfachsten Vokabeln. Verzweifelt suche ich nach Menschen, die Französisch sprechen und Übersetzen können – das es mal soweit kommt hätte ich vor einem Jahr auch noch nicht geglaubt. Schnell schlagen sich die Taxifahrer um mich. Als ich einem französisch sprechenden Fahrer dann erkläre was mein Plan ist – kein Geld und so – bietet er mir an mich zumindest einen Teil der 100 Kilometer die es bis nach Cabinda noch sind, mitzunehmen. Eineinhalb Stunden Fahrt später fragt er mich noch einmal nach meinem Ziel. „Cabinda“ „Wir sind in Cabinda, wo willst du hin?“ – man fährt mich bis vor die Tür des Fährterminals. Wow! In dem hochmodernen Terminal herrscht stehen lange Schlagen. Am Schalter erklärt man mir, dass es heute keine Fähre mehr gäbe. Die nächste Fähre fahre morgen, sei allerdings schon ausgebucht – genauso wie die, für die nächsten fünf Tage. Am Donnerstag hätte man wieder freie Plätze. Ausgebucht?! Was war das doch schön, als man die Boote noch einfach ohne Rücksicht auf Verluste überladen hat ^^. Bis Donnerstag warten ist für mich keine Option: Mein Angola Visum gilt nur 30 Tage und ich würde ungerne das erste Viertel dieser Zeit in einer kleinen Exklave des Landes festsitzen. Man vertröstet mich auf morgen – wenn ich ganz früh käme, könnte man vielleicht irgendetwas machen. Niedergeschlagen laufe ich durch die Straßen und mache mich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Ein bewachtes Firmengebäude, dass über eine kleine Außenanlage mit Pavillon verfügt sticht mir ins Auge. Ein vor der Tür stehender Mitarbeiter holt den Chef. Der, ein unglaublich netter Portugiese mittleren Alters, gratuliert mir, nachdem er sich meine Geschichte angehört hat, zu meinem bisherigen Streckenfortschrift und erlaubt mir sofort dort zu nächtigen.
Samstag 31.08.2024 – Geduldsprobe
Noch im Dunkeln laufe ich die Straße in Richtung Terminal entlang. Bei dem Begriff „früh“ waren gestern Zeiten von 06.00 Uhr bis 08.00 Uhr gefallen – je nachdem, wen man gefragt hat. Um sechs Uhr ist es definitiv aber noch zu früh, das Tor des Terminals noch verschlossen. Eine Stunde später öffnet sich dann das Tor, hunderte Menschen strömen ins in das nun hektische Terminal, der Check-In beginnt. Ich muss allerdings nicht zum Check-In, sondern zum Ticketschalter und der öffnet – wie ich nun erfahre – erst um Acht. Während ich also weiter warte gesellen sich zwei weitere Reisende zu mir: Courtney, die ich am Donnerstag bereits in Point-Noire getroffen hatte, und ihr Freund Timo – sie stehen vor dem selben Problem. Als der Schalter um acht aufmacht, bittet man uns weiter zu warten, und so sitzen wir im Eingangsbereich des Terminals und warten. Eine Stunde nach der anderen vergeht. Immerhin bin ich in guter Gesellschaft und kann mich mit Courtney und Timo über die bisherigen Erlebnisse austauschen. Inzwischen ist es nach 11.00 Uhr, wir warten seit fünf Stunden, der Check-In für heute ablegende Fähre ist bereits geschlossen, das Terminal wird wieder leerer. Unsere Hoffnung ist schon fast erloschen, als sich um halb zwölf dann plötzlich etwas tut: Einer von darf in das Büro. Eine weitere halbe Stunde vergeht, dann öffnet sich die Tür auf der „Somente Pessoas Autorizadas“ prangt und Timo wedelt Courtney und mir mit drei Tickets entgegen. Die Tickets seien offiziell zwar für erst für morgen, wir könnten aber schon heute mit ihnen auf die Fähre. Tatsächlich scheint niemanden das falsche Datum auf unseren Tickets zu stören und wir betreten als letzte Passagiere um kurz vor zwei den modernen Katamaran. Erleichterung! Drei Stunden dauert die Überfahrt, dann kommt in unser Boot in Soyo, der ersten Stadt hinter der Grenze zu DR Kongo an. Hier trennen sich unsere Wege wieder: Courtney und Timo wären von einem Hotel eingeladen worden, dort zwei Nächte zu verbringen, ich hingegen wolle mich so zügig wie möglich auf den Weg nach Luanda, in die Hauptstadt Angolas, machen. Da die Sonne bereits kurz davor ist unterzugehen, verbringe aber auch ich noch eine Nacht in Soyo. Nachdem ich in einer lokalen Kantine für günstige 700 Kwanza (0,70€) zu Abend gegessen habe, frage ich mangels eines geeigneten Zeltplatzes einfach am nächstbesten Haus. Der Besitzer spricht ausschließlich portugiesisch, aber über Zeichensprache kann ich mein Anliegen deutlich machen und darf mein Zelt dann auf der Veranda des Hauses aufschlagen.
Sonntag 01.09.2024 – Warum nicht immer so?
Kurzentschlossen beschließe ich, als ich um kurz nach fünf aufwache, einfach schon loszuziehen. Meine Schlafgewohnheiten hatten sich in den letzten Monat vollständig der Sonne angepasst: Meist geh ich bereits gegen 20.00 Uhr ins Bett und bin dafür dann, wenn die Sonne am nächsten Morgen um sechs aufgeht vollkommen ausgeschlafen. Im Dunkeln verabschiede ich mich von meinem nächtlichen Gastgeber und stapfe dann die Straße entlang weiter aus der Stadt heraus. Mit der Morgendämmerung hält dann endlich ein Auto an und ich bekomme meinen ersten Lift – ein Pick-Up nimmt mich mit aus der Stadt heraus und bringt mich zu einem großen Parkplatz auf dem hunderte LKWs stehen. Optimal! Mit dem Trampen klappt es dennoch nicht so gut – die einzigen Fahrzeuge, die anhalten, sind Sammeltaxis und verlangen 5000 Kwanza (4,94€) für die Strecke. Als ich einem weiteren angehaltenen Fahrzeug von meinen Plänen erzähle, bietet macht mir der Fahrer mittleren Alters ein Angebot: Sein Sohn sei Sammeltaxifahrer, er würde mich kostenlos in dem Auto seines Sohnes unterbringen. Zehn Minuten Später sitze ich also in dem als Sammeltaxi dienenden SUV, der sich schon nach kurzer Wartezeit auf den Weg Richtung Luanda macht. Die Straße ist ein Traum: Breit, perfekt geteert und menschenleer. Wir kommen so schnell voran, dass wir selbst die Kalkulation meiner Navigationsapp übertreffen. Schon um kurz nach zwölf lässt mich das Sammeltaxi noch zehn Kilometer von meinem Ziel entfernt in einem Außenbezirk der Hauptstadt raus. Luanda zählt zu den modernsten Metropolen auf dem afrikanischen Kontinent. Gläserne Hochhäuser zieren die Innenstadt, entlang des Wassers führt eine palmengesäumte Boulevard-Straße vor der Skyline entlang. Gerade aus dem tiefsten Afrika kommend wird die eher an Dubai oder Miami erinnernde Szenerie irgendwie surreal. Ein Taxi bringt mich die letzten Kilometer zu meinem Ziel, dem Yachtclub der Hauptstadt. Dieser hat – extra für durch Afrika reisende Touristen – zwei dedizierte Parkplätze eine kleine Rasenfläche auf seinem Gelände angelegt. Komplett kostenfrei darf ich hier – mit einer der wahrscheinlich besten Aussichten, die man bekommen kann – mein Zelt aufschlagen. Obendrauf gibt es warme Duschen, Steckdosen und WLAN. Ein Traum! Als mich am Abend auf die funkelnde Skyline blickend in meinem Zelt lege, überlege ich schon wie viele extratage mein hier noch zulässt.
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