Montag 05.05.2025 – Aufholjagd
Nachdem der Campingplatz sich gestern Abend in einen See verwandelt und mir so eine ziemlich feuchte Nacht beschert hatte, hinterfrag Ich meine Entscheidung hier ein paar Tage länger zu bleiben noch einmal kurz. Eigentlich hatte Ich nämlich folgenden Plan ausgetüftelt: Die nächsten Tage wollte Ich in Sante Elena verweilen und fleißig Nachhilfestunden geben, um meine mal wieder nahezu leere Reisekasse aufzufüllen. Zudem könnte Ich ein paar reisefreie Tage gut nutzen, um endlich mit meinen inzwischen einen ganzen Monat hinterherhängenden Blog aufzuholen. Ende der Woche würde es dann nach Brasilien gehen. Ein wenig blauer Himmel macht mir Hoffnung, dass das Wetter sich bessert – zumal mein Zelt jetzt ja sowieso unter einem Dach stand. Es bleibt also bei meinem Plan! Hochmotiviert lege Ich los. Erst den neusten Blog fertig schreiben und hochladen, dann zwei Nachhilfestunden geben, dann den Beitrag über die folgende Woche anfangen. Damit das Schreiben etwas abwechslungsreicher wird gehe Ich im Laufe der Zeit dazu über abwechselnd an den aktuellen und den älteren Beiträgen zu arbeiten. Den ganzen Tag sitze Ich in der Unterkunft, deren Mitarbeiter mich für einen ziemlichen Stubenhocker halten müssen, und tippe was das Zeug hält. Immerhin komme Ich gut voran: Nachdem Ich am Morgen einen Beitrag veröffentlicht hatte, bin Ich am Abend so weit, dass ich den nächsten hochladen kann – wenn Ich so weiter mache, bin Ich Donnerstag fertig!
Dienstag 06.05.2025 – Motivationsmangel
Ganz so viel Motivation wie gestern lege Ich heute nicht an den Tag. Statt an meinem Blog zu schreiben doomscrolle Ich durch YouTube und Instagram und gebe zwischendurch immer mal eine Nachhilfestunde. Ernähren tue Ich mich – wie schon die vergangenen Tage – ausschließlich von Haferflocken –die sind noch von der Wanderung übrig. Während es mit meinem Blog also nur schleppend vorwärts geht, erreiche in zumindest in einem anderen Punkt etwas: Ich bekomme eine Couchsurfing-Zusage für „Boa Vista“, meinen ersten Zielort in Brasilien – Donnerstag würde es weitergehen.
Mittwoch 07.05.2025 – FOMO
Nachdem Ich gestern nicht allzu viel geschafft hatte, arbeite Ich heute umso fleißiger und tippe – unterbrochen von einigen Nachhilfestunden – an meinem Blog. Gegen Mittag gehe Ich in ein kleines lokales Restaurant nahe meiner Unterkunft, wo ich für wenige Euro eine große Portion Spaghetti Bolognese und einen frischgepressten Saft bekomme. Während Ich am Nachmittag an den Blog-Beiträgen der vergangenen zwei Wochen sitze, merke Ich wie oberflächlich Ich Venezuela bereist hatte. Abgesehen von dem Roraima Tepui hatte ich von dem Land kaum etwas gesehen – Es diente mir in erster Linie als Transitland, um von der Karibik nach Brasilien zu gelangen. Dabei gäbe es hier so viel zu entdecken: Einige hundert Kilometer von Santa Elena entfernt lag, im dichten Dschungel versteckt, der „Salto Angel“, der mit fast 1000 Metern höchste Wasserfall unserer Erde – der ließ sich leider aber nur über den Luftweg erreichen. Etwas weiter im Westen, nahe der Hauptstadt Carraras befindet sich die „Colonia Tovar“, ein Dorf deutscher Einwanderer, welches so weit von der Heimat entfernt mit klassischer deutscher Fachwerk-Architektur und traditionellen Gerichten lockt. Noch weiter im Westen, nahe des Maracaibo-Sees, könnte man noch einen Ort besuchen, an dem es etwa 240 Tage im Jahr gewittert. Und das sind nur einige der Highlights hier in der „República Bolivariana de Venezuela“ die sehenswert wären. So oder so – für mich ginge es morgen erst einmal raus aus Venezuela. Naja, vielleicht komme Ich irgendwann ja noch einmal zurück!
Donnerstag 08.05.2025 – Ab nach Brasilien!
Nach fünf Tagen am selben Ort dauert es etwas, bis ich das Chaos in meinem Zelt beseitigt und alle meine Sachen zusammengepackt habe. Zum Frühstück gibt es noch zwei Empanadas, bevor Ich aus der Unterkunft auschecke und zur Hauptstraße laufe. Obwohl die brasilianische Grenze nur etwa zwanzig Kilometer von Santa Elena entfernt ist, wollte Ich mich für das kleine Stück dennoch am Trampen versuchen – meine letzte Mototaxi-Erfahrung vergangene Woche war ja schließlich nicht sehr zufriedenstellend ausgegangen. Nach einigen Minuten hält ein Fahrzeug älteren Baujahrs, die Beifahrertür öffnet sich und blicke in das Gesicht des Guides, mit den Ich vergangene Woche den Tepui bestiegen hatte – Was für ein Zufall! Wenig später kommen wir an der Grenze an. Beim Ausstempeln aus Venezuela lerne Ich ein deutsches Overlander-Pärchen kennen – Schade, dass die beiden nur zwei Sitze in ihrem Land Rover Defender haben. Zu Fuß laufe Ich zur brasilianischen Seite der Grenze, vor der eine lange Schlange Venezolaner wartet. Glücklicherweise gibt es für Touristen ein Extra-Schalter und so trete Ich schon nach wenigen Minuten brasilianischen Boden. Wie so oft ist mein erster Anlaufpunkt nach dem Grenzübertritt ein Mobilfunk-Geschäft, wo ich unkompliziert eine günstige SIM-Karte mit großzügigem Datenpaket bekomme und sogar mit US-Dollar zahlen kann – von meinen brasilianischen Real hatte Ich keine mehr. Kaum beginnt das Internet zu funktionieren, leuchtet eine Nachricht auf meinem Sperrbildschirm auf: Jan, der deutsche Eigner eines Katamarans, den Ich in Kapstadt kennengelernt hatte, ließ mich wissen, dass Er es inzwischen auch in die Karibik geschafft hatte und seine Weltumseglung im Januar auf dem Pazifik fortsetzen wolle. Als Ich ihm schreibe, dass Ich plante im Januar in Panama anzukommen, um mich dann ebenfalls den Pazifik zu widmen, erhalte Ich prompt ein „Dann sammel Ich Dich in Panama ein!“ als Antwort. Es dauert etwas bis Ich realisiere, was das bedeutet: Ich hatte gerade ein ernstgemeintes Angebot bekommen über den Pazifik zu segeln. Einfach so! Mit nun noch besserer Laune als ich sie sowieso schon hatte, stelle Ich mich an den Ortsausgang und strecke meinen Daumen raus. Viel Verkehr ist nicht – und wenn ein Auto kommt, dann meist ein „Transporte alternativo“, die brasilianische Version eines Sammeltaxis. Nach einer Stunde lohnt sich das geduldige Warten aber – ein Kleinwagen mit drei jungen Venezolanerinnen hält und sammelt mich ein. Drei Stunden fahren wir durch die weiten Landschaften der Gran Sabana, bis wir Boa Vista erreichen, wo meine Fahrerin, Laura, darauf besteht mich bis vor die Haustür meines Couchsurfing-Hosts, Ellano, zu bringen. Ellano, ein sportlicher tätowierter Mann Anfang Dreißig, begrüßt mich freundlich und zeigt mir direkt sein Arbeitszimmer, in welchem Ich die kommenden zwei Nächte auf einer Hängematte verbringen dürfte. Später am Abend zeigt Er mir noch etwas die Stadt, wir gehen etwas Essen und Ich probiere „Açai“, ein süßes Püree aus den gleichnamigen Beeren, das etwas an Eiscreme erinnert.
Freitag 09.05.2025 – Gute Aussicht in „Boa Vista“
Zum Frühstück fahren wir zu einem lokalen Food-Stall. Das klassische Frühstücksgericht hier im Norden Brasiliens sind Tapioka – kleine (nach Nichts schmeckende ^^) Fladen aus getrockneten Maniokwurzeln die meist mit frischen Früchten oder herzhafteren Dingen wie Ei oder Schinken belegt werden. Als wir nach dem Frühstück wieder zu Hause ankommen, widme Ich mich der wichtigsten Aufgabe des Tages – meine Wäsche müsste dringendst mal wieder gewaschen werden! Zum Glück gibt es in Brasilien an jeder Ecke „Self-Service-Laundromaten“, bei welchen man seine Schmutzwäsche preiswert und schnell waschen und trocknen kann. Eigentlich sind die Dinger idiotensicher – vorausgesetzt man hat eine brasilianische Kreditkarte. Denn wie sich herausstellt akzeptiert kaum ein brasilianisches Kartenlesegerät meine deutsche Debitcard. Gerade als Ich verzweifelt aufgeben will, kommen zwei Mitarbeiter des Waschsalons hinein und schalten mir die Maschine frei. Pragmatisch denkend ziehe Ich mich bis auf die Unterhose aus und versenke meine gesamte Kleidung in der Waschmaschine. Geschockt guckt die Mitarbeiterin des Waschsaloons mich mit offener Kinnlade an – das geht so nicht – und drückt mir peinlich berührt ein Handtuch in die Hand, welches Ich mir umbinde, solange Ich auf die Maschine warte. Als Ich vom Waschsaloon zurückkomme, verlässt Ellano gerade das Haus – Er würde sich mit einigen Freunden treffen und käme gegen Abend wieder. Den Nachmittag verbringe Ich also und in der Hängematte in Ellanos Arbeitszimmer und tippe etwas an meinem Blog, ein kleiner Ventilator pustet kontinuierlich gegen die heiße stickige Luft an. Als Ich Hunger bekomme, laufe Ich zum nächsten Supermarkt, nur um dort an der Kasse festzustellen, dass meine Kreditkarte hier nicht funktionierte und Ich kein brasilianisches Bargeld mehr habe – Shit! Vorerst muss Ich mich also von ein paar Keksen ernähren, die Ich noch im Rucksack habe. Als Ellano am frühen Abend zurückkommt, machen wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Direkt am „Rio Branco“, dem Fluss, der durch Boa Vista fließt, steht dort ein Aussichtsturm, von welchem wir den Sonnenuntergang beobachten. Als es dunkel ist, laufen wir noch etwas die Promenade entlang und essen ein Eis, bevor wir nach Hause fahren und dort auf dem Sofa vorm Fernseher versacken.
Samstag 10.05.2025 – Per Anhalter in den Regenwald
Nachdem schon am frühen Morgen eine Nachhilfestunde gegeben hatte, bricht Hektik aus – Ellano würde wenigen Minuten das Haus verlassen und Ich mit ihm. Zügig verfrachte Ich meine sieben Sachen in meinen Rucksack und steige ins Auto. Ellano bringt mich zu einer Tankstelle, von der Ich in Richtung Manaus trampen könne. Auf dem Weg sammeln wir noch eine Freundin von Ihm ein, die mir einen alten Papphefter und einen Edding für mein Schild mitbringt. Bevor Ich allerdings mit dem Trampen loslege, laufe Ich erst einmal zu einem ins Stadtzentrum, um dort einen Teil meiner US-Dollar Noten in Real zu wechseln – noch einen Tag ohne Geld halte Ich nicht aus. Schon auf dem Weg zurück zur Tankstelle hält ein Auto eines älteren Ehepaares an – sie könnten mich bis zur ersten großen Tankstelle außerhalb der Stadt mitnehmen. An jener angekommen warte Ich eine knappe Dreiviertelstunde auf meinen Folgelift. Ein bärtiger Mann mittleren Alters hält in einem VW-Robust – einer hier sehr viel gefahrenen Mischung aus Pick-Up und VW Polo – und bietet mir an mich bis in einen Ort auf halber Strecke nach Manaus mitzunehmen. Fast fünf Stunden lang fahren wir gemeinsam quer durch den Amazonas-Regenwald. Mein Fahrer stellt interessiert Fragen zu meiner Reise und wir unterhalten uns – wenn auch größtenteils mittels Übersetzungs-App – gut zudem werde Ich auf eine Portion Fisch und Reis zum Mittagessen eingeladen. Gegen Ende der Fahrt fragt mein Fahrer mich plötzlich über mein Sexualleben aus – aus einfachen interessierten Fragen wie „Hattest du auf deiner Reise Sex?“ und „Wo gab’s die schönsten Frauen?“ werden immer anstößigere Fragen wie „Welche Farbe hat dein Schamhaar?“. Zuletzt fragt Er mich dann, ob er nicht mal meinen Penis sehen könne, womöglich würde Er nie wieder einen Europäer treffen – Ich verneine und steige zwanzig Minuten später an unserem Zielort, einem kleinen Dorf namens Rorainópolis, aus. Etwas erleichtert bin Ich schon als Ich aus dem Wagen klettere, und zugleich bin Ich mir sicher: Der Fahrer hatte nichts falsch gemacht! Er hatte mich nicht begrapscht oder sonst etwas, sondern eine höchlich Frage gestellt, mich dabei ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass es okay wäre, wenn Ich ablehne und dies – als Ich es dann tat – auch ohne weiteres so hingenommen. Obwohl Ich den ganzen Nachmittag mit ausgetrecktem Daumen an der Straße stehe, bekomme Ich keinen weiteren Langstreckenlift mehr. Kurz bevor Ich aufgebe, hält lediglich noch ein lokaler Pick-Up an, der mich mit ins nächste Dorf nimmt, wo Ich mein Zelt neben einer Tankstelle aufschlage.
Sonntag 11.05.2025 – Presidente Figueiredo
Als Ich aufwache, ist es in meinem Zelt klitschnass – zwar hatte Ich jenes unterhalb eines Blechdachs aufgeschlagen, doch die Betonfläche, auf der Ich schlief, lief das Wasser der umliegenden Dächer hinab – Wie Ich die Regenzeit hasse! Der Regen wird nicht weniger und so versuche Ich mich im strömenden Regen am Trampen. Nach wenigen Minuten sind meine Klamotten durchweicht. Ob Trampen im Regen besser oder schlechter funktioniert, als bei schönem Wetter ist schwer zu sagen. Auf der einen Seite möchte niemand eine tropfnasse Person im Auto, auf der anderen Seite hoffe Ich irgendwie, dass einer der vorbeifahrenden LKW-Fahrer Mitleid mit mir hat. Ob es wirklich Mitleid ist, dass den jungen LKW-Fahrer, der mich 30 Minuten später einsammelt, angetrieben hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es in dem Lastwagen aber trocken und der Fahrer fährt sogar bis zu meinem Zielort. Ganz ohne es zu merken, überqueren wir im Laufe des Vormittags den Äquator – Ich war nun wieder auf der Südhalbkugel. Wie oft Ich den Äquator wohl noch überqueren würde, bis Ich wieder zuhause ankomme? Gegen Mittag erreichen wir, nach fast sechs Stunden Fahrt, das kleine „Presidente Figueiredo“ – hier steige Ich aus. Der inmitten des Regenwalds gelegene Ort ist bekannt für seine unzähligen Wasserfälle. Nachdem Ich in einem kleinen Restaurant zu Mittag gegessen habe, muss Ich mich um einen Schlafplatz kümmern. Nach dem die letzten Nächte im Zelt fast ausnahmslos ziemlich feucht ausgefallen waren hält sich meine Motivation zu zelten in Grenzen. Billige Unterkünfte gibt es in Presidente Figueiredo allerdings auch nicht: Ein Bett im Hostel kostet 80 Real (12,50€) – nicht die Welt und doch wäre es damit die teuerste Unterkunft, seit Ich Europa verlassen habe. Trotzdem entscheide Ich mich dafür. Auch, weil Ich mir erhoffe im Hostel auf andere Reisende zu treffen, mit denen Ich morgen gemeinsam die Wasserfälle erkunden könne. Schon am frühen Nachmittag checke Ich also in das Hostel ein, wo Ich mein Zelt und meine Isomatte zum Trocknen aufhänge und mich dann in meinem klimatisierten Zimmer verkrieche. Als Ich mir am Abend in der Gemeinschaftsküche etwas zu essen koche, lerne Ich Angela, eine junge US-Amerikanerin, und Kevin, einen Franzosen, kennen. Bis spät in die Nacht sitzen wir gemeinsam dort, während Kevin sich – unter Anleitung seines per Videoanruf dazugeschalteten Vaters – daran versucht „Bananen-Omelette“ zu machen.
Ich bin gespannt, wie dir die Wasserfälle im Regen gefallen. Deine Reise in Südamerika klingt so ähnlich wie Afrika und doch habe ich ein ganz anderes Bild im Kopf. Ich wünsche dir weiterhin eine gute Reise und freue mich auf deinen neuen Blog 😀 Schöne Grüße, Silke E