Montag 18.11.2024 – Tavern of the Seas
Am frühen Morgen mache ich mich mit dem Bus auf den Weg zu einem Arzttermin in die Waterfront. Nach über einem Jahr unterwegs hatte ich beschlossen, dass es nicht schaden könne, mich mal wieder einem Gesundheits-Check-Up zu unterziehen. Nach einer Stunde Untersuchung durch den Kooperationsarzt des deutschen Generalkonsulats gehe ich mit der Diagnose „kerngesund“ aus der Praxis und mache mich auf den Weg in den Stadtteil Bo-Kaap – ein Viertel Kapstadts, dass für seine bunten Häuser bekannt ist. Vor der Kulisse des Tafelberges reiht sich hier ein vollständig in Neonfarben gestrichenes Haus an das Nächste. Nach ein paar Erinnerungsfotos laufe ich dann weiter zum Royal Cape Yacht Club. Vergangenes Wochenende hatte ich mit dem bei einer Crewvermittlung für Yachten arbeitenden Sohn der älteren Dame, die wir in Hout Bay getroffen hatten, telefoniert. Er hatte mir erzählt, dass ich in den Yachtclub wohl ganz einfach reinkäme „Du musst dich nur als Besucher anmelden“ und mir empfohlen mich auf den Hafen in Kapstadt zu konzentrieren – „von dort fahren die meisten Boote über den Atlantik“. Tatsächlich bekomme ich im Yachtclub ohne viel Aufwand ein „Visitor“-Schild und darf dann rein. Mit einem Milkshake setzte ich mich in die „Tavern of the Seas“, das Restaurant des Yachtclubs und schreibe dort etwas an meinem Blog. Leider hat der ziemlich leere Club mehr Edel-Restaurant und weniger Tavernen-Charakter. Die Tische stehen weit auseinander, man ist unter Dauerbeobachtung der Bedienungen – Wie soll ich denn so Menschen kennenlernen?! Nach zweieinhalb Stunden gehe ich – das ist vergeudete Zeit. Am Abend gebe ich noch eine Nachhilfestunde, bevor ich mich dann schlafen lege.
Dienstag 19.11.2024 – Durchhänger
Nach der gestiegen Erfahrung im Segelclub hält sich meine Motivation, heute gleich wieder in die Stadt zu fahren und dem Hafen einen Besuch abzustatten in überschaubaren Grenzen. Ich bleibe also zuhause und widme mich einigen Dingen, die ich noch zu erledigen habe. Erst eine weitere Mail an den Support meines Zeltherstellers schicken, dann meinen Ebenfalls auf Reparatur wartenden Rucksack begutachten. Zu meiner Überraschung lassen sich die Alu-Stäbe des Tragesystems ganz einfach aus der Rückenplatte entfernen und durch neue ersetzten. Den restlichen Tag gammle ich vor mich hin und zerbreche mir den Kopf darüber wie ich in der Marina Kontakte knüpfen könnte. Fakt war: Nur im Restaurant des Yachtclubs zu sitzen brachte mich kein Stück weiter – Ich müsste irgendwie auf die Stege, dorthin, wo die Boote waren.
Mittwoch 20.11.2024 – Schistosomiasis
Zuversichtlich mache ich mich ein weiteres Mal auf den Weg zum Kapstädter Yachtclub – ich hoffe mich nach meinem Restaurantbesuch auf die Stege der Marina schmuggeln zu können, um dort dann in Kontakt mit Seglern zu kommen. Alle meine Hoffnungen schwinden allerdings wieder, als ich vor der Rezeptionisten stehe, die mich wie Kreuzverhör ausfragt, was ich genau im Yachtclub vorhätte, und mich ausdrücklich darauf hinweist, dass ich ohne die Begleitung eines Clubmitglieds nur in den Bistrobereich und nicht zu den Booten dürfte. Entsprechend kurz fällt mein Besuch in dem Club aus – ich trinke nur etwas und gehe dann wieder. So wird das nichts! Auf dem Rückweg aus der Stadt halte ich in Century City an – einem Bezirk vom Kapstadt, in dem es von riesigen Malls und Shoppingzentren nur so wimmelt. Aus dem Busfenster heraus hatte ich hier immer wieder ein „Adidas Outlet“ Werbeschild gesehen, dass mich hoffen ließ meine Suche nach neunen Schuhen hier vielleicht erfolgreich zu einem Ergebnis führen zu können. Tatsächlich befindet sich in dem Shoppingcenter ein Outlet-Store des deutschen Sportartikelherstellers. Sogar ein paar meiner geliebten Ultraboost-Schuhe hat man hier noch auf Lager, doch ich kann der Versuchung wiederstehen und entscheide mich – Mama zur Liebe – für ein Paar mit etwas mehr Profil unter der Sohle: Trailrunning-Schuhe in gewöhnungsbedürftigen Farbe – doch mal ganz ehrlich: Es wäre eh nur eine Frage der Zeit bis die Schuhe wieder schlammbraun strahlen würden. Als ich zurück zu Hause am späten Nachmittag meinen Posteingang checke, lese ich eine beunruhigende Nachricht. Der Arzt hatte in dem mir am Montag abgenommenen Blut, Bilharzia-Antikörper nachgewiesen. Die auch unter dem wundervollen Namen Schistosomiasis geläufige Tropenkrankheit wird hauptsächlich in Westafrika über den Kontakt mit infiziertem Süßwasser übertragen. Durch die Haut gelangen Pärchenegel-Larven in den Körper und wachsen dann in den Venen zu erwachsenen bis zu zwei Zentimeter (!!!) langen Egeln heran – schon bei der Vorstellung läuft es mir kalt den Rücken runter. Zum Glück lässt sich die parasitäre Infektion leicht behandeln. Schnell laufe ich zur Apotheke, um mir dort das entsprechende Medikament zu holen – doch weder in der ersten noch in der zweiten Apotheke werde ich erfolgreich. „Die Tabletten wirst du in ganz Südafrika nirgends finden; das Medikament ist seit Monaten nicht mehr lieferbar“ erklärt mir der Apotheker verständnisvoll. Super, und was mach ich jetzt?!
Donnerstag 21.11.2024 – How to Hitchhike a Sailboat
Inzwischen hat mir auch der Arzt, dem ich gestern Abend noch eine Mail geschrieben hatte, bestätigt, dass es in Südafrika im Moment keine Bilharzia-Medikamente gäbe. Wenn ich meinen neuen wurmigen Mitbewohnern also nicht noch bis Südamerika Unterschlupf gewähren wollen würde, dann bestünde meine einzige Möglichkeit darin, mir das Medikament per Expressversand aus Deutschland zuschicken zu lassen. Internationale Pakete? Medikamente? Zeitnah? – das kann doch nur schiefgehen. Nach meinem gestrigen Rückschlag im Yachtclub hält sich meine Motivation heute erneut auf Bootssuche zu gehen in Grenzen. Vielleicht ist Segelboot-Trampen einfach eine Liga zu hoch für mich? Verträumt scrolle ich durch Berichte von Leuten, denen es einst gelungen war ein Segelboot zu finden, und Berichte von Yachtbesitzern, die erläuterten, warum die Vorstellung einfach auf einem Segelboot mit über den Ozean segeln zu können, vollkommen absurd sei. In einem Guide mit dem Titel „How to Hitchhike a Sailboat” finde ich einen Link zu einer mir bisher noch unbekannten Crew-Vermittlungs-Plattform. Tatsache flimmern – anders als bei allen anderen Plattformen, die ich ausprobiert hatte – auch nachdem ich die Filter „Abfahrtsort: Südafrika“ und „Zeitrahmen: ab 12/24“ eigestellt habe noch eine Handvoll Crew suchende Boote auf meinem Bildschirm auf. Nachdem ich einige der Annoncen durchgeklickt habe, ist jedoch recht schnell klar, dass auch hier die Bootssuche kein Zuckerschlecken wäre. Zu wenig Segelerfahrung, falsches Geschlecht, falsches Alter, falsche Saison, zu niedriges Budget – bei jeder der sechs Anzeigen scheitert es an irgendeinem der verlangten Kriterien.
Freitag 22.11.2024 – Schon wieder Freitag?
Schon wieder ist es Freitag und schon wieder ist mein Blog noch nicht fertig. Also, die grauen Zellen anstrengen um irgendwie zu rekonstruieren, was ich in der vergangenen Woche gemacht hatte. Wenn man dauerhaft unterwegs ist, ist das wesentlich einfacher, als nun, wo ich schon wieder fast zwei Wochen an einem Ort war und die Tage ineinander verschwimmen. Wie soll ich nur jemals wieder sesshaft werden, wenn mir schon nach eineinhalb Wochen die Decke auf den Kopf fällt? Eigentlich mangelte es ja nicht an Aktivitäten – ich hatte bisher kaum etwas von Kapstadt gesehen, war weder auf dem Tafelberg noch am Cape Point gewesen. Nachdem ich den Blog also endlich fertig geschrieben habe, setzte ich mich daran, die nächste Woche ein bisschen zu planen, um touristische Aktivitäten, Bootssuche, Nachhilfestunden, und die verbleibenden ToDos unter einen Hut zu bekommen. Die orange leuchtenden Wolken deuten am Abend an, dass der heutige Sonnenuntergang besonders schön werden könnte. Schnell springen Monika, Toni und Ich also ins Auto und fahren auf einen nahegelegenen Hügel, um von dort den Sonnenuntergang über Kapstadt zu beobachten.
Samstag 23.11.2024 – Traumstrände
Bei den Crewgesuchen, die ich vorgestern auf der Online-Plattform entdeckt hatte, war auch eines dabei gewesen bei dem entsprechende Boot im Hafen in Hout Bay lag und als Abfahrtszeitunkt der 24.11. angegeben war – ich müsste unbedingt nach Hout Bay. Motiviert mache ich also am frühen Morgen mit dem Bus auf den Weg in die Stadt. Dort kaufe ich mir eine MyCity-Connect-Karte, mit der sich das innerstädtische Busnetzwerk Kapstadts benutzen lässt, und lade diese an einem Kiosk – nachdem ich bei dem Versuch Sie an einem Automaten aufzuladen, die Karte gesperrt habe – auf. Eineinhalb Stunden später hält mein Bus in Hout Bay. Zügig mache ich mich auf den Weg in Richtung Hafen. Das Tor am Eingang der Marina ist heute zu, doch ich finde eine Klingel, die ich einfach mal ausprobiere. Der Mann der mir das Tor öffnet, versteht erst nicht genau, was ich möchte, lässt mich dann aber rein und stellt mich einem der Segler vor. Der wiederum erklärt mir, dass er nur von einem Boot wüsste, dass diese Saison den Atlantik überquert, dessen Eigner aber gerade noch im Urlaub sein. Wir tauschen Telefonnummern aus und der sympathische Segler, lädt mich ein mich auf den Stegen umzugucken. Das Boot das ich online gesehen hatte finde ich nicht und auch ansonsten ist in der Marina tote Hose. Dennoch mache ich mich zufrieden auf den Rückweg zum Bus: Ich hatte mehr erreicht als ich im Kapstädter Yachtclub in drei Besuchen erreicht hatte. Auf dem Rückweg halte ich mit dem Bus in Camps Bay an. Der dortige Strand ist ein wahrer Traumstand. Weißer Sand, blaues Wasser, gelbe Sonnenschirmchen und im Hintergrund die zwölf Apostel – eine aus 12 Gipfeln bestehende Bergkette – eine Kulisse auf Postkartenniveau.
Sonntag 24.11.2024 – Planetshakers
Nach einem gemütlichen Frühstück auf der Terrasse machen wir uns auf den Weg zur Stadtmission. Der deutsche Gottesdienst in der Stadtmission, ähnelt in vielen Punkten dem Gemeindeleben, dass ich von zuhause kenne. Doch, so sehr mir das gefiel, wollte ich in Kapstadt auch einmal wieder die Chance ergreifen und über den Tellerrand gucken – denn an einer breit gestreuten Auswahl englischsprachiger Kirchen, mangelte es hier definitiv nicht. Immer, wenn ich in den letzten Tagen mit dem Bus in die Stadt gefahren war, fiel mir im Vorbeifahren ein Gebäude mit dem Schriftzug „Planetshakers“ ins Auge … irgendwie sagte mir das etwas – nur was? Eine Google-Suche später war klar, woher mir der Name bekannt vorkam: Planetshakers ist eine christliche Megachurch aus Australien, die – ähnlich wie Hillsong – hauptsächlich für Ihre Worship-Musik bekannt ist. Da ich heute Nachmittag nichts anderes vorhabe, beschließe ich also nach dem morgendlichen Gottesdienst in der Stadtmission einen der Gottesdienste der Planetshakers Church zu besuchen und mir einen Eindruck von der Kirche zu verschaffen. Bass-lastige Musik und ein LED-Bühnenhintergrund auf dem grelle Animationen aufflackern prägen das Bild des Gottesdienstes, der vor allem von jungen farbigen Menschen besucht wird. Stimmungstechnisch fühle ich mich in der nur ein paar hundert Meter entfernten Hillsong-Church, dann glaube ich aber doch wohler. Mit einem Uber mache ich mich zurück auf den Weg nach Hause, wo ich dann am Abend mit meiner Familie telefoniere.
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