Stefan hat ein YouTube-Video über unsere kleine Expedition gedreht. Sobald das online ist (kann noch einige Wochen dauern), gebe ich euch natürlich Bescheid und teile es mit euch!
Montag 03.11.2025
Nachdem ich das Wochenende über offline war, musste ich heute wieder hinter den Laptop – fünf Nachhilfestunden waren für den Vormittag geplant. Während ich arbeite, bekomme ich eine Nachricht von Stefan, mit dem ich vor einem halben Jahr von Grenada aus nach Trinidad & Tobago gesegelt war. Wir wollten uns treffen und gemeinsam den fünf-tägigen Trail zu den Ruinen der Inka-Stadt „Choquequirao“ bestreiten. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass wir das nächste Woche taten, doch Stefan war auf seinem Weg von der Küste ins Inland zügig vorangekommen und schon jetzt in der Nähe des Ortes, in dem der Trail startete. Kurzerhand plane ich also ein paar Nachhilfestunden um und schaufle mir den Rest der Woche frei – inmitten der Klausurenphase erforderte das ein paar Kompromisse! Meine gesamte Kleidung landet am Nachmittag in der Waschmaschine – während ich auf sie warte, telefoniere ich mit meinen Eltern und komme auch noch ein wenig dazu, an meinem Blog zu tippen.
Dienstag 04.11.2025
Mein Rucksack steht schon gepackt in der Zimmerecke, während ich am Morgen eine Nachhilfestunde nach der anderen gebe. Noch einmal fünf Mathestunden standen heute an – dafür hatte ich danach dann den Rest der Woche frei! Nach der letzten Einheit klappe ich meinen Laptop zu, gehe noch kurz auf dem Markt etwas essen und mache mich dann auf die Suche nach dem Busterminal für die in Richtung Curahuasi fahrenden Busse. Dort wo dieses auf meiner Karte eingezeichnet ist, befindet sich allerdings nur eine Tankstelle und kein Busbahnhof. Ein paar Locals bestätigen mir, dass ich hier falsch sei, und schicken mich an eine andere Adresse. Auf meinem Weg dahin, sammelt mich der besorgte Fahrer eines alten PKWs ein – das Viertel, durch das ich gerade liefe, sei alles andere als sicher. Nachdem ich ihm erklärt habe, wo ich hinwill, bringt er mich zurück zu der Tankstelle – zwar war hier nicht das Terminal, aber früher oder später würde der passende Bus hier vorbeikommen. Eine Stunde warte ich, doch von dem Bus fehlt jede Spur – zumal niemand weiß, wann genau er kommt und was er kosten soll. Auf meiner Karte entdecke ich derweil den Ort, an dem die Collectivos nach Curahuasi abfahren – nur zwei Blocks von meinem Hostel entfernt! Dort scheine ich an der richtigen Adresse zu sein – nach einer halben Stunde haben sich genügend Passagiere gefunden und es geht auf direktem Weg nach Curahuasi. Als ich drei Stunden später Curahuasi erreiche, finde ich Stefan, gerade damit beschäftigt seinen Rucksackinhalt zu sortieren, vor einem Restaurant sitzend. Sechs Monate waren vergangen seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten – es gibt viel zu erzählen! Den Abend über planen wir gemeinsam noch ein wenig die Route für unsere Wanderung – Stefan wollte anstelle des üblichen Weges einen abgelegenen Alternativpfad benutzen – decken uns mit Vorräten ein, und schlagen schließlich unser Nachtlager in einem kleinen Pavillon mitten auf dem „Plaza de Armas“ auf.
Mittwoch 05.11.2025
Früh quälen wir uns aus unseren Schlafsäcken und kaufen noch die letzten Lebensmittelreserven. Der alternative Trail, den wir nehmen wollten, sollte den wenigen über ihn existierenden Berichten zufolge nicht allzu gut in Schuss sein – sicherheitshalber besorgten wir uns also auch noch eine Machete. Okay, zugegebenermaßen machte die auch einfach optisch was her! Mit einer Machete durch den Dschungel laufen – wer hat davon als Kind nicht geträumt?! Hochmotiviert positionieren wir uns an der Straße und versuchen uns am Trampen – mit mittelmäßigem Erfolg: Als wir auch nach zwei Stunden nicht weitergekommen sind, nehmen wir zumindest bis zur ersten großen Kreuzung ein Taxi. Von der Kreuzung aus führt nur noch eine schmale Schotterstraße in Richtung unseres Zielortes. Bis zwölf Uhr sitzen wir im Schatten eines Baumes, doch nicht ein einziges Auto fährt in die Richtung, in die wir wollen. Dem Ratschlag einiger Locals folgend steigen wir schließlich in Collectivo nach Abancay – ein ziemlicher Umweg, doch von dort soll es direkte Collectivos zu unserem Zielort geben. Kaum sind unsere Rucksäcke auf dem Dach festgezurrt und wir auf die Rückbank gequetscht, biegt ein Lastwagen in die Schotterstraße ein. Mist! Von Abancay gibt es tatsächlich eine direkte Verbindung nach Kiuñalla – so schaffen wir es nach guten vier Stunden, die wir unnötig umhergegurkt waren, um 17 Uhr schließlich doch noch an den Trailhead. Keine Zeit verlieren – auf geht’s! Der Weg führt in Serpentinen steil bergab und bietet dabei einen atemberaubenden Ausblick über den Apurimac-Canyon. Bei dem Gedanken, dass wir morgen auf der anderen Seite des Canyons wieder hochlaufen müssten, wird mir allerdings jetzt schon schlecht! Schon bald verschwindet die Sonne hinter den Bergen und es wird Dunkel. Für uns keine Ausrede – wir sind motiviert es trotz unseres späten Startes noch bis an den Fluss zu schaffen. Zwei Stunden lang laufen wir nach Sonnenuntergang im Schein unserer Stirnlampen im Zickzack den Berg hinab bis das Rauschen des Flusses irgendwann immer lauter wird und die Überreste einer verlassenen Campsite in der Dunkelheit auftauchen. Hinter dem einstigen Bar-Tresen breiten wir unsere Isomatten aus, kochen noch schnell etwas und fallen dann in einen tiefen Schlaf.
Donnerstag 06.11.2025
Ich bin schon früh wach und nutze die Zeit, um bereits einige Liter des Flusswassers zu filtern, denn auf dem gesamten heutigen Weg gäbe es keine weiteren Wasserquellen. Als auch Stefan wach ist, kochen wir uns ein paar Haferflocken zum Frühstück und gehen dann eine Runde im Fluss baden. Obwohl es noch früh am Tage ist, knallt die Sonne bereits richtig! Über eine wacklige Hängebrücke, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hat, geht es über den Fluss. Nur noch sechs Kilometer sind es bis zu den Inka-Ruinen – wenn man die 1.500 zu überwindenden Höhenmeter wegließe, hätte das Ganze eine richtig schöne Wanderung werden können. Doch die Realität war, dass es so steil wie es gestern heruntergegangen war nun wieder nach oben ging. Der Weg besteht aus losem Geröll und führt ohne jegliche Sicherung an dem steil abfallenden Hang entlang. Hin und wieder finden wir die rostigen, zerfallenen Fragmente von Geländern und Betonstegen, die den Trail einst gesichert haben müssen. Als wir, erschöpft von dem steilen Aufstieg in der prallen Sonne, schon bald unsere erste Pause einlegen, müssen wir resigniert feststellen, dass wir erst einen winzigen Bruchteil der Strecke geschafft hatten – und der Weg versprach in keiner Weise einfacher zu werden! Kurve um Kurve, Serpentine um Serpentine geht es weiter in die Höhe. Die Pausen mehren sich und auch das Wasser in unseren Flaschen wird bedrohlich schnell weniger. Vollkommen entkräftet erreichen wir um halb zwei eine Weggabelung, an der wir eine längere Mittagspause einlegen. Auf ein warmes Mittagessen entscheiden wir uns zu verzichten – unser Wasser war schon so knapp, fürs Kochen war nichts mehr übrig! Stattdessen gibt es eine Dose in Tomatensauce eingelegter Sardinen. Gerade als wir wieder aufbrechen, sticht mich etwas in die Achsel; nur einen Augenblick später entdeckt Stefan auf meinem T-Shirt ein Tier, das verdächtig stark wie ein ein Skorpion aussieht. Ich bekomme ein mulmiges Gefühl im Magen – hatte mich gerade wirklich ein Skorpion gestochen? Waren die nicht tödlich?! Gabs Skorpione nicht nur in der Wüste? Schnell verwerfe ich den Gedanken wieder – das war bestimmt nur ein harmloses Insekt! – und wir laufen weiter. Viel anderes bleibt uns zugegebenermaßen auch nicht übrig: Empfang gab es hier nicht und andere Wanderer hatten wir auch noch keine getroffen – wir waren vollkommen auf uns allein gestellt. Drei weitere Stunden geht es steil immer weiter nach oben, dann wird der Wanderweg langsam flacher und wir erreichen – pünktlich zu Sonnenuntergang – die Campsite. Hier gibt es auch endlich wieder eine Wasserquelle. Als wir unsere Zelte aufbauen wollen, stellt Stefan fest, dass sein Zeltgestänge fehlt – es musste auf einer der gestiegenen Collectivo-Fahrten vom Dach gefallen sein. Ärgerlich! Zum Glück ist mein Zelt eigentlich ein Zwei-Personen-Zelt und so quetschen wir uns dort zu zweit rein. Kochen müssen wir nichtmehr – der Koch der geführten Tour, mit der wir uns den Campingplatz teilen, versorgt uns.
Freitag 07.11.2025
Um 04:30 Uhr klingelt unser Wecker. Nachdem wir es gestern nicht mehr zu Sonnenuntergang nach Choquequirao geschafft hatten, wollten wir zumindest den Sonnenaufgang dort erleben. Von der Campsite sind es noch gute 20 Minuten Wanderung, bis wir die ersten Ruinen der Inka-Stadt erreichen. Choquequirao – die kleine Schwester des weltberühmten Machu Picchu! Wenn man es genau nimmt, müsste Choquequirao dabei eher der große Bruder sein, denn die Stätte ist fast anderthalb Mal so groß. Auf mehr als 18 Quadratkilometern verteilen sich ihre Ruinen; bisher sind allerdings erst etwa 30% davon ausgegraben – der größte Teil versteckt sich für den Besucher unsichtbar im Dickicht des Dschungels. Ein paar Haferflocken zum Frühstück kochend, sitzen wir auf einer der Steinmauern während Stefan die Ruine mit seiner Drohne überfliegt. Innerhalb von Minuten kommt ein schimpfender Ranger an – Drohne fliegen sei hier strengstens verboten! Am Haupteingang stehe ein großes Schild, nur waren wir auf unserem alternativen Pfad nie an diesem vorbeigekommen. Der Ranger zeigt Verständnis, kassiert die Drohne aber vorerst ein. Den ganzen Vormittag über erkunden wir die weitläufige Ausgrabungsstätte. Zum Schluss steigen wir noch zu den Lama-Terrassen, einer Gruppe von steilen Inka-Terrassen, in deren Mauern Mosaike von Lamas eingearbeitet waren. Als ich schnaufend von der einige hundert Höhenmeter unterhalb der restlichen Ruinen gelegenen Attraktion zurückkommen, stehen zwei Polizisten mit einer Drohne in der Hand auf dem zentralen Platz der Ausgrabungsstätte. Schnell zähle ich eins uns eins zusammen, drehe um und warne Stefan, der etwas hinter mir war, vor. Schlussendlich stellt sich aber heraus, dass die Polizisten nicht seinetwegen da waren – er bekommt seine Drohne ohne weitere Konsequenzen zurück. Zurück auf dem Campingplatz kochen wir uns zum Mittag Thunfisch-Nudeln und dösen anschließend ein wenig in der Sonne. Dann wird das Zelt eingepackt und wir machen uns auf den Rückweg in Richtung Zivilisation – diesmal auf dem klassischen Trail. Dieser ist deutlich besser ausgebaut, regelmäßig gibt es Bänke zum Pause machen, Wasserquellen und bewirtschaftete Campingplätze. Nach einiger Zeit treffen wir sogar auf ein kleines Dorf und gönnen uns dort eine kalte Cola. Kaum haben wir das Dorf hinter uns gelassen ziehen von allen Seiten dunkle Gewitterwolken auf. Wir ziehen das Tempo an und halten Ausschau nach einer einigermaßen zum Campieren geeigneten Fläche, doch werden nicht wirklich fündig. Als die Wolken und die Blitze immer näherkommen, nehmen wir, was wir haben und stellen das Zelt mit deutlicher Neigung an den Wegrand. Eine gute Entscheidung, denn nur Minuten später beginnt es wie aus Eimern zu schütten. Mit „Schiffe versenken“ und „Tic-Tac-Toe“ vertreiben wir uns die Zeit, bis wir schließlich einschlafen.
Samstag 08.11.2025
Stefan war über Nacht krank geworden, ihn plagten Übelkeit und Durchfall, und auch ich hatte – vermutlich aufgrund dessen, dass wir unser Zelt auf einer etwa 20° geneigten Fläche aufgebaut hatten – nicht sonderlich viel Schlaf abbekommen. Nur langsam kommen wir am Morgen in die Hufe – immerhin geht es bergab! Immer weiter geht es Kurve um Kurve nach unten. Die Sonne brennt, es ist deutlich heißer als an den vergangenen Tagen. Der Abstieg fühlt sich endlos an, nur langsam kommt der Fluss, der uns im Tal erwartet, näher. Um elf erreichen wir schließlich den Fluss – Zeit für eine großzügige Pause. Auch auf diesem Trail, befindet sich am Fluss eine verlassene Campsite. Wir lassen uns auf der schattigen Veranda eines der leerstehenden Gebäude nieder. Während ich mir etwas zum Mittag koche – Stefan hat keinen Appetit –, legt Stefan einen Powernap ein und ist fast zwei Stunden weg. Um wieder wach zu werden hilft nur eines: Ein Bad im Fluss. Das eiskalte Wasser bringt den Elan zurück – man fühlt sich wie neu geboren! Die neue Energie brauchen wir auch, denn ab nun geht es wieder bergauf. Ganz langsam geht es weiter – Hauptsache in Bewegung bleiben, denn, sobald man steht, fallen Massen von Moskitos über einen her. Kurz vor unserem gesteckten Ziel treffen wir auf einen kleinen Laden der Mandarinen und frischen Orangensaft verkauft – eine willkommene Abwechslung nach vier Tagen Nudeln & Keksen! Nur ein paar hundert Meter weiter finden wir eine ebene Stelle und schlagen dort unser Lager auf. Obwohl Stefan kränkelte, unsere letzte Nacht bescheiden war und die Hitze den ganzen Tag über brütete, hatten wir zehn Kilometer, 1250 Höhenmeter im Abstieg und 800 Höhenmeter im Anstieg geschafft – wer hätte das heute Morgen gedacht! Nachdem das Zelt zu ist, begutachte ich meine Beine, die mit hunderten juckenden Stichen übersät sind. Aber so fertig, wie ich bin, halten auch die mich nicht davon ab auf der Stelle einzuschlafen.
Sonntag 09.11.2025
Da wir uns gestern so ins Zeug gelegt hatten, standen uns heute nur noch die letzten 4,5 Kilometer bevor – allerdings mit noch einmal 1200 Höhenmetern. Es ist angenehm kühl, die Landschaft ist in Nebel gehüllt. Die Beine tun inzwischen ein wenig weh, doch die Gedanken an ein Hotelzimmer und eine warme Dusche treiben uns an – und die Aussicht tut ihr Übriges. Nach zwei Stunden stehen wir vor dem letzten großen Anstieg. Am Ende jeder Serpentine legen wir eine kurze Pause ein. Acht Mal geht das so, bis wir schließlich oben sind. Es ist geschafft: Das Hotel, das das Ende des Trails markiert, ist in Sicht. Ein freundlicher Mann mit seiner Tochter, nimmt uns – trotz unseres leicht strengen Geruchs – vom Parkplatz des Hotels in das nächste Dorf mit. Von dort geht es mit einem Collectivo an die Hauptstraße und in einem großen Lastwagen nach Curahuasi. In Curahuasi buchen wir uns für die kommenden drei Nächte erstmal in ein Hotelzimmer ein. Eine warme Dusche, frische Klamotten, dann lege ich mich aufs weiche Bett und versinke im Internet.
Stefan hat ein YouTube-Video über unsere kleine Expedition gedreht. Sobald das online ist (kann noch einige Wochen dauern), gebe ich euch natürlich Bescheid und teile es mit euch!































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