Montag 25.03.2024 – Bissau
Bissau – Nachdem ich nun bereits meinen dritten Aufenthalt in der Hauptstadt des kleinen Portugiesisch sprachigen Landes habe, will ich mir die Stadt endlich einmal näher angucken. Am Morgen drehe ich also eine Runde durch die Altstadt. Alte Bauten im portugiesischen Stil zieren die Straßenränder. Auf den Straßen herrscht – trotz den hohen Temperaturen – überall Leben: Kleine Straßenstände, nervenaufreibende Geldwechsler und in bunten Trachten gekleidete Frauen. Obwohl auch Bissau nicht viel an Sehenswürdigkeiten – abgesehenen von einem großen Monument auf einem Kreisel vor dem Präsidentenpalast – wirkt es durch die Menschen in den Straßen, komplett anders als das ausgestorbene Nouakchott. Eine weitere Sache, die in Bissau auffällt, sind die unzähligen NGOs, die hier anzutreffen sind. UN, WHO, Ärzte ohne Grenzen, … keine der großen NGOs ist in Bissau nicht zu finden. Sobald die Sonne etwas höher steht, wird es draußen unerträglich heiß. Den ganzen Nachmittag sitzen also alle im Aufenthaltsraum des Hostels und lassen sich von Ventilatoren etwas kühle Luft um die Ohren pusten. Am Abend mache ich mich mit Christian, dem deutschen Fahrradfahrer, noch einmal auf den Weg in die Stadt – wir sind auf der Suche nach einem Supermarkt. Der hat allerdings schon zu und so bleibt uns nichts anderes übrig als uns in einer kleinen Bar niederzulassen. Da die meisten Gespräche auf meiner Weltreise – Schuld daran ist die Sprachbarriere – eher beim Smalltalk bleiben, tut es unglaublich gut mal wieder eine Unterhaltung zu führen, die unter die Oberfläche geht – Gesprächsstoff dafür haben wir beide genug. Fördernd kommt dazu, dass unsere Erinnerung an unsere Bestellung, nicht als Erinnerung, sondern als weitere Bestellung gewertet wird – so stehen auf einmal ein paar Flaschen Bier mehr auf dem Tisch, als wir eigentlich geplant hatten.
Mein Plan für die Woche – nicht das was du denkst
Die Termin für die Silberhochzeit meiner Eltern stand schon lange fest – so Pi mal Daumen 25 Jahre. Jeder, der rechnen konnte, hatte sich also ausmalen können, dass ich mich zu diesem Termin irgendwo in der Weltgeschichte umhertreiben würde. Das glaubte zumindest jeder – nur ich nicht. Schon lange vor Begin der Weltreise sprach ich die Idee, ohne das Wissen meiner Eltern nach Deutschland zu kommen und sie auf ihrer Silberhochzeit zu überraschen, das erste Mal aus – natürlich nur gegenüber Leuten die meine Eltern nicht kannten. Zeit verfliegt schnell und so kam der Termin der Silberhochzeit immer näher. Ich saß gerade in Fés in meinem Hostel, da erreichte mich eine Nachricht von Bunny, einer guten Freundin meiner Mutter „Ich hab da so ein Hirngespinst …“. Nach ein bisschen Abwägen entschied ich mich Bunny in meine Pläne einzuweihen und konnte von da an auf eine Komplizin, mit der man Pferde stehlen kann, zählen. Die nächste nicht ganz leichte Entscheidung war dann die Flugbuchung. Von wo fliege ich? Mein ursprünglicher Plan war von Conakry, der Hauptstadt Guineas, zu fliegen, doch inzwischen hatte ich Zweifel, ob ich es rechtzeitig dorthin schaffen würde – und wenn ich Eins beim Reisen nicht wollte, dann war es Stress. Die Entscheidung fiel also auf Bissau und der Flug wurde gebucht. Seit Wochen kommunizierte ich nun unterm Radar mit Bunny. Mails wurden nur an bestimmte E-Mail-Adressen geschickt, Buchungen liefen nicht über mein Konto – wir mussten alles was Verdacht schöpfen könnte ausschließen. Derweil passte ich meine Route immer wieder an und fügte einige ursprünglich gar nicht geplante Zwischenstopps hinzu, damit ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein würde. Und nun, nun ist es soweit. Am Donnerstag würde ich nach sechs Monaten auf Weltreise still und heimlich nach Deutschland zurückkehren und hoffentlich dafür sorgen das meinen Eltern ganz schön die Kinnlade runterfällt …
Dienstag 26.03.2024 – Mango Season has started
In Deutschland haben die Ferien begonnen. Für mich bedeutet das, dass ich jetzt auch am Morgen Nachhilfestunden geben kann – meinen Tag beginne ich also mit drei Mathestunden. Gemeinsam mit Christian mache ich mich gegen Mittag auf den Weg zu einer kleinen Markthalle – die Mango-Saison hat begonnen. Etwas speziell ist auf den Märkten, dass es kein Wechselgeld gibt. Bedeutet: Wenn man gerne 2 Kilo Mangos hätte (4000 CFA – 6,10€), aber nur einen 5000 Franc Schein hat, dann bekommt man anstatt 1000 Franc Wechselgeld einfach noch ein paar Mangos obendrauf, ein paar Cashew-Nüsse, oder irgendetwas anderes, was der Stand noch anbietet – auch eine Art zu verhandeln. Mit Mangos satt geht es also zurück ins kühle Hostel – mhh. Mit vollen Bauch, beginne ich dann meine Wäsche zu waschen – wie schön, wenn das nächste Woche in Deutschland wieder die Waschmaschine übernimmt. Wenn man auf eine Silberhochzeit geht, dann muss man auch ordentlich aussehen. Das ich underdressed bin – ich habe in meinem Rucksack zufälliger Weise keine Abendgarderobe dabei – wird sich wohl kaum verhindern lassen, aber zumindest zum Friseur möchte ich vorher noch einmal. Auf kleinem Markt werde ich fündig: Eine halbe Stunde tobt sich der Friseur – scheinbar stolz die Haare eines Weißen zu schneiden – an meinen Haaren aus. Eine Schere braucht er dafür nicht – das geht alles mit der Maschine. Aus den erwünschten zwei Zentimetern wird eher ein halber, aber bei einem Preis von 1000 Franc (1,52€) kann man da nix sagen. Am Abend kochen ich und Christian gemeinsam – er wird sich morgen auf den Weg in Richtung Guinea machen.
Mittwoch 27.03.2024 – Auf heißen Kohlen
Mein letzter Tag in Afrika bricht an. Also noch schnell die letzten Dinge erledigen. Da wäre mein Handystandort, den ich irgendwie gefälscht bekommen müsste – sonst sieht ja jeder, dass ich nach Deutschland fliege. Mit spezieller Software überschreibe ich also das GPS-Signal meines Handys, sodass es sich unabhängig von meiner echten Position nicht mehr aus dem Hostel wegbewegt. Der kleine Haken ist, dass das Ganze nur funktioniert, solange mein Handy mit meinem Laptop verbunden ist – Mist! Am Ende bleibt mir nichts anderes übrig als die gesamten Standortdienste meines Smartphones auszuschalten und zu hoffen, dass niemand danach guckt – oder man sich mit der Meldung „Position konnte nicht gefunden wurden werden“ zufrieden gibt. Nächstes ToDo ist das Aufnehmen einer Videobotschaft. Die ersten Minuten soll es so wirken als ob ich – so wie es jeder erwartet – ganz normal in Bissau wäre und meine Glückwünsche mittels eines kurzen Videos in die Veranstaltung einfließen lasse. Als das Video im Kasten ist bleibt mir nichts anderes mehr übrig als zu warten – heute Abend würde ich zum Flughafen fahren. Ich packe meine Sachen und suche schonmal eine lange Hose heraus – in Frankfurt sollen unter zehn Grad sein. Die Tatsache das aus unbekannten Gründen das Mobilfunknetz in Bissau heute nicht zu funktionieren scheint, macht diese Wartezeit nicht unbedingt erträglicher. Gegen Elf steige ich dann in ein Taxi – Wie war das noch mit dem Vorsatz? – und lasse mich zum kleinen Flughafen bringen. Der Eingang in den kleinen Flughafen wird von zwei Beamte und einer Metallkette gesichert. Im Gebäude wartet dann die Sicherheitskontrolle. Die sonst üblichen Scanner gibt es nicht, stattdessen wird mein Rucksack ausgepackt. Jede der Taschen im Hauptfach wird einzeln auseinander genommen, Klamotten durchwühlt, Laptoptaschen geöffnet. Allerding immer nur im Hauptfach, für das Deckel- oder Bodenfach interessiert sich keiner.
Donnertag 28.03.2024 – Take off
An einem drei Schalter, selbstverständlich alle für den einen, den einzigen, Flug, checke ich ein, gebe mein Gepäck ab und döse dann noch knappe drei Stunden auf einer Bank vor mich hin, bis endlich das Boarding beginnt. Mit einer guten halben Stunde Verspätung rollt die Boing dann auf die Startbahn und hebt ab. Vierstunden später lande ich – die Sonne ist gerade aufgegangen – in Casablanca. Ein Flughafen, so wie man Flughäfen kennt: Englische Beschilderung, lange Laufwege, Sicherheitskontrollen, Food-Courts. In letzterem lasse ich mich direkt von den Versuchungen der westlichen Welt verführen und bestelle mir einen Starbucks-Kaffee. Kurz nach eins müsste dann das Boarding der nach Frankfurt fliegenden Maschine beginnen doch, nichts regt sich. Wären da nicht hunderte weitere deutschsprachige Menschen gewesen, hätte ich fast gezweifelt am richtigen Schalter zu stehen, doch so gab es keinen Zweifel. Eine Stunde zu spät hebt das Flugzeug in Casablanca ab und bringt mich dann endlich auf heimischen Boden – Deutschland. Vollautomatisiert geht es durch die Passkontrolle, mein Handy verbindet sich mit dem öffentlichen WLAN und zu meiner Beruhigung entdecke ich auch meinen Rucksack vollständig und unversehrt auf dem Gepäckband. Es ist ein komisches Gefühl – nicht nur, wieder in Deutschland zu sein, sondern gerade die Tatsache, dass abgesehen von Bunny nicht eine einzige Person weiß, dass ich hier und nicht in Bissau bin. Sechs Stunden warte ich einen Film guckend bei McDonalds und stelle mir vor wie es wohl sein wird, wieder zuhause zu sein. Wie reagieren die Menschen? Wie reagiere ich? Was hat sich dort verändert? Wie habe ich mich verändert? Wird unsere Überraschung gelingen … oder traut man mir eine derartige Aktion vielleicht doch zu? Zur weiteren Verschleierung poste ich erstmal noch ein paar Alibi-Fotos aus Bissau. Um kurz nach elf mache ich mich auf den Weg zu Terminal 1, suche dort nach dem Fernbusbahnhof und steige dort in den FlixBus, der mich weiter in Richtung Heimat bringen soll.
Freitag 28.03.2024 – Willkommen Zuhause
Um drei Uhr in der Nacht erreicht der Bus Göttingen. Drei Stunden muss ich hier auf den nächsten Bus nach Hamburg warten. Die Straßen sind ausgestorben, es ist – zumindest für mein Empfinden – eiskalt. Ich lasse mich in den Café einer Tankstelle nieder und überrücke dort den ersten Teil der Wartezeit. Doch auch nach drei Stunden rollt immer noch kein grüner Reisebus auf den Parkplatz. Der Online-Statusbericht spricht von einer Minute Verspätung – dann wäre der allerdings bereits seit dreißig Minuten da. Irgendwann kommt der Bus dann endlich und es geht auf die letzte Etappe. Mit der Zeit prasselt Regen gegen die Scheiben – wir scheinen uns Norddeutschland zu nähern. Um neun erreichen wir dann Hamburg, wo mich Bunny am Busbahnhof einsammelt. Ein ganzes halbes Jahr liegt zwischen unserer letzten Begegnung – es gibt viel zu erzählen. Den restlichen Tag verbringe ich bei Bunny in Westerrönfeld, und genieße gutes Essen eine Dusche und die altbekannte Umgebung. Die Vorfreude auf den morgigen Tag ist unglaublich und puscht sich gegenseitig immer weiter nach oben.
Samstag 29.03.2024 – Überraschung
Den ganzen Vormittag warte ich das es endlich losgeht. Letzte Organisationsfragen. Das „Grußvideo“ noch schnell fertig scheiden. Um drei wird Bunny abgeholt. Eine Viertelstunde später mache ich mich mit ihrem Auto dann auch auf den Weg. Während der zwanzig Minütigen Autofahrt leide ich unter einem extremen Verfolgungswahn. Was wenn jemand das Auto erkennt und mich sieht? Ich ziehe mir die Kapuze über den Kopf, fahre extra nicht über die Hauptstraße, sondern von hinten über schmale Straßen nach Bünsdorf – dort soll die Veranstaltung stattfinden. Mit schwitzigen Händen parke ich das Auto in einer Seitenstraße neben der Eventlocation und warte die letzten zwanzig Minuten ab, bis ich von Bunny das okay erhalte. Vorsichtig pirsche ich mich dann in das Foyer und werde direkt aufgeklärt: Beate, die Hausherrin, hat mich entdeckt, kann ihren Überraschungsschrei aber glücklicherweise unterdrücken. Weitere fünf Minuten warte ich hinter einer Wand. Es gibt technische Probleme – das Video, hat keinen Ton. Die Technik läuft wieder, ich höre den Ton meines Videos, dann kommt per Message der Daumen hoch von Bunny. Ich laufe in den Speisesaal, löse große Augen und Applaus aus und falle meinen absolut nichts ahnenden Eltern mit Tränen in die Arme – Mission completed. Trotz durch die letzten Nächte noch vorhandenem Schlafdefizit, feiern wir noch bis in die führen Morgenstunden. Als ich Abends ins Bett gehe, bin ich mir sicher. Das hier – hierherzukommen – war die absolut richtige Entscheidung.
Und jetzt? – Wie es weitergeht
Ich bin in Deutschland. Ist die Weltreise jetzt vorbei? Das könnte man annehmen, doch so ist es nicht. Der einzige Grund für mein Zurückkehren nach Deutschland war die Silberhochzeit und die Möglichkeit meinen Eltern eine riesige Freude zu machen. Meine Reise läuft besser und macht mehr Spaß, als ich es mir je hätte vorstellen können. Am 12. April mache ich mich deshalb zurück auf den Weg nach Bissau. Von dort geht es dann genauso wie geplant und gewohnt, weiter. Aber wolltest du nicht eigentlich nicht fliegen? Ja … und das ist auch der Grund warum ich wieder nach Bissau und nicht direkt nach Conakry – wo ich von Bissau als Nächstes hinfahren werde – zurückfliege. Denn für die Reiseroute, werde ich auch weiterhin auf das Fliegen verzichten. Das hier ist ein Abstecher – eine Art Urlaub vom Urlaub. Auch dieser Blog wird daher die nächsten zwei Wochen pausieren. An dieser Stelle möchte ich mich bei dir bedanken. Danke, dass du mich die letzten sechs Monate auf meiner Reise begleitet hast – ich freue mich schon darauf dich in zwei Wochen weiter mit auf meine Abenteuer zu nehmen!
Eine wirklich einmalige Aktion und so schade das ich keinen Urlaub nehmen konnte.
Genieß die Zeit zu Hause bevor Du dann in Dein neues Leben zurück kehren kannst.
Lass Dich schön verwöhnen
Ich finde die Überraschung für Deine Eltern mega. Die Gesichter hätte ich gerne gesehen. Ich freue mich schon dann mit Dir weiter zu reisen. Aber bis dahin genieße den Urlaub vom Urlaub. LG Dagmar
Es war ein echter Knaller, eine tolle Aktion. Und auch super, später noch ein bisschen mit dir zu schnacken und Zeit zu verbringen.
Du bist ja verrückt (im positiven Sinne). Tolle Idee und schön beschrieben. Die Freude muss riesig gewesen sein. Wünsche Dir schöne Tage hier und komm gut wieder nach Bissau.