Montag 27.11.2023 – Bettenwechsel
Um 11.00 Uhr müsste ich auschecken. Wie spät ist es? Kurz nach neun. Knapp zwei Stunden könnte ich noch das Hostel-WLAN nutzen. Zeit an meinen Blog zu schreiben, die nächsten Nachhilfestunden zu koordinieren und meine Bilder aus Toulouse zu sichern. Auf die Minute pünktlich war das letzte Bild hochgeladen und ich checkte aus. Meinen Rucksack konnte ich gegen eine kleine Gebühr noch bis heute Abend im Hostel stehen lassen. Mit dem Bus machte ich mich auf den Weg zum Park Güell – einem der Wahrzeichen Barcelonas. Als ich den Ticketschalter am Eingang sah, bereute ich schon kurz hier her gekommen zu sein. Zehn sollte der Eintritt kosten – das war mir ein gefliester Park nicht Wert. Zu Fuß begab ich mich an den Ausgang des Parks – von hier konnte man zwar nicht auf Barcelona herab, dafür aber auf das Herzstück des Parks gucken – vollkommen ausreichend. Mit einem weiteren Bus ging es zurück in die Altstadt – diese hatte ich bisher nur kurz im Dunkeln bei meiner Ankunft gesehen. Ganz bis ans Wasser schaffte ich es nicht bevor ich wieder umdrehen und mir ein internetfähiges Café für meine Nachhilfestunde suchen musste. Nach 50 Minuten quadratischen Funktionen machte ich mich dann auf den Weg zu Jessie, meinem Host. Nach etwas Smalltalk begannen wir Pasta zu kochen. Obwohl Jessie in seinem Profil angegeben hatte, dass er fließend Englisch spricht, zweifelte ich immer wieder daran, wieviel er wirklich von dem Verstand, was ich sagte. Sobald er mehr als einen Satz sagt, griff er immer zu Google Translate und sprach in sein Handy. Irgendwie verstanden wir uns schon. Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang durch die Stadt. Nicht nur von der Aussichtsplattform einer ehemaligen Stierkampfarena sondern auch von dem auf einen Berg gelegenen katalanischen „National Palace“ hatte man einen wunderbaren Blick über das nächtliche Barcelona. Erschöpft ließ ich mich auf meine im Wohnzimmer liegende Luftmatratze fallen – Zeit schlafen zu gehen.
Dienstag 28.11.2023 – Here comes the sun
Als ich nach dem Frühstück die Wohnung verließ, verstand ich, warum Jessie mir empfohlen hatte mich einzucremen. Die Sonne strahlte, der Himmel war wolkenlos blau – perfektes Strandwetter. Wie gut, dass ich von Jessies Wohnung keine Viertelstunde zum Hauptstand brauchte. Auf dem Weg hatte ich mir gleich noch den Hafen angeguckt. Mein Pullover war inzwischen im Rucksack verschwunden, an eine Palme gelehnt saß ich am Strand, vor mir rauschte eine Welle nach der anderen ans Ufer, die Sonne strahlte mir ins Gesicht – genau so hatte ich mir Barcelona vorgestellt. Nachdem ich mich irgendwann aus meinem sandigen Paradies erhob, erkundete ich etwas die Straßen entlang der Promenade und drehte eine Runde durch einen nahegelegenen Park. An einer Churros-Bude kaufte ich mir eine Portion des Streetfoods – im Vergleich zu Paris waren diese schon 40% günstiger geworden und auch ansonsten war Spanien das bisher günstigste Land auf dieser Reise. Am Nachmittag traf ich mich mit Nikolay, dem bulgarischen Reisenden, den ich am Sonntag bei dem Couchsurfing Event kennengelernt hatte. Es tat unglaublich gut sich mit jemanden über das Reisen, die verschiedenen Optionen, Hindernisse und Lebensphilosophien auszutauschen. Vertieft in unsere Gespräche liefen wir durch die Stadt und guckten dem Sonnenuntergang zu. Zumindest solange bis ich zwei weitere Nachhilfestunden geben musste. Nikolay hatte mir dafür ein Café mit Internet und Steckdosen in der Altstadt empfohlen. Die Nachhilfestunden liefen problemlos und auch das Café überzeugte mich. Im Dunkeln machte ich mich – mit einem kurzen Stopp im Supermarkt – zurück auf den Weg zu Jessie. Wieder zuhause kochten wir gemeinsam „Tortilla de patatas“ – spanisches Kartoffelomelett, ein Rezept, dass ich mir definitiv merken muss. Am späteren Abend traf ich noch auf Kirill. Der junge Russe war vor etwa einem Monat aus Russland ausgewandert und nach Barcelona gezogen. Nachdem er einige Tage bei Jessie gecouchsurft hatte, hatte er nun ein Zimmer in der Wohnung längerfristig gemietet. Spannend war für mich vor allem seine Arbeit – ein Job als Reinigungskraft, gefunden über Facebook, von dem Jobgesuch bis zum ersten Arbeitstag mit direkter Barauszahlung keine 24 Stunden.
Mittwoch 29.11.2023 – That sound’s like it could be a YouTube Video
Der Morgen startete gut – mein Mobilfunkanbieter hatte mir 50GB kostenloses Datenvolumen geschenkt – ein Traum! Von dem traumhaften gestrigen Sonnenschein war heute dafür nicht mehr viel übrig – ein grauer Wolkenschleier überzog den Himmel. Ich wollte heute auf einen den Montjuic, einen Hügel neben der Stadt laufen. Von dort solle man eine großartige Aussicht über Barcelona haben. Nach hunderten – oder sogar tausenden – Treppenstufen stand ich auf dem ersten Aussichtsplateau. Ein atemberaubender Blick – nur mit Sonne wäre der noch schöner. Ich drehte eine ausgedehnte Runde um die Festung, die den Berg krönte. Von hier sah man auch den Teil Barcelonas, der einem sonst verbogen blieb – ein riesiger Containerhafen. Nachmittags ließ ich mich in demselben Café, das sich schon gestern bewährt hatte, nieder. Ich hatte spontan noch eine neue Nachhilfestunde bekommen. Generell schien Nachhilfe im Moment zu boomen. Während ich vor zwei Wochen noch zwei feste Schüler hatten, waren es inzwischen sechs feste Schüler, die wöchentlich mit zwei Stunden Nachhilfe versorgt werden wollten. Was finanziell mehr Freiheiten bedeutete, schränkte mich zeitlich mehr ein. Nach der Nachhilfestunde machte ich mich auf den Weg zu einem weiteren Couchsurfing Event. Nach einem kurzen Kennenlernen in einem Café, sollte es eine Stadtführung und dann ein gemeinsames Abendessen geben. Nach einer Stunde gutem Austausch mit interessanten Menschen, starten wir mit knapp 18 Reisenden die Stadtführung. Die kürzeste Straße, die schmalste Straße, das angebliche Geburtshaus von Christopher Columbus, Kirchen und historische Grenzen. Die Innenstadt Barcelonas hatte viel zu bieten, was man als unwissender Passant gar nicht als Attraktion wahrnahm. Nach zwei Stunden Stadtführung kehrten wir mit einem Teil der Gruppe in einem Restaurant ein. Ich erzählte von meinen Reiseplänen: „That sounds like it could be a YouTube Video!“. Auf die Frage von Venus, einer jungen Chinesin, ob als blinder Passagier im Koffer mit nach Hongkong zu fliegen, gegen die Regeln verstoße, musste ich nur schmunzeln. Auch durfte ich noch einmal feststellen wie dankbar ich für meine Situation sein konnte – ich war der Einzige in der Gruppe, der bei einem Host und nicht in einem Hostel oder Airbnb untergekommen war. Als ich gegen elf wieder in Richtung Zuhause stapfte, schrieb Jessie mir, dass er noch in einer Bar wäre. Mit einem Bier in der Hand saß auch ich wenig später dort und freute mich langsam aber sicher auf mein Bett. Unter Menschen zu sein, machte unglaublich Spaß, aber es kostete auch Kraft. Als ich im Bett lag hätte ich direkt schlafen gehen können, doch heute war die erste Folge der dritten 7vsWild-Staffel auf YouTube online gegangen – mein Schlaf musste sich also noch anderthalb Stunden gedulden.
Donnerstag 30.11.2023 – Ausgebucht
Kurz nach dem Aufwachen informierte mich Jessie darüber, dass ich heute Nacht zum letzten Mal bei ihm Schlafen könnte – Einer seiner Mitbewohner hatte ein Problem mit zu viel Besuch und begann nun zu protestieren. Normalerweise hätte ich mich dem Host angepasst und wäre schon am Freitag in die nächste Stadt aufgebrochen – von Barcelona hatte ich eh bereits das Meiste gesehen. Doch ich hatte am Freitagabend gleich drei Nachhilfestunden und konnte es somit nicht riskieren an diesem Tag zu trampen. Die letzte Nacht müsste ich also noch einmal im Hostel verbringen. Für heute standen die letzten beiden größeren Sehenswürdigkeiten auf dem Plan: Das Spotify Camp Nou – das Fußballstadion des FC Barcelona – und das Hospital Sant Pau. Zu Ersterem machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Nach knapp einer Stunde Anstrengung, kam dann die Enttäuschung: Das Station war bisher nur eine Baustelle – hätte man auch wissen können. Ich setzte mich einige Minuten auf eine Bank und schrieb Anfragen an Couchsurfing-Hosts in Valencia, meinem nächsten Ziel. Noch während ich weitere Anfragen schrieb, erhielt ich eine Zusage – perfekt! Mit dem Bus fuhr ich weiter zum Hospital. Der Eintrittspreis war mir zu teuer, aber auch schon von außen konnte sich der Gebäudekomplex sehen lassen. Noch hatte ich genügend Zeit bis zu meinen abendlichen Nachhilfestunden. Auf dem Weg in Richtung Strand und ließ mich in einem Park nieder – Babbel, meine Französisch-Lernapp, hatte ich in den letzten Tagen stets vernachlässigt, meinem Wochenziel hing ich knappe sieben Einheiten hinterher – Zeit das aufzuholen. Auf dem Weg in das altbekannte Internet Café, erhielt ich eine weitere Nachhilfeanfrage. Der kleine Bruder einer meiner Schülerinnen bräuchte auch Nachhilfe. Ich lehnte ab – die 12 Stunden wöchentlich schränkten mich zeitlich genug ein und den Punkt an dem zeitliche Einschränkung und finanzielle Freiheit sich ausglichen glaubte ich damit erreicht zu haben. Während meines Unterrichts schrieb Jessie mir – er hatte für den Abend einen Tisch in einer Tapas-Bar reserviert. Kaum war ich zuhause, machte ich mich also wieder zusammen mit Jessie, einem Freund von ihm und Kirill auf den Weg in die Tapas-Bar. Noch immer versuchte Jessie jedes englische Wort zu vermeiden, zumindest Kirill und Jessies Freund sprachen flüssig Englisch. Der Abend war lang und ich fiel todmüde ins Bett.
Freitag 01.12.2023 – Ich WILL einen Adventskalender
Es war wieder einmal an der Zeit meine Sachen zu packen. Zwar würde ich noch eine weitere Nacht in Barcelona verbringen, doch von Jessie musste ich mich schon heute verabschieden. Mit dem großen Rucksack auf dem Rücken machte ich mich auf dem Weg zu einem Hostel – dem günstigsten in Barcelona. Einchecken, könne ich hier erst um halb zwei, aber meinen Rucksack könne ich schonmal abstellen. Mit leichterem Gepäck lief ich dann in Richtung in Strand. Noch immer hing ich mit meinen Französisch-Lektionen dem Wochenziel weit hinterher – also ran da. In einem Supermarkt kaufte ich mir einen Adventskalender – ohne geht einfach nicht – und ergatterte einen alten Pappkarton für meine nächsten Schilder. Das Hostel war um ein vielfaches besser, als das letzte – ich teilte mir mein Zimmer mit nur sechs anderen Gästen und außerhalb des Zimmers gab es massig Gemeinschaftsräume mit Sofas und Tischen. An einem davon ließ ich mich nun nieder und klappte meinen Laptop auf. Mein monatliches Backup war an der Reihe, der Blog musste weitergeschrieben werden und später sollte ich noch drei Nachhilfestunden geben. Nach kurzer Zeit sagten wir zwei der drei Schüler ab. Fast gleichzeitig schrieb Nikolay mich an, und fragte, ob ich Lust hätte ihn zu treffen. Ich gab also meine verbliebene Nachhilfestunde und machte mich dann auf den Weg in die Innenstadt zu Nikolay. Anderthalb Stunden liefen wir gemeinsam durch das nächtliche Barcelona entlang der mit Weihnachtsbeleuchtung nur so übersäten Straßen. Dann ging es ins Bett.
Samstag 02.12.2023 – Schneller als der Blitz
Um halb sieben klingelte mein Wecker – warum mach ich das hier eigentlich noch mal freiwillig? Alle Tramper hatten mich bisher vor Spanien gewarnt – Trampen sei hier extremst schwer. Aufgrund der Warnungen wollte ich früh anfangen. Mit einem Zug und weiteren drei Kilometern Fußmarsch erreichte ich gegen neun eine Tankstelle an der Autobahn. Ich warte und wartete und wartete – nichts. Nach etwa einer Stunde traf ich auf einen Autofahrer, der tatsächlich direkt nach Valencia fuhr. Auf meine Mitfahranfrage, antwortete er mit „Lass mich fünf Minuten überlegen“. Als der Fahrer nach fünf Minuten, die ich hoffnungsvoll gewartet hatte, wieder aus der Tankstelle kam, stieg er wortlos in sein Auto und fuhr los. Mist! Zehn Minuten später saß ich in einem anderen Auto, dass mich in die nächste größere Stadt auf der Route bringen sollte. Per Google Translate bat ich den Fahrer mich an einer bestimmten Raststätte rauszulassen und erinnerte ihm zehn und fünf Kilometer vorher nochmal. Gerade als wir an der Einfahrt der Raststätte vorbei waren, fragte er dann „Wie viele Kilometer noch?“. Statt an einer großen Autobahntankstelle stand ich nun an einer kleinen Auffahrt. Meine Wartezeit füllte sich mit Wut und Ärgernis über den Fehler. Ich sah mich hier schon mein Zelt aufschlagen, als nach einer Stunde ein Auto anhielt – 60 Kilometer und die Option wieder an eine Raststätte zu kommen. Beim Aussteigen an einer Tankstelle bekam ich sogar noch Datteln und einen Apfel in die Hand gedrückt. Ich stellte mich, mein Schild präsentierend, wieder an die Ausfahrt. Ein Auto fuhr an mir vorbei und deutete auf den mit Gepäck überfüllten Innenraum. Kaum war das Auto weg, fuhr es rückwärts wieder auf die Tankstelle. „Wenn du willst, können wir probieren, ob wir dich noch reingequetscht bekommen.“ Mir mit meinem Rucksack und einer Babyschale inklusive Kind die Rückbank teilend, fuhr ich so die letzten 130 Kilometer nach Valencia und wurde an einer Metrostation abgesetzt. Keine Stunde später, stand ich in dem Wohnzimmer meines Hosts, Carles. Es war noch vor drei – von wegen Spanien ist schwierig. Nachdem Carles mir auf einer zweistündigen Stadtführung, die wichtigsten Dinge gezeigt hatte, ließen wir uns in einer Bar nieder – sogar die Hamburger „Fritz Kola“ gab es hier. Von der Bar wechselnden wir in ein Restaurant und von dem in die nächste Bar. Diesmal gab es „Agua de Valencia“ – einen lokalen Cocktail aus Sekt, Organgensaft, Gin und Wodka. Auf dem Weg nach Hause stießen wir noch auf den Weihnachtsmarkt inklusive Einbahn. Schlafen ging es erst deutlich später – die zweite Folge 7vsWild war online.
Sonntag 03.12.2023 – Wie die Zeit verfliegt
Nach dem Frühstück hatte ich nicht einmal Zeit meine Zähne zu putzen – schon riefen meine Eltern an. Inzwischen war schon der erste Advent – unfassbar. Auch wenn sich all das noch unglaublich weit weg anfühlte, rückten mein Geburtstag, Weihnachten, Sylvester und das Ende meiner ersten Etappe immer näher. Gemeinsam mit meiner Schwester hielten wir den wöchentlichen Familien-FaceTime-Call ab. Weihnachtsgeschenke, ein Bau-Update aus dem Gemeinschaftshaus, Handytarife und Sylvesterplanungen. Meine Mutter beschwerte sich zu meiner Belustigung über den VW Bus, dessen Gangauswahl den kalten Temperaturen wegen von fünf auf eins geschrumpft war. Nichts neues – im letzten Winter war ich auf der Bundesstraße mit „nur“ 60km/h und in der Stadt mit ganzen 60km/h zur Schule gefahren, weil es für die Schaltung zu kalt war. Nach eineinhalb Stunden Telefonat, machte ich mich auf den Weg zur Hillsong Church. In drei Gottesdiensten versammelten sich hier jeweils knapp 120 Menschen zu einer Übertragung der Predigt aus Barcelona. Als ich vom Gottesdienst zurück war, kochte ich mir kurz Nudeln, bevor auf mich zwei Nachhilfe Stunden warteten. Carles hatte inzwischen angefangen seinen Weihnachtsbaum aufzubauen. Nachdem ich meinen Unterricht fertig hatte, half ich ihm den Plastikbaum mit Kugeln, Lametta und Sprühschnee zu verzieren. Nach dem Abendessen versackte ich mit Carles auf dem Sofa vor dem Fernseher. Als Carles im Bett verschwand, motivierte ich mich dann noch die fehlenden Babbel-Einheiten zu machen, um mein Wochenziel dann doch irgendwie noch zu erreichen.
Sehr spannend Dir zu folgen, insbesondere wenn ich manche der Orte kenne.
Du machst auch das schreiben sehr gut und unterhaltsam
Pass auf Dich auf und tolle Erlebnisse weiterhin
Hallo Felix
Herzliche Grüße aus dem Sekretariat des Gymnasium Kronwerk
Ich wünsche dir weiterhin so wundervolle Erlebnisse
Pass auf dich auf und schon mal frohe Weihnachten
Liebe Grüße
Katy Struck