Mittwoch: 02.08.2023 – Es geht los …
Riiiinnngg! Mein Wecker klingelte. Es war drei Uhr. Ich stand auf ging unter die Dusche und zog meine bereits rausgelegten Klamotten an. Dann kam ich die Treppe runter. Meine Mutter und mein Vater hatten bereits den Frühstückstisch gedeckt. „Das wird erstmal das letzte Frühstück dieser Art sein“ dachte ich mir. Und so aß ich mit besonderem Genuss. Die meisten Brötchen landeten jedoch nicht in meinem Magen sondern in meinem Rucksack – Fahrtproviant. Den Rucksack hatte ich bereits am Vortag vollständig gepackt – gute 21 Kilo wog er nun. Um vier Uhr verabschiedete ich mich dann von meiner Mutter und stieg zusammen mit meinem Vater ins Auto. Mein erstes Ziel sollten die Dolomiten sein. Innerhalb von 10 Tagen wollte ich auf dem berühmten Höhenwanderweg „Alta Via 1“ das italienische Gebirge durchqueren. Wir fuhren nach Hamburg, denn im Gegensatz zu Rendsburg kann man von Hamburg aus den kleinen Ort „Niederdorf“ in der Nähe des Pragser Wildsees innerhalb eines Tages erreichen – das war Voraussetzung um das Interrail-Ticket sinnvoll nutzen zu können. Kurz vor sechs verabschiedete ich dann meinen Vater und stieg in dem ICE Richtung München. Die ersten Stunden der Fahrt verbrachte ich damit meinen GPS-Tracker zum laufen zu bringen. Dieser war erst am Tag davor angekommen und daher noch nicht eingerichtet. Mit gut 20 Minuten Verspätung erreichte ich dann sechs Stunden später München und rannte zu meinem nächsten Zug, einem Eurocity in Richtung Zagreb, der glücklicherweise wartete. Doch auch hier lief nicht alles nach Plan. Ein Abteil war gestrichen worden und so war der gesamte Zug überfüllt. Die ersten zwei Stunden verbrachte ich also auf dem Gang und lernte dabei eine freundliche Jungsgruppe kennen, die auf dem Weg nach Split war. Ständig quetschten sich Leute den Gang entlang, der nur wenig breiter als mein Rucksack war. Für die letzten zwei Stunden konnte ich mir dann glücklicherweise einen Sitzplatz im „Damenabteil“ ergattern. In Spital am Millstättersee ging ich kurz einkaufen um meine Vorräte um etwas Nudeln, Reis & Ketchup zu ergänzen. Dabei erregt ich mit meinem Riesen-Rucksack einiges an Aufmerksamkeit. Eine Frau fragte mich aus, was ich vorhabe, und sprach mir Gottes Schutz und Segen für meine Reise zu. Zwei Regionalzüge später kam ich dann gegen 20 Uhr in Niederdorf an. Zum Pragser Wildsee waren es noch neun Kilometer. Da der letzte Bus bereits weg war, lief ich zu Fuß los. Als es nach knappen vier Kilometern dunkel wurde, suchte mir einen geschützten Ort und baute mein Zelt auf. Ich hatte das Zelt zuvor nur einmal bei uns im Wohnzimmer aufgebaut. Und so trieb mich das Außenzelt gut zehn Minuten in den Wahnsinn bevor ich die Richtige Seite fand. Als der Schlafplatz stand, musste ich mich um meinen leeren Magen kümmern. Ich probierte mich an Nudeln, aber auch den Campingkocher nutze ich zum ersten Mal. Naja, ungesalzene Nudeln mit Biss und Ketchup sind besser als ein leerer Magen. Als alle meine Bedürfnisse gestillt waren, verschwand ich dann in meinem Zelt.
Donnerstag: 03.08.2023 – Kurz vor dem Abbruch
Es war 05.45 Uhr als ich aufwachte. Langsam kroch ich aus meinem Zelt und stellte fest. Ich muss noch abwaschen. So ging ich zu einem nahegelegenen Bach und wusch mein Geschirr. Danach packte ich dann das inzwischen im meinem Zelt entstandene Chaos zusammen. Dabei stellte ich fest das mein Zelt und auch der Schlafsack klamm waren. Hilft ja nichts – dann müssen die eben so mit. Ich lief die restlichen fünf Kilometer zum Prager Wildsee und wurde dafür mit einer unglaublichen Aussicht belohnt. Da der Bootsverleih erst um 08.00 Uhr aufmachte langen die Ruderboote noch still in Reihe und Glied im Wasser. Ein Anblick den ich mir Stunden hätte ansehen können, aber ich hatte ja noch was vor. So lief ich nach ein paar Fotos auf die andere Seite des Sees und machte mir zum Frühstück ein Haferflockenmüsli. Das schmeckte jedoch extrem mehlig. Ich denke mal das hängt irgendwie mit dem Milchpulver zusammen. Als ich weiter lief traf am Abzweiger zum Höhenwanderweg auf eine ältere kanadische Gruppe. Wir kamen ins Gespräch und trafen uns auf dem weiteren Weg immer wieder. Der Aufstieg war extrem kräftezehrend. Es ging durch riesige Steinfelder und an Klippen entlang. An einige Abschnitten musste man sich an einem Sicherungsseil festhalten. Während die meisten einen 35l Rucksack, Stöcke und Wanderstiefel trugen versuchte ich mit meinem 85l Rucksack, ohne Stöcke und in Sneakern mitzuhalten. Ich schwitzte am ganzen Körper und war vollkommen entkräftet. Dennoch ging es immer weiter bergauf. Die Landschaft war einzigartig, wirklich wahrnehmen konnte ich sie aber nicht. Als wir nach zweieinhalb Stunden die erste Hütte erreichten war ich den Tränen nahe. Ich überlegte umzukehren und die Wanderung hier zu beenden. Vielleicht war das einfach eine Nummer zu groß für mich. Nach einer Cola in der Hütte und einem Schokoriegel raffte ich mich dann doch noch einmal auf. Und tatsächlich, der Weg wurde deutlich weniger steil und ging größtenteils Bergab, der Schokoriegel tat seine Wirkung und auch die nächste Hütte überraschte mich positiv. Es gab kostenloses Trinkwasser und Steckdosen – in der ersten Hütte hatte ich noch 4,50€ für 1,5L stilles Wasser bezahlt. Zudem hatte ich mit zehn Kilometern mein Tagesziel nun fast erreicht. Meine Motivation war zurückgekehrt und so machte ich mich auf zur nächsten Hütte. Der Weg ging weiter bergab und bot fantastische Aussichten. Auf dem letzten Stück trafen die Kanadier wieder auf mich. Neben der Hütte floss ein Fluss entlang. Ich setzte also dorthin und begann mir ein Fertiggericht zuzubereiten. Obwohl ich das anbrennen ließ schmeckte es um längen besser als die Nudeln vom ersten Abend. Es war erst 17.00 Uhr und trotzdem beschloss ich hier mein Zelt aufzuschlagen. Ich hatte mein Tagesziel um drei Kilometer überboten und wollte es am ersten Tag dabei belassen. So suchte ich mir im Dickicht abseits der Hütte einen Platz für mein Zelt. Kaum nachdem dieses stand begann es auch schon zu regnen. Da ich kaum Netz hatte verbrachte ich dem Abend damit meine Erlebnisse zu Papier zu bringen und schlief gegen 21.00 Uhr ein.
Freitag: 04.08.2023 – Gewitter, Sturm & Regen
Ich stand früh auf, um mein Zelt möglichst noch abzubauen, bevor sich die meisten Wanderer aus der Hütte auf den Weg machten. Um 06.15 Uhr machte ich mich also auf den Weg. Die Wege waren leer, der Nebel hang tief in dem Tal. Es ging wieder einmal steil bergauf. Nach etwa 1,5 Stunden erreichte ich die nächste Hütte, wo ich mir zum Frühstück eine heiße Schokolade bestellte. Dann ging es weiter. Gute 12km lagen bis zur nächsten Hütte vor mir. Die ersten 3 Stunden begegnete ich niemanden. Der Weg führte durch ein Tal links und rechts hohe Felswände dazwischen ein paar Kühe und grüne Wiesen. Dann traf ich eine Abzweigung. Der eine Weg führte steil nach oben auf eine der Felswände zu, der andere lief weiter durch das Tal. Meine Route gab jedoch den steilen Weg vor. Es kamen zwei Französinnen, die ebenfalls zweifelten ob dies der richtige Weg sein könne. Der Anstieg verlange mir alles ab, der Weg führte immer höher, aus dem Grasboden wurde mit der Zeit ein großes Geröllfeld, was den Weg nicht einfacher machte. Irgendwann konnte ich das zumindest vorläufige Ende des Weges erkennen: Einen Spalt zwischen zwei Klippen. Ich kämpfte mich mühselig weiter nach oben. Außer dem Kakao und zwei Schokoriegeln hatte ich noch immer nichts im Magen. Inzwischen war es 13.00 Uhr. Ich erreichte das Ziel. Von hier hatte man eine fantastische Aussicht. Der Weg führte im Zickzack steil nach unten. Am Horizont konnte man auf dem nächsten Berg schon die Hütte erkennen. Am Fuß der Felsen war ein kleiner See. Auch war hier endlich wieder Empfang. So sah ich auch die Nachricht meiner Mutter, dass ein Gewitter auf mich zukäme und ich doch in einer Hütte schlafen sollte. Der Abstieg war deutlich einfacher als der Aufstieg und so fand ich mich keine 30 Minuten später kartoffelbreikochend am Ufer des Sees wieder. Hier traf ich auch auf eine Gruppe vier junger Deutscher. Auch sie schliefen normalerweise draußen, doch heute Nacht wollten auch sie die nächste Hütte nehmen um sich vor dem Gewitter schützen. Also machte ich mich auf den Weg Richtung Hütte. Es ging wieder steil bergauf. Vor dem Abzweiger zu der Hütte überlegte ich noch einmal, ob ich nicht doch noch ein Stück weiter laufen sollte. Doch genau in dem Moment setzte Regen ein und ein Donnergrollen ertönte. Ich ging in die Hütte. Dort bekam ich ein Bett in einem Schlafsaal. Auch die vier Deutschen trafen wenig später dort ein. Ich ging Duschen – endlich wieder eine warme Dusche. Naja, nach etwa einer Minute war die vorbei. Die Duschen kosteten extra und ich hatte wohl den Rest Warmwasser einer anderen Person abbekommen. Immerhin. Zurück im Schlafsaal spannte ich eine Wäscheleine quer vor mein Bett und hing mein Zelt auf. Dann gab es Essen: Drei Gänge Menü: Spaghetti Bolognese, Lamm und Kuchen. Da ich hier WLAN hatte telefonierte ich dann noch mit meinen Eltern, bevor ich ins Bett ging.
Samstag: 05.08.2023 – Fehler mit Folgen
Im Schlafsaal begannen schon die ersten ihre Sachen zu packen. Auch ich machte mich ans packen. Dann ging es zum Frühstück. Ein riesiges Buffet: Himbeerkuchen, Pancakes, Rührei, Müsli, Croissants, … alles was das Herz begehrte. Wenig später kam dann auch die Rechnung. Fast 100€ zahlte ich für die Nacht inklusive Halbpension. Ein bisschen ärgerte ich mich … ich wollte doch Low-Budget unterwegs sein. Andererseits hatte ich nicht wirklich eine andere Wahl gehabt als dort zu nächtigen. Auch der Fakt, dass in dieser Nacht einige Wildcamper mehr in der Hütte Schutz gesucht hatten gab mir ein bisschen Trost. Draußen regnete, stürmte und schneite – ja, Schnee, mitten im Sommer – es inzwischen. Dennoch machte ich mich wieder auf den Weg. Dieser glich mit meinen Turnschuhen und dem aufgeweichten Boden jedoch eher einer Rutschpartie als einer Wanderung. Der Wind und der anhaltende Graupelsturm peitschten mir ins Gesicht. Nach vier Stunden schweren Aufstieg erreichte ich verfroren die nächste Hütte. Mein Handy und damit meine einzige Karte, zeigte einen Weg geradeaus an. Hier war jedoch nur eine Betonplattform, danach ging es mehr als hundert Meter steil abwärts. „Klettersteig!“. Noch in der Hütte hatten mir die Deutschen erzählt, dass es heute einen Klettersteig gäbe, den sie jedoch auslassen wollten. Mist! Was jetzt? Ich lief den selben Weg den ich mich so mühsam hochgekämpft wieder abwärts und musste wohl oder übel außen um den Berg laufen. Ich war genervt. Mehre Stunden sollte mich der Umweg kosten. Ich versuchte eine Abkürzung zu finden. Diese stellte sich jedoch als eine Mountainbike-Piste heraus und war durch den anhaltenden Schneeregen noch rutschiger als der restliche Weg. Also auch eine Sackgasse. Mein Vertrauen in meine einzige Orientierungsmöglichkeit war erloschen. Ich begann also um den Berg herumzulaufen. Auf dem Weg am Fuße des Berges traf ich auf eine kleine Gruppe. Ein australisches Pärchen und ein junger Niederländer. Wir verstanden uns gut. Auch sie hatte ihre Zelte dabei und schliefen draußen. Auch sie waren die letzte Nacht in die Hütte geflüchtet. Wir liefen gemeinsam weiter und erzählten uns unsere Geschichten. Schon nach einer guten Stunde hatte ich das Gefühl hier dazuzugehören. Eigentlich wollte ich mir nun mein Mittagessen kochen, doch die anderen hatten bereits gegessen. Um die so nette Gruppe nicht zu verlieren verzichtete ich also auf mein Mittagessen und lief weiter. Die Landschaft war einzigartig. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl in Island zu sein. Ewige grüne Wiesen, dazwischen ein paar Bäche und Steilhänge und am Horizont die Silhouetten großer Berge. Als wir gegen 16.30 Uhr an einer abgelegenen Stelle mit besonders schöner Kulisse ankamen, beschlossen wir kurzer Hand die Nacht dort zu verbringen. Wir bauten alle, im Schutz eines Felsens unsere Zelte auf, unterhielten uns und machten Essen. Die anderen hatten sich in der Hütte sogar Wein abgefüllt. So saß ich dort und dachte mir: „Ja, das ist der Grund warum du das machst. Genau so hast du dir das vorgestellt.“ und verkroch mich vollkommen zufrieden mit einem breiten Grinsen im Gesicht in mein Zelt.
Sonntag: 06.08.2023 – Ein fast perfekter Tag
„Good morning. Do you Guys wanna have a coffee?“. Als ich aus meinem Zelt kroch strahlte mir bereits die Sonne ins Gesicht. Thijs, der Niederländer, hatte bereits Kaffee gemacht. Nachdem wir unsere Sachen zusammengepackt hatten, machten wir uns auf den Weg. Es war ein wunderschöner Sonntagmorgen. Die Sonne strahlte die wenigen am blauen Himmel klebenden Wattewölkchen an. Die Aussicht war fantastisch. Immer wieder standen Kühe auf unserem Weg. Nach eineinhalb Stunden erreichten wir die erste Hütte, frühstückten erstmal und füllten unsere Wasservorräte auf. In den meisten Hütten war das Wasser laut einem Schild über dem Waschbecken nicht trinkbar. Ob das stimmt, oder nur dazu dient mehr Wasserflaschen zu verkaufen, lässt sich in Frage stellen. So profitierte mein Geldbeutel davon, das Thijs einen Wasserfilter mit dabei hatte. Denn auch wenn ich gute zehn Minuten brauchte um meine zweieinhalb Liter durchzufiltern, wollte ich jeden möglichen Euro nach der teuren Nacht in der Hütte sparen. Dann ging es weiter. Mein Rucksack fühlte sich inzwischen nicht mehr so schwer an. Ich hatte mich an die Last auf meinem Rücken gewöhnt. Dafür hatte ich nun ein neues Problem: Für meine Reise hatte ich mir einen Gürtel mit versteckter Innentasche gekauft. Der Reißverschluss dieser wurde von den Hüftpolster meines Rucksacks jedoch so sehr in meine Hüfte gedrückt, dass ich diesen weglassen musste. In Kombination mit meinen sehr sparsamen Mahlzeiten sorgte das dafür, dass meine Hose dauerhaft rutschte. Auf dem Weg trafen wir auf zwei Italienerinnen, die sich unserer Gruppe anschlossen. Der Weg ging steil bergauf. Der blaue Himmel zog sich zu. Mit der Zeit setzte leichter Regen ein. Durch die Regenjacken schwitzte ich beim Aufstieg noch mehr, als ich es sowieso schon tat. Uns fehlten noch wenige hundert Meter bis zur Hütte, als auf einmal Donnerschläge zu hören waren. Wenige Minuten nachdem wir die Hütte erreicht hatten begann dann eine Kombination aus Schnee, Regen, Hagel & Gewitter. Wir genossen erstmal unser Mittagessen. Als wir bereits darüber nachdachten aufgrund des Wetter in der Hütte zu nächtigen, hörte das Unwetter schlagartig auf und der blaue Himmel zeigte sich wieder. Wenige hundert Meter weiter war ein kleiner See. Die beiden Italienerinnen hatten bereits geplant dort zu übernachten. Sie fragten also in der Hütte, ob wir dort zelten dürften, und bekamen die überraschende Antwort: Ja. Schnell erreichten wir den See und schlugen an dessen Ufer unsere Zelte auf. Zwischen den Zelten bauten wir mit Hilfe von Schnur und einem Wanderstock eine Wäscheleine auf. Dann entschieden wir uns in dem See baden zu gehen. Wenn man nur das Foto sieht – blaues Wasser, blauer Himmel, Sonne – könnte man meinen, der See wäre warm, aber das Wasser war eiskalt. Dennoch tat das baden im See gut. Es war ein ganz neues Gefühl – wie Neugeboren. Ich machte mir Nudeln, die Italienerinnen versuchten sich an Reis, und die anderen aßen Sandwiches, die sie in einer Hütte gekauft hatten. Ich lief noch auf einen Hügel auf der anderen Seite des Sees und sah dem leider sehr wolkigen Sonnenuntergang zu. Dann ging ich ins Bett.
Montag: 07.08.2023 – Restday
Die Nacht war eiskalt. So lagen wir alle sehr lange in unseren Zelten und hofften nicht rausgehen zu müssen. Doch wir mussten. Thijs war es, der als erster aus seinem Zelt kroch und begann Kaffee zu kochen. Auch ich raffte mich auf und baute mein Zelt ab. Meine Hände ähnelten inzwischen zwei Eisblöcken. Dann verabschiedeten wir uns von den beiden Italienerinnen. Sie wollten nur bis zur nächsten Hütte gehen und hatten dort ein Zimmer gebucht. Wir hatten vor deutlich weiter zu gehen. Als wir die nächste Hütte schon sehen konnten, trafen wir auf ein Schild. Auf dem Weg waren frische Steinfälle man solle daher den Weg nach unten nehmen und dann wieder hoch zur Hütte laufen. Nach einer kurzen Diskussion entschieden wir uns dennoch dazu den originalen Weg zu nehmen, um die zusätzlichen Höhenmeter zu sparen und ein bisschen mehr Abenteuer zu haben. Auf dem Weg lagen immer wieder, mal große, mal kleine Steinbrocken, die von der Felswand links neben uns heruntergekommen sein mussten. Nach einiger Zeit war der Weg kaum mehr zu erkennen. Ohne es zu merken, verließen kamen wir so von diesem ab. Einige Zeit irrten wir orientierungslos in dem Geröllfeld herum. Dann trafen wir auf kleine Steintürme, die auf große Steine gebaut waren. Wegmarkierungen. Der Weg auf den wir getroffen waren musste ein Vorgänger des heutigen Weges sein. Aber er führte uns noch immer zu der Hütte. Die Hütte lag auf einem Berg und bot eine fantastische Aussicht. Auch die innere Gestaltung der Hütte gefiel uns sehr. Nach einigen Überlegungen beschlossen wir dann hier einen Tag Pause zu machen. Die Australier, Jared und Sarah hatten acht Tage Zeit für den Trail, dann mussten sie zurück auf die Christmas Islands fliegen. Bei unserem aktuellen Tempo würden wir den Trail aber in 6,5 Tagen schaffen. Anstelle einen Tag mehr in Melange auf den Flieger zu warten, wollten sie lieber einen Tag mehr in den Bergen sein. Thijs und Ich waren flexibel – also blieben wir. Um dennoch nicht zu viel Geld auszugeben, buchte ich nur die Übernachtung ohne Halbpension. So verbrachten wir den restlichen Tag in der Hütte, tranken Bier, spielten Uno und liefen auf den Gipfel des Berges. Hier ging es 1200m senkrecht nach unten, dafür hatte man eine fantastische Aussicht. In der Hütte trafen wir auf einige bekannte Gesichter: Zum Mittag trafen die Kanadier, die ich in den ersten Tagen kennengelernt hatte dort ein. Einige Leute, die ich in der Hütte in Lagazuoi kennengelernt hatte erreichten die Hütte. Und auch die beiden Italienerinnen sahen wir gute drei Stunden nachdem wir sie verabschiedet hatten wieder.
Dienstag: 08.08.2023 – Wein statt Wasser
Nachdem wir gefrühstückt und unsere Sachen gepackt hatten, machten wir uns auf den Weg. Unser Zeitplan war nun straffer. Nach eineinhalb Stunden erreichten wir die erste Hütte und gönnten uns eine Pause. Und wieder gesellten sich nach wenigen Minuten all die Leute, die wir in der Hütte kennengelernt hatten unserem Pausentisch dazu. Gemeinsam mit dem Italienerinnen liefen wir noch gut zwei Kilometer, dann war es Zeit uns nun wirklich von Ihnen zu verabschieden – Sie gingen ins Tal, wir zur nächsten Hütte. Die nächste drei Stunden Etappe fühlte sich an wie sechs Stunden. Die Sonne knallte auf uns herab und brachte uns ordentlich ins schwitzen. Gut 600 Höhenmeter ging es nach oben. Nach einiger Zeit trafen wir auf zwei lokale Wanderer, mit denen wir uns unterhielten, das lenkte zumindest ein bisschen von der gefühlt ewigen Etappe ab. Endlich erreichten wir die nächste Hütte und bestellen uns relativ spät unser Mittagessen. Mit neuer Energie machten wir uns nun auf ins nächste Tal um nach einem geeigneten Schlafplatz zu suchen. Erfolglos. Die Wiesen waren entweder zu steil oder von Kühen besiedelt. Nach langer Suche trafen wir auf einem Parkplatz direkt an der Straße auf ein örtliches Paar, dass meinte, wir könnten hier auf dem Parkplatz campen. Direkt neben der Straße war es zwar ungemütlich, aber wir sahen ein, dass wir nichts besseres hatten. Bis auf Jared. Er lief die Straße weiter runter in der Hoffnung doch noch etwas besseres zu finden. Und das tat er. Wenige hundert Meter weiter war neben der Straße einen flache Wiese. Darauf standen einige Picknickbänke. Auch zwei Feuerstellen gab es. Zufrieden bauten wir unsere Zelte auf und setzten uns an einen der Tische. In der letzten Hütte hatten wir uns Rotwein in unsere Flaschen füllen lassen und ließen den Tag nun bei einem Wein entspannt ausklingen.
Mittwoch: 09.08.2023 – Steil, steiler, am steilsten
Wir standen auf. Heute stand die heftigste Etappe auf dem Plan. Knapp 1400m Höhenunterschied galt es zu überwinden. Erst nach drei Stunden erreichten wir die erste Hütte und konnten Frühstücken: Frische vor Ort gemachte Pasta – also eher Brunch. Da gegen 15.00 Uhr Regen angekündigt war beendeten wir unsere Pause jedoch recht schnell wieder. Dann ging es weiter. Der Weg führte die nächsten Kilometer im 45 Grad Winkel – oder steiler – nach oben und brachte mich so ab meine körperlichen Grenzen. Der Schweiß tropfte mir aus allen Poren. Alle hundert Meter musste ich eine kurze Pausen machen, Luft holen und etwas trinken. Die anderen hatten den Gipfel bereits erreicht. Nach weiteren 10min erreichte dann auch ich keuchend den Gipfel und durfte die fantastische Aussicht genießen. Dann ging es endlich bergab – wobei bergab nicht unbedingt hieß, dass es einfacher wurde. Ein mehrsprachiges Schild warnte vor einem „schwierigen Steilhang“ und tatsächlich: Der Weg nach unter war noch steiler als der Weg nach oben. Mehrfach verlor ich den halt und rutsche ein bisschen und landete auf meinem Rucksack. Zum Glück hatte der angekündigte Regen noch nicht eingesetzt – mit aufgeweichten Boden wäre dieser Abstieg unmöglich machbar gewesen. In der nächsten Hütte tankte ich mit zwei Dosen Cola erstmal Energie nach. Ich war völlig fertig. Unser Tagesziel hatten wir nun erreicht doch wir wollten noch auf den nächsten Gipfel um unsere Zelte aufzuschlagen. Also ging es weitere 200 Meter nach oben. Einzig und allein Jareds Worte „This is the last uphill part on this track.“ spendeten mir ein bisschen Trost. Oben angekommen fanden wir auch direkt eine große zum Zelten geeignete Fläche. Inzwischen waren wir wieder im Gebiet des Nationalparks – das Zelten war hier also verboten. So warteten wir noch ein bisschen. Nach ein paar Minuten erreichte ein Mann den Gipfel und erzählte uns, dass wenige hunter Meter weiter eine Notfall-Shelter war, in dem man übernachten könnte. So liefen wir zu dem knapp 100 Jahre alten Farmhaus. Dort drinnen war die Zeit stehen geblieben. Zwei Tische, ein alter Holzherd und eine Feuerstelle, dessen Nutzung ein Schild verbot. Es gab sogar ein Obergeschoss in dem weitere vier Leute Platz fanden. Wir legten unsere Luftmatratzen auf den Boden und brachten im Ofen ein Feuer zustande. Der Raum wurde wärmer und war nach wenigen Minuten vollständig verraucht. Erst durch das öffnen eines Fensters im Obergeschoss zog der Rauch etwas ab. Nach einiger Zeit erreichte eine französische Gruppe das Haus und machte es sich im Obergeschoss gemütlich. Als wir ins Bett gingen begann es zu regnen und so freuten wir uns hier – ganz ohne Zelt – warm und trocken zu sein.
Donnerstag: 10.08.2023 – The Final Countdown
Der letzte Tag brach an. Nun ging nur noch bergab. Knapp drei Stunden sollten wir bis zu der Bushaltestelle am Ende des Tracks brauchen. Nach eineinhalb Stunden erreichten wir die letzte Hütte und frühstücken. Dann ging es weiter. Die Sonne knallte inzwischen auf uns herab. Aus der bisherigen Gebirgslandschaft wurde eine Landschaft die mehr und mehr einem asiatischen Dschungel glich. Irgendwann erreichten wir die Straße und liefen weitere 400m bis zur Bushaltestelle. Dann hieß es erstmal: Rucksack vom Rücken, Schuhe und Socken aus, Adiletten an. Wir hatten es geschafft hinter uns lagen fast 120km, knapp 7000 Höhenmeter Steigung hatten wir überwunden. Wir waren Stolz. Nach einer halben Stunde kam ein Bus der uns nach Belluno brachte. Ich und Thijs suchten ein gutes Italienisches Restaurant, während Jarod und Sarah in ihrem Appartement eincheckten. Nachdem wir unsere Pizzen genossen hatten, suchten wir die Tourist-Information auf. Hier sollte man einen Batch bekommen. Als wir dort ankamen erfuhren wir da diese gerade „Out of Stock“ waren und man stattdessen seine Adresse angeben konnte. Dann würde einem der Batch zugeschickt. Wir machten uns auf zu dem Appartement. Sarah und Jared hatten Thijs und mir erlaubt dort unsere Wäsche zu waschen und die Nacht zu verbringen. Nachdem die Waschmaschine voll war, wir alle geduscht hatten und etwas ausgeruht waren, stürzten wir und ins Nachtleben der kleinen Stadt. Auf unserem Weg zum Hauptplatz hörten wir Musik und entschieden uns spontan dieser zu folgen. So landeten wir in einer kleinen Rooftop Bar. Nach zwei Gläsern Aperol gingen wir weiter ins Zentrum. Hier war eine Bühne mit Livemusik. Zum Abendessen gab es Burger an einer der Buden. Nach dem dritten Aperol gingen Sarah und Jared zurück ins Appartement. Thijs und Ich machten weiter das Nachtleben unsicher. „You tell me a hot girl you see and I‘ll ask her where she would go out here.“ Thijs erhoffte sich so eine gute Bar zu finden. Nach einigen Fehltritten landeten wir aber wieder dort wo wir angefangen hatten: In der Rooftop Bar. Inzwischen war diese deutlich voller. Die Stimmung war super und so gab es einen Drink nach dem anderen. Bei 3,50€ für einen Aperol-Spritz ist es auch einfach schwierig Nein zu sagen. Die Musik war extrem laut und so beschlossen auch wir nach einigen Stunden uns auf den Weg zum Appartement zu machen.
Fazit – Und die Moral von der Geschicht‘ …
Kann man in Sneakern, ohne Wandererfahrung und mit einem 25kg Rucksack die Dolomiten durchqueren? Knapp 120 Kilometer und über 7000 Höhenmeter in einer Woche zurücklegen? Ja man kann.
Als ich diese Tour plante machte ich mir nicht wirklich viele Gedanken darüber. Höhenwanderweg? … ein bisschen wandern mit schöner Aussicht halt. Nachdem ich einige Tage vorher bei der genaueren Recherche dann auf exakte Kalorienberechnungen für die Essenplanung, ein Campingverbot und den Satz „Schwere Wanderung. Sehr gute Kondition erforderlich. Gute Trittsicherheit, festes Schuhwerk und alpine Erfahrungen notwendig.“ stieß, begann ich doch ein bisschen an meiner Leichtigkeit zu zweifeln. Im Nachhinein verstehe ich diesen Satz. Die Wanderung hat mich körperlich an vielen Stellen an meine Grenzen gebracht. Mehrfach kämpfte ich mit dem Gedanken abzubrechen. Und dennoch bin ich dankbar für diese Erfahrungen. Ich durfte auf dieser Tour unglaublich viel Neues lernen, mich ausprobieren, neue Menschen kennenlernen und vor allem erleben dass man mit genug Willensstärke vieles erreichen kann.
Die neuen Schuhe sind schon da, dann habe die Alten ja gerade mal 4 Monate gehalten..
Ja Deine Willensstärke ist beindruckend aber gute Ausrüstung ist auch nicht zu verachten. Toll das Du es geschafft hast und
das war sicher ein einmaliges Erlebnis mit neuen Eindrücken. Wenn Du in den mittleren Osten kommst kann man im Oman auch ganz anständig wandern.