Montag 27.05.2024 – Abgelehnt
„Ich hab‘ keine Minute geschlafen“ Flo sitzt vor seinem Hotelzimmer und ist – einer in den USA lebenden Liebe sei Dank – noch ziemlich müde, als ich mit gepacktem Rucksack dort eintreffe. Immerhin das sein Motorrad hat er schon halb gepackt. Der Österreicher hatte mir angeboten mich heute mit zur togolesischen Botschaft in Accra zu nehmen, damit wir dort unser Glück versuchen könnten ein Visum zu bekommen. Das Visum für Togo war als ich die Afrika-Etappe startete noch unproblematisch, doch seit zwei Monaten stellte man das Visa-On-Arrival an der Grenze nicht mehr aus und gerüchteweise sollte man seit Anfang Mai auch in den Botschaften keine Visa mehr bekommen. Hinten auf seinem Motorrad sitzend schlängeln wir uns knapp eine Stunde durch den dichten Verkehr der ghanaischen Hauptstadt, bis wir vor der Botschaft stehen. Für einen kurzen Moment herrscht Freude: Dem Buch in das sich alle Besucher eintragen müssen zufolge, waren in den letzten Tagen öfter Leute da um Visa zu beantragen. Im Büro des Konsuls fallen die Mundwinkel, dann wieder nach unten. Visa stellt man hier nicht aus, das gehe nur noch online. Leider ist das eVisa-Formular aber noch nicht auf Landgrenzen ausgelegt und so muss ich zum Beantragen ein Fake-Flugticket hochladen. Auch Flo der seit zwei Wochen auf eben dieses eVisum wartet, kann man nicht helfen – das werde alles in Lomé, der Hauptstadt Togos, geregelt. Enttäuscht verlassen wir die Botschaft wieder. Unsere Möglichkeiten sind auf warten und hoffen beschränkt. In dem Poolbereich eines nahegelegen Hostels lassen wir uns mit einem Bier nieder. Flo überlegt derweil, ob es für ihn Sinn mache Togo über Burkina Faso zu umfahren – doch die dortige Sicherheitslage macht das ziemlich schwierig. Am Nachmittag steige ich in ein Tro-Tro, dass mich in das etwas außerhalb gelegene Viertel, in dem mein Host wohnt bringt. In einer westlich gestalteten Shoppingmall, lasse ich mich von einem Burgerrestaurant verwöhnen. Mein Host selbst ist noch unterwegs, aber alle Türen sind offen und so beziehe ich mein Zimmer und esse auf dem Markt des Stadtviertels eine Portion Indomie.
Dienstag 28.05.2024 – Alles Banane
In Arjits Haus hängen kleine Altare, es läuft südostasiatische Musik. Ich sitze bei meinem aus Indien stammenden Host zum Frühstück. Neben frischen Orangensaft gibt es würzigen Tee und Crêpe-artiges Gebäck, das in eine würzige Soße getunkt werden. Nach dem Frühstück laufe ich zur Hauptstraße und steige dort in einen Kastenwagen, der mich in die Innenstadt bringt. Obwohl mein Host recht weit außerhalb der Stadt wohnt, bieten die Tro-Tros eine recht zuverlässige, schnelle und mit sechs ghanaischen Cedi (0,37€) pro Fahrt vor allem günstige Verbindung zum Stadtzentrum. Über Mittag sitze ich wieder im Poolbereich des Hostels und nutzte das stabile WLAN für ein paar Nachhilfestunden. In dem Restaurant des Hostels gibt es ”Red Red with Plantain“ – traditioneller ghanaischen Bohneneintopf mit Kochbananen. Seitdem ich letzte Woche Plantain – Kochbananen – für mich entdeckt habe, kann ich gar nicht mehr genug davon bekommen. Nach meiner letzten Nachhilfestunde laufe ich in Richtung Marina. Accra bietet ein merkwürdigen Mix aus afrikanischem Durcheinander und westlicher Moderne. Während in Abidjan das ganze strikt in die einzelnen Viertel getrennt wurde, stehen direkt auf der verstopften Straße vor dem KFC hunderte fliegende Händler. Halbschrotte Autos quetschen sich unter den LED-Leuchtreklamen entlang. Nach einer Stunde die ich durch das Verkehrschaos und die Händlerüberfüllten Straßen gelaufen bin stehe ich vor dem „Kwame Nkrumah Gedächtnispark“. Das riesige Mausoleum inklusive zweier Museen erinnert an Ghanas ersten Präsidenten, der den Goldküsten-Staat vor knapp 70 Jahren in die Unabhängigkeit führte, und gilt als eine der Hauptattraktionen Accras. Als die Sonne den Himmel rot zu färben beginnt, mache ich mich auf den Rückweg – ober besser gesagt: Ich versuche es. Inmitten der Feierabend-Rush-Hour stellt es sich als recht schwierig heraus ein passendes Tro-Tro zu finden. Hunderte der Sammeltaxis rasen an mir vorbei, doch alle sind und ist eines leer, so fährt es nicht dorthin, wo ich hinwill. Nur mit Umsteigen schaffe ich es am Ende zu der nicht weit von meinem Host entfernten Shopping-Mall, die ich als Orientierungspunkt nutze.
Mittwoch 29.05.2024 – Positive Überraschungen
Das heutige Frühstück besteht aus einer Art Sturzkuchen, der aus Cuzcos und Gemüse besteht. Eine gewisse Süße vermischt sich mit der Herzhaftigkeit von Erbsen und Möhren. Ich habe das Gefühl das gerade in puncto Frühstück die kulinarischen Standards verschiedener Regionen unser Erde extrem. Nach dem Frühstück mache ich eine überraschende Entdeckung. Es gibt WLAN! Arjit hatte mir gestern erzählt, dass das Passwort für irgendetwas „1234578“ sei. Allerdings hatte ich bisher noch nichts gefunden, wo dieses Passwort funktionierte. Für mich gibt es nun keinen Grund mehr extra in das in der Innenstadt gelegene Hostel zu fahren und so beschließe ich den Tag über hier am Stadtrand zu bleiben. Optimal, da ich sowieso noch einiges auf meiner To-Do-Liste stehen habe. Nachdem ich mir im Supermarkt Waschpulver und Sekundenkleber gekauft habe schmeiße ich meine gesamte Kleidung in die Waschmaschine und repariere mein kaputtgegangenes – die Cedi-Scheine sind einfach zu groß – Portemonnaie. Auf dem Markt des Viertels hole ich mir ein paar Mangos und lasse mich dann im klimatisierten Wohnzimmer nieder. Zehn Minuten vor Beginn einer ersten Nachhilfestunde darf ich dann feststellen, das das WLAN zwar auf meinem Handy grandios funktioniert, mein Laptop sich allerdings nicht – wieso auch immer – damit verbinden lässt. Im Nachhinein ist das gar nicht so schlimm, denn die geplanten drei Nachhilfestunden reduzieren sich schlagartig auf Null. Ein Abschlussball – sowas erfährt man ja auch immer nur erst eine Stunde vorher ^^. Bei zwei meiner Schülerinnen gehe ich inzwischen eher davon aus, dass sie die Stunde kurzfristig absagen oder einfach nicht erscheinen, als das ich wirklich eine Nachhilfestunde geben muss. Auf der einen Seite nervt mich sowas extrem – ich plane meinen Tag um die Stunden herum, wenn sie dann nicht sattfinden ist das Mist – auf der anderen Seite ist das leicht verdientes. Die neugewonnene Zeit nutzte ich für einen Friseurbesuch. Fasziniert von meinen Haaren – ich bin der erste europäische Kunde im Salon – fährt man mir immer wieder mit dem Rasierer – eine Schere fasst mein Friseur nicht an – über den Kopf. Meine Haare sind am Ende kürzer als es mir lieb ist, bei einem Preis von 20 Cedi (1,25€) stelle ich allerdings keine Anforderungen. Am Abend gibt es eine positive Überraschung: Nach nur drei Tagen ist mein Togo-Visum fertig! Flo hingegen, der inzwischen an einen kleinen Ort kurz vor der Grenze gefahren ist, wartet inzwischen die dritte Woche und hat immer noch keine Neuigkeiten. Das Leben ist unfair!
Donnerstag 30.05.2024 – Zielgerade
Mein Visum für Togo hatte ich nun zwar, doch in Anbetracht der offiziellen Bearbeitungsdauer von fünf Werktagen hatte die den zweiten Juni als Einreisedatum angegeben – die ehemalige deutsche Kolonie müsste also noch bis Sonntag auf mich warten. Nach einer morgendlichen Nachhilfestunde, schmeiße ich meinen Schlafsack in die Waschmaschine – der hat es dringend nötig. Direkt neben meinen inzwischen trockenen Klamotten hatte der Hausmeister gestern seine Gartenabfälle verbrannt und diesen dadurch ein rauchiges Aroma verpasst. Erstklassig! Gegen Mittag mache ich mich wieder auf den Weg in die Stadt. Der Garten des Hostels bietet irgendwie doch bietet irgendwie doch die angenehmere Arbeitsatmosphäre – und vor allem die Aussicht auf ein weiteres ”Red Red with Plantain“. Im Anschluss gebe ich gebe zwei Vertretungsstunden und fülle meine Reisekasse damit so weit, dass ich schonmal die 50 US-Dollar für das Benin-Visum abzwacken kann. Generell habe ich immer mehr das Gefühl langsam auf die Zielgeraden der Afrika-Etappe zu kommen. Nur noch Togo und Benin, dann Nigeria und Kamerun und dann der Kongo und die gleichnamige „‘Demokratische’ Republik Kongo“ und dann wäre ich schon in Angola. Angola, Namibia und Südafrika sind dann quasi geschenkt – die Länder sind visafrei und im Gegensatz zu den vorherigen Staaten recht zivilisiert und touristisch. Das diese Länder alle wesentlich größer sind als die kleinen westafrikanischen Staaten, die hinter mir liegen, und ich kilometertechnisch noch weit von der Zielgeraden entfernt bin, vergesse ich dabei gerne. Auch heute gestaltet sich die Rückfahrt mit dem Tro-Tro als schwierig. Eine halbe Stunde winke ich alles an mir vorbeifahrende raus, bevor ich ein mit Umsteigen passendes Tro-Tro finde. Das Wetter war den ganzen Tag schon schwül gewesen und so scheint es wenig verwunderlich als am Abend ein Tropfengewitter inklusive großzügigem Regen über Accra zieht. Nur leider hatte ich nicht soweit geschaltet, dass mein Zelt und mein Schlafsack noch draußen zum Trocknen hängen. Sh*t! Die sind dann wohl wieder nass …
Freitag 31.05.2024 – Sightseeing
„Die war doch voll?“ Die erste Entdeckung des Tages fällt unschön aus: Meine Isomatte, die seit einigen Tagen zum Trockenen im meinem Zimmer steht, scheint Luft zu verlieren. Mein indisches Frühstück besteht heute aus kleinen Ufo-förmigen Pancakes, deren Teig irgendwie an Reis erinnert. Diese werden dann in eine würzige Gemüsesoße getaucht. Direkt nach dem Frühstück, mache ich mich auf den Weg ins Stadtzentrum – diesmal nicht nur mit dem Ziel mich ins Hostel zu setzten sondern auch in der Hoffnung die verbleibenden ‘Highlights’ der Stadt erkunden zu können. Als erstes laufe ich nach Jamestown. Das ärmliche Fischerviertel beherbergt das gleichnamige Fort. Zum Leide der hufenscharrend auf Kundschaft wartenden Touristenguides, spare ich mir den Eintritt allerdings – ich habe fürs Erste genug Sklavenfestungen gesehen. Neben dem Fort bietet das Viertel noch einen Heimatgefühle weckenden rot-weißen Leuchtturm. Von dort laufe ich die Hauptstraße entlang in Richtung Unabhängigkeitsdenkmal. Auf dem löchrigen Bauzaun neben der Straße kleben ausgebleichte Visualisierungen eines Neubauprojektes. Eine moderne mit verglasten Hochhäusern gesäumte Promenade. Die brach liegende Baufläche, verdeutlich allerdings, dass aus dem Projekt nie wirklich mehr als ein bedruckter Bauzaun geworden zu sein scheint. Genauso wie Berlin, Paris, Barcelona und Bissau hat auch Accra sich einen Triumphbogen auf einen Kreisverkehr stellen. Der ”Independence Arch“ zählt wahrscheinlich aber nur im Jahr so viele Besucher wie das französische Pendant an einem Tag. Nach meiner Sightseeing-Tour laufe ich wieder zu dem Hostel. Bestelle mir ein ”Red Red with Plantain“ gebe eine Nachhilfestunde und schreibe an meinem Blog. Überraschend entdecke ich auf einmal die Gesichter der beiden Mädels aus Cape Town. Sie sind von ihrer Safari zurück und nun hier im Hostel. Für mich geht es allerdings zügig nach Hause: Die Mücken zerstechen meine nach 25.000 Schritten sowieso schon schmerzenden und der Himmel droht jeden Moment seine Schleusen zu öffnen – ein zweites Mal soll meine Wäsche nicht im Regen hängen.
Samstag 01.06.2024 – Probier’s mal mit Gemütlichkeit
Am Morgen stehe ich vor einer schwierigen Entscheidung: Bleibe ich noch hier oder fahre ich heute schon weiter? Flo hatte mir die letzten Tage immer wieder geschrieben wir schön es doch an dem direkt vor der Grenze gelegenen Ort, in dem erst ist, sei – Ich solle vorbeikommen. Auf der einen Seite reizt es mich, andererseits ist meine Campingausrüstung gerade schön getrocknet und zusammengelegt und meine Isomatte verliert nach wie vor Luft. In mir siegt die Bequemlichkeit – ich bleibe hier. Ich stelle eine letzte Waschmaschine an – wer weiß, wann es die nächste gibt – und starte einen weiteren Erfolglosen Versuch meine Luftmatratze zu flicken. Nachdem meine Schülerin nicht zu der vereinbarten Nachhilfestunde erscheint, verbringe ich den Vormittag damit diesen Blog zu schreiben. Erst das auf einmal ausfallende WLAN, zwingt mich dazu, das Haus zu verlassen. Ich erkunde den Markt des Stadtviertels. Neben unglaublichen Mengen an Fisch, gibt es Schweinshaxen, auf einem Tisch kriechen hunderte große Weinbergschnecken vor sich hin – Lecker! Meine Aufmerksamkeit erregt ein winziges Tastenhandy, das auf der Rückseite ein aus drei Kameras bestehendes Kameramodul und ein Apfel-Logo hat – süß! Der Verkäufer holt direkt eine weitere Version raus: „Das gibt es auch als Klapphandy“ – das erste Apple-Foldable. Nach dem Mittag ist meine Wäsche trocken, der Blog ist fertig geschrieben, mein Rucksack weitestgehend gepackt und ich bereue ein bisschen nicht doch zu Flo gefahren zu sein. Immerhin geht der Strom und somit das WLAN und die Klimaanlage wieder – ich versinke also in den ‘sozialen’ Medien …
Sonntag 02.06.2024 – Bienvenue au Togo
Nach einem letzten indischen Frühstück, verabschiede ich mich von Arjit und mache mich mit dem Tro-Tro auf dem Weg zum ”Circle“, dem zentralen Verkehrskontenpunkt von Accra. Leider erzählt man mir im Busbahnhof, das von hier keine Busse zur togolesischen Grenze fahren würden – ich müsste in ein anderes Viertel laufen. Gesagt, getan – in dem nächsten Viertel schaffe ich es gar nicht bis zum Busunternehmen. Schon auf dem Weg dahin überredet man mich, in ein an der Straße stehendes Buschtaxi einzusteigen. Für 80 Cedi (4,99€) geht die 200 Kilometer in Richtung Grenze – zu sechszehnt in dem Neunsitzer. Kaum haben wir uns losbewegt beginnt es zu schütten und ich freue mich das ich in dem – abgesehen von den Lecks an den Scheiben – trockenen Tro-Tro sitze. Nach drei Stunden endet unsere Fahrt am Grenzort Aflao. Von hier kann ich problemlos zu Fuß weiterlaufen, denn die Grenze liegt direkt am Rand der togolesischen Hauptstadt Lomé. Der Offizier an der ghanaischen Ausreise macht erst Stress weil ich den Zahlungsbeleg für mein Visum nicht mehr habe, drückt mir dann aber dennoch den Ausreisestempel in den Pass. Mit einem Stempel kommt man auf der hundert Meter weiter auf der togolesischen Seite nicht aus – hier braucht man fünf über eine ganze Seite verteilte Stempel. Das beste daran: Das ist noch gar nicht alles. Obwohl ich online ein 30-Tage Visum bezahlt und beantragt habe, bekomme ich an der Grenze erstmal nur ein Visum für sieben Tage, welches ich dann bei der entsprechen Behörde verlängern lassen muss. „Bienvenue au Togo“ – ab jetzt wird wieder Französisch gesprochen. Aus Accra kommend wirkt Lomé ziemlich ärmlich. Viele kleinere Straßen sind nicht asphaltieret. Was das für einen Nachteil mit sich bringt, merke ich schnell als ich mich entlang des löchrigen Grenzzaun – der hat scheinbar mehr symbolische als praktische Wirkung – auf den Weg zu meiner Unterkunft mache: Die Straßen sind nach dem Regen komplett matschig und überschwemmt, meine Füße in sekundenschnelle nass. In meinem Zimmer eingecheckt esse ich kurz etwas, bevor ich dann mit meiner Familie telefoniere. Da das WLAN in dem Hotel zu langsam ist, laufe ich zu einem an der Straßenecke gelegenen Hotspot – für ein bisschen Kleingeld kann man sich überall in Togo zeitlimitierte WLAN-Codes kaufen. Praktisch! – wenn nebenan nicht gerade eine Bar ihre Boxen voll aufdrehen würde …
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