Montag 29.04.2024 – Einblicke
Zum Frühstück gibt es Sandwiches und Kakao. Der besteht hier allerdings nicht aus Milch und Kakaopulver, wie man es aus Deutschland kennt, sondern aus heißem Wasser, ungesüßtem Kakao, Zucker und Milchpulver. Schafft man es alles im richtigen Verhältnis zu dosieren, dann schmeckt das am Ende eigentlich ganz gut. Nach dem Frühstück steige ich mit Aguibou – ja, das ist tatsächlich ein guineischer Name – und seinem Kollegen ins Auto und fahre ins Stadtzentrum zu der restlichen Familie. Dort gibt es dann erst einmal ein zweites Frühstück. Reis mit Soße – das man bereits zum Frühstück Reis ist, ist hier ganz normal. Zu Fuß spazieren wir durchs Viertel. Aguibou scheint hier jeden zu kennen – in jedem zweiten Haus setzen wir uns für einen kurzen Plausch hin und werden herzlich empfangen. Ich finde es extrem spannend innerhalb kürzester Zeit so viele verschiedenen Menschen und Häuser kennenzulernen – ein unglaublich privater Einblick in das Leben der Bevölkerung, den Touristen und Reisende sonst schwer bekommen. Gegen Mittag werde ich zuhause abgesetzt – ich würde am Nachmittag eine Handvoll Nachhilfestunden geben. Mit meinem Laptop setzte ich mich also im Schatten eines Mangobaumes auf eine Wiese – im Haus ist der Empfang zu schlecht. Innerhalb weniger Minuten sitzt eine ganze Schar von Kindern um mich herum. Ich betone, dass ich arbeite und die Kinder leise sein müssten. Das klappt, nachdem ich einmal deutlich werden muss, tatsächlich ganz gut und so gucken mir verbleibende sechs Kinder stillschweigend dabei zu, wie ich in einer fremden Sprache mit meinem Laptop rede und auf diesem komplizierte mathematische Terme aufschreibe – was die wohl denken müssen. Als ich meinen Laptop zuklappe drückt mir jemand den Hausschlüssel in die Hand – es sei wohl sonst niemand da. Nachdem ich mich mit einer dicken Schicht Mückenschütz einparfümiert habe, folgt der wöchentliche Familien-FaceTime-Anruf – dazu waren wir gestern durch meine spontane Planänderung nicht gekommen. Inzwischen sind Aguibou und sein Kollege zurück und wir machen uns sobald ich aufgelegt habe auf den Weg zum Abendessen. Wieder kehren wir bei seiner Familie ein – eine große Platte mit Pommes und Hänchen. Das trifft sich gut, mein Magen knurrt nämlich schon. Nach dem Essen lassen wir den Abend in einer am Rande der Stadt gelegenen Bar ausklingen. Zugegebener Maßen: Das guineische Staatsbier „Guiluxe“ schmeckt alles andere als schlecht. Erst um zwei Uhr in der Nacht sind wir zuhause und ich falle müde in mein Bett.
Dienstag 30.04.2024 – Die letzte Etappe
Nach dem Frühstück bringen mich Aguibou und sein Kollege zum Gare Routière. Das Taxi das nach Nzérékoré, meinem letzten Ziel bevor es in die Elfenbeinküste geht, ist leider schon voll, das Nächste – es fahren nur zwei Stück täglich – ist noch nicht da. Für 160.000 Guinea Franc (17,50€) kaufe mir also ein Ticket für ein Sept-Place-Taxi in das etwa auf halber Strecke gelegene Macenta, dort würde man mich dann in ein Fahrzeug nach Nzérékoré „überführen“. Ich warte und warte und warte. Während alle anderen Fahrer aktiv Fahrgäste anwerben, sitzt der Fahrer meines Fahrzeugs mit Füßen auf dem Tisch in dem kleinen Häuschen des Busbahnhofs. Nach zwei Stunden Wartezeit platzt mir der Kragen: Ich fordere mein Geld zurück, das Trampen hatte vorgestern ja eigentlich ganz funktioniert. Man weigert sich allerdings: Nur noch ein paar Minuten – es fehle nur noch ein Fahrgast. Ich stelle ein Ultimatum von 10 Minuten und zähle jede Minute laut runter. Das scheint tatsächlich Wunder zu wirken, schon bevor ich bei „Fünf.“ ankomme, rollt unser Taxi los. Zwischenzeitlich sinken die Kilometerzahlen auf den „Liberia“-Schildern, die Straßenrand stehen in den einstelligen Bereich. Ich bin der Grenze zu Liberia näher, als der der Elfenbeinküste. Doch meine Entscheidung war gefallen, mein Ziel klar: Schon bevor ich den afrikanischen Kontinent betreten hatte, hatte man mir empfohlen bis Mai in der Elfenbeinküste zu sein. In Kombination mit der nun beginnenden Regenzeit würden die schlechten Straßen in Guinea, Sierra Leone und Liberia sonst ein erhebliches Risiko bieten in einem Ort stecken zu bleiben. Nach einigen Stunden Fahrt erreichen mir Macenta. Anders als vorgestern klappt der Transfer vom einem ins andere Fahrzeug diesmal problemlos. Mein Rucksack ist kaum von dem Dach des einen Sept-Place-Taxis geladen, da wird er schon auf dem nächsten festgezurrt. Das neue Vehikel ist modern – möglicherweise schon aus dem 21. Jahrhundert – würde mit einer vielleicht zweistelligen Chance sogar über den deutschen TÜV kommen und bietet wesentlich mehr Komfort – nur zu acht sitzen wir in dem Siebensitzer. Es folgen weitere vier Stunden Fahrt. Die Landschaft wird immer grüner – die Straße, die hier tatsächlich recht wenig Schlaglöcher aufweist, führt quer durch den Dschungel. Wir passieren einige kleine Dörfer, die fließend in den grünen Urwald übergehen und – wäre die Nationalstraße nicht – mitten im Nirgendwo liegen würden. Um 18.00 Uhr kommen wir dann in Nzérékoré an. Ich lasse mich in einem kleinen Fast-Food Restaurant nieder, esse einen Shawarma, ein aus dem Nahen Osten stammendes Wrap-Gericht, das hier Verbreitung gefunden hat und trinke eine „Guini“-Limonade. Anstatt der bei uns üblichen 0,33 Liter Flaschen nutzt man hier 300 Milliliter als Standartmaß. Das auf dem Fernseher des Restaurants laufende Champions-League Real Madrid gegen den FC Bayern München, erweckt durch deutsche Kommentare meine Aufmerksamkeit – später am Abend ist in der ganzen Stadt Torjubel zu hören. Für die Nacht suche ich Zuflucht bei der „Katholischen Mission“. Auf dem zentral aber ruhig gelegenen Gelände steht bereits ein großes Expeditionsmobil, ich stelle mein kleines Zelt daneben.
Mittwoch 01.05.2025 – Geschwindigkeitsrekord
Um fünf Uhr morgens packe ich meine Sachen zusammen und laufe zum Gare Routière. Es ist noch dunkel, auf den Straßen ist nichts los und auch am Busbahnhof ist es noch überraschend still – eigentlich tobt hier immer das Leben. Warum ich so früh aufgestanden bin? Ich habe heute viel vor. Erst will die Grenze zur Elfenbeinküste überqueren, dann dort eine SIM-Karte kaufen, um dann um 16.00 Uhr drei Nachhilfestunde geben zu können. Nach einem bisschen hin und her findet ich einen Kastenwagen, der über die Grenze fahren soll – prognostizierte Abfahrtszeit: 10.00 Uhr. Knapp aber könnte noch gut gehen. Schließlich sind es nur 140 Kilometer bis nach Danane, meinem Zielort auf der anderen Seite der Grenze. Bereits um acht fehlen nur noch fünf Fahrgäste, bis unser Fahrzeug voll und somit abfahrtsbereit ist. Doch letzten fünf Gäste lassen auf sich warten – eine Stunde später fehlen immer noch drei. Der Fahrer beginnt derweil dem Fahrzeug einem Reifen abzubauen, der neue Reifen passt allerdings nicht und wird notdürftig nur zwei der fünf Schrauben befestigt. Um halb zehn sind dann alle Fahrgäste da. Man entscheidet sich spontan doch wieder auf den alten Reifen zu wechseln und beginnt mit dem verladen. Tasche für Tasche wird für jedes Gepäckstück der Preis einzeln verhandelt – Ernsthaft? Hätte man das nicht während der Wartezeit machen können? Mir reichts, ich fordere mein Geld zurück, möchte hierbleiben – das wird mir zeitlich zu eng – doch man verweigert mir den Wunsch: „Ce fini.“ – wir seinen doch quasi schon fertig. Aus „quasi schon fertig“ wird eine weitere Stunde, die es dauert bis der tuckernde Mercedes vom Gelände rollt. Meine Nachhilfestunden haben inzwischen eine Stunde nach hinten verlegt. Zweieinhalb Stunden brauchen wir für die 100 Kilometer bis zu dem ersten Grenzposten, der Zollstation. Alle steigen aus, jeder muss einzeln einmal sein gesamtes Handgepäck ausräumen – das dauert bei knapp 35 Leuten ein bisschen. Das normale Gepäck benötigt selbstverständlich keine Kontrolle – ist ja logisch. Endlich tuckert der Bus wieder los, um dann einen Kilometer später vor dem Ausreise Häuschen Guineas zu halten. Ich bin schnell fertig und darf somit eine ganze Stunde auf die restliche Reisegruppe warten. Der große Reisebus der zeitgleich mit uns an der Station angekommen ist, beschleunigt den Prozess auch nicht. Immerhin gibt es an dem Grenzposten eine breite Serviceauswahl. Ob Kokosnuss oder ein halbes Hähnchen – ein paar guineische Frauen bieten eine Vielzahl an Optionen, wenn man seine letzten Guinea Francs loswerden will. Bis unser Bus wieder losfährt ist es halb zwei. Mit dem letzten guineischen Empfang sage ich noch die Nachhilfestunden ab – das ist hoffnungslos. Ich bin ein organsierter Mensch, ich hasse es verabredete Termine wieder absagen zu müssen, doch Afrika schränkt meine Planungsmöglichkeiten immer wieder aufs minimalste ein. Ich habe meine Lektion gelernt: Keine Nachhilfestunden direkt nach Grenzpassagen – das senkt das Stresslevel für die Zukunft erheblich. Wir erreichen den Einreiseposten der Elfenbeinküste. Eine schicke breite Teerstraße löst die mehr aus Schlaglöchern als aus Weg bestehende „Dirt Road“ ab. Der Grenzbeamte spricht sogar Deutsch – als ich meine Telefonnummer auf Deutsch buchstabiere, gerät der freundliche Mann dann allerdings doch ins Schwitzen. Ich bin nach fünf Minuten durch, meine Mitreisenden brauchen wesentlich länger. Ein Grund dafür ist die Gelbfieberimpfung, die für die Einreise in die Elfenbeinküste Plicht ist. In einem mit UNICEF-Logo bedrucktem Zelt bekommt die jeder, der sie noch nicht hat oder der sein Impfpass nicht dabei hat. Ich warte im Schatten des Busses – das kann dauern. Problem für die meisten ist nicht sich Impfen zu lassen, sondern die Gebühr, die sie für den Impfpass bezahlen sollen – ich werde immer wieder gebeten zum Zelt zu kommen und zu bestätigen, dass das wirklich ein international anerkanntes Dokument ist. Zwei Stunden dauert es bis wir weiterfahren können, derweil überholt uns der Overlander-Truck, der heute Nacht neben mir gestanden hatte. Schweizer Kennzeichen? Vielleicht hätte ich doch fragen sollen, ob man mich mitnehmen kann. Es geht weiter: Die Straße ist breit, schlaglochfrei und besitzt sogar Markierungen. Ich traue meinen Augen kaum als ich einen Zebrastreifen entdecke. Die Polizeicheckpoints dauern auf einmal wesentlich länger – ein Scheinchen reicht nicht mehr aus, man möchte tatsächlich die Fahrzeugpapiere sehen. Es ist halb sechs als ich in Danane aussteige – sieben Stunden für 140 Kilometer, das ist rekordverdächtig. Ich mache mich auf die Suche nach einem Hotel. Während ein Zimmer in Guinea noch 30€ aufwärts gekostet hat, bekomme ich hier bereits für 5000 CFA (7,63€) mein eigenes Zimmer mit Bad. Nach zwei Wochen gibt es endlich mal wieder eine richtige Dusche anstatt einer Bucket-Shower (das ist ein verschönender Ausdruck für Eimer und Schöpfbecherchen) – ein wunderbares Gefühl, wenn das Wasser aus der Leitung prasselt.
Donnerstag 02.05.2025 – Donnerwetter
Am gestrigen Abend hatte ich mir auf der Straße noch eine bereits registrierte SIM-Karte gekauft. Für 2000 Franc (3,04€) versprach man mir, dass diese für eine Woche unlimitiertes Datenvolumen habe. Da mir schon die bei der Aktivierung angezeigt Nachricht, die von eineinhalb Gigabyte sprach, erhebliche Zweifel daran brachte, drohte ich morgen zurück zukommen, wenn die Karte leer sei – allerdings würde das nicht passieren, so erzählte man mir. Um sicherzustellen, dass die Karte wirklich unlimitiert ist – wenn man das erst inmitten einer Nachhilfestunde merkt wäre das ungünstig – verbrauchte ich also den Abend über so viel Datenvolumen, wie irgendwie möglich. Und ich sollte recht haben: Nach anderthalb Gigabyte war Schluss mit lustig. Direkt nach dem Frühstück, laufe ich also noch einmal zu der kleinen Bude in einer Nebenstraße. Hier lacht man nur: Hast du Videos guckt? Das Datenvolumen sein dann „unlimitiert“, wenn man wenig verbrauche. Meine Forderung, mir das Geld zurück zu geben, belacht man nur. Ich drohe mit dem Einschalten der Polizei und als man danach offensichtlich darauf hinweist, dass es sich nur um einen Kleinbetrag handle, setzte ich meine Drohung erst recht in die Tat um. Man scheint genau darauf abzuzielen, dass niemand wegen solch kleinen Summen Probleme macht – und das stört mich. Fünfzehn Minuten später stehe ich also mit einem Polizeibeamten auf dem Hof. Das verschafft erstmal große Augen, hilft mir aber auch nicht weiter – auf Französisch mein Problem zu erklären ist schwierig dazu streitet der Verkäufer natürlich alles ab – er habe mir von Anfang an erzählt, dass die Karte nicht „Unlimited“ sei. Am Ende kaufe ich mir dann doch eine andere SIM-Karte, in einem offiziellen Store. Naja, man lernt aus seinen Fehlern – die paar Euro könne ich wohl verkraften. Darüber hinaus ist der Tag unspektakulär, ich schreibe an meinem Blog und gebe ein paar Nachhilfestunden. Während der letzten Nachhilfestunde höre ich draußen ein ungewohntes Geräusch: Ist das etwa? … Regen! Ein richtiges Tropengewitter zieht über Danane. Die Geräusche des Windes klingen selbst in meinem kleinen Kämmerchen noch bedrohlich. Auf einen Schlag kommt literweise Wasser von Himmel, es donnert, blitzt und stürmt. Die Regenzeit scheint nun wirklich begonnen zu haben. Wie schön, dass ich bereits in der Elfenbeinküste bin, wie schön, dass ich gerade nicht zelte, sondern ein trockenes Zimmer habe. Draußen steht nach dem schlagartigen Regen überall das Wasser. Der Boden ist matschig und mit Pfützen übersät.
Freitag 03.05.2024 – Los geht’s! Oder doch nicht?
Es ist Zeit weiter zu ziehen. Glücklicherweise liegt mein Hotel direkt neben dem „Gare de Man“, dem Busbahnhof für alle nach Man, meinem nächsten Ziel, fahrenden Busse. Kaum habe ich die Tür verlassen sitze ich in einem Kastenwagen. Anders als in den vorherigen Ländern sind diese hier kunstvoll bemalt, oftmals mit Prominenten. Ich bin der einzige Fahrgast im Bus und so stelle ich mich darauf ein, dass ich noch einige Zeit warten dürfte. Doch ich werde überrascht: Wir fahren direkt los. Die erste Freude hält so lange an, bis wir kurz hinter dem Ortsschild wieder umdrehen. Von hier geht es dann die gesamte Hauptstraße lang auf die andere Seite der Stadt. Währenddessen steht jemand in der offenen Tür und brüllt unsere Zielrichtung in alle Welt. Eine dreiviertel Stunde dauert es bis wir wieder dort sind, wo ich eingestiegen bin. Die Fahrgastzahl im Wagen ist inzwischen auf sechs gestiegen – immer noch zu wenig um schon loszufahren. Wir drehen also eine weitere Runde durch die Stadt. Als unser Fahrer mit dem inzwischen zu ¾ besetzen Bus zu dritten Runde ansetzt, wird der Protest unter den Fahrgästen so groß, dass er diese abrechen und dann tatsächlich Richtung Man fahren muss. An der Polizeikontrolle am Ortsausgang stehen wir eine knappe halbe Stunde. Anstatt dass wir dann losfahren, drehen wir aber auf einmal wieder um und man beginnt allen Fahrgästen ihre Tickets zurückzuerstatten. Die Fahrgastanzahl lohne sich nicht, man fahre nun doch nicht nach Man, ich solle mir einfach ein Mototaxi nehmen. Nach zweieinhalb Stunden stehe ich also wieder am „Gare de Man“ und das Spiel beginnt von Vorne. Ich steige in einen neuen Bus, warte dort drin eine Stunde. Derweil beginnt man den Reifen unseres Fahrzeugs zu wechseln, dann geht es irgendwann los. Am Ortsausgang stehen wir eine weitere Stunde, laden noch ein paar Fahrgäste ein und fahren dann endlich nach Man. Siebzig Straßenkilometer später erreichen wir Man. Der erste Eindruck, den diese Stadt mir liefert ist überraschend modern. Ampeln – allein dass es solche gibt ist schon eine Seltenheit – zählen die Sekunden bis zu ihrer nächsten Grünphase herunter. Geschäfte sind von Außen als solche zu erkennen, große Werbeplakate zieren die Hausfassaden. Es gibt mehrere große Supermärkte – die hatte man selbst in Conakry nur vereinzelt gefunden. Klar, Man ist immer noch eine westafrikanische Stadt, doch wenn man gerade aus Guinea wirkt, dann wirkt Man wie Europa. Ich mache mich auf die Suche nach einem Hotel. Meine erste Anlaufstelle erzählt mir, dass die Hotelzimmer nun 7000 (10,65€) statt der im Internet genannten 5000 Franc (7,61€) kosten. Als nächstes Suche ich ein im Stadtzentrum gelegenes Hotel auf. Nachdem ich mich anderthalb Kilometer durch schmale Marktgassen geschoben habe, stehe ich dann vor Option Nummer zwei: Zentral gelegen, schicke Räume, ein kleiner Garten, WLAN – dafür aber 8000 Franc (12,17€) pro Nacht und mit sich handeln lässt man auch nicht. Sichtlich durchgeschwitzt laufe ich also zu einem letzten am Stadtrand gelegenen Hotel. Hier seinen die Räume für 5000 Franc (7,61€) voll, ich könne aber für 10.000 Franc (15,21€) einen Raum mit Klimaanlage bekommen. Schlussendlich entscheide ich mich für das WLAN habende Hotel im Stadtzentrum – zumindest für eine Nacht Internet haben, Bilder sichern können, meinen Blog hochladen, ein paar Dinge erledigen – das ist mir das Geld wert. Ich gebe eine Nachhilfestunde und verbringe den restlichen Tag das Internet genießend vor dem Ventilator. Am Abend zieht ein Sturm über Man. Wind peitscht den Regen an meine Fensterscheibe. Es donnert und blitzt. Immer wieder fällt der Strom für einige Minuten aus. Es ist unglaublich laut. Erst als das Gewitter nach drei Stunden abzuklingen beginnt finde ich irgendwann Schlaf.
Samstag 04.05.2024 – Nachhilfemarathon
Am gestiegen Abend hatten sich für heute sechs Nachhilfestunden angekündigt – zwei meiner Schülerinnen würden am Dienstag Matheabitur schreiben. Ich beschließe also kurzerhand eine weitere Nacht in dem Hotel zu bleiben. Am Morgen starte ich mit zwei Stunden, dann ist Pause angesagt: Mein Laptop-Akku hält jeweils geradeso eine Doppelstunde durch, danach musss ich diesen mit der Powerbank, die während der Unterrichtsstunden an der Steckdose hängt, wieder laden, um eine Stunde später dann in die nächste Doppelstunde starten zu können. Pünktlich fünf Minuten vor Beginn der Stunde ist dann auf einmal der Strom und damit auch das WLAN weg. Über den Hotspot meines Handys halte ich also die nächsten zwei Stunden ab und lade danach den Laptop mit dem in der Powerbank verbliebenen Reststrom. Sollte der Strom bis zur nächsten Stunde nicht wiederkommen, so könnte das mit dem Akku ziemlich knapp werden. Die Pause nutzte ich um eine Runde über den Markt zu drehen. Für 500 Franc (0,76€) kaufe ich mir hier zwei Kilo Mangos – und weil es kein Wechselgeld gibt, bekomme ich sogar noch ein paar Bananen dazu. Als ich zurück in die Unterkunft komme, höre ich das Surren meines Ventilators – der Strom ist also wieder da. Ich schaffe es gerade noch meinen Laptop voll genug zu bekommen um dann in die letzten zwei Stunden Mathe des Tages zu starten. Verhängnisvoll ist, dass ich für die Nachhilfestunden den Ventilator ausmachen muss – sonst hört man mich nicht mehr. Ich sitze also meist oberkörperfrei in dem 30 Grad warmen Raum und wische mir im Minutentakt mit einem Handtuch den Schweiß vom Körper. Am Abend erkunde ich die Supermärkte der Stadt. Voller Vorfreude endlich mal wieder etwas europäisches auf den Teller zu bekommen, bestelle ich mir in einem gut bewerteten Restaurant eine „Spagetti Viande“. Während meine Erwartungen von etwas wie „Spagetti Bolognese“ ausgehen, bekomme ich einen Untertassen-großen Teller mit blanken Spaghetti und einzelnen verkokelten Fleischstückchen. Gewürzt ist das ganze – und das großzügig – mit Maggi-Würfeln, die man in ganzen Stücken in dem Gericht finden kann. Lecker! ^^
Sonntag 05.05.2024 – Affentheater
Der neue Tag beginnt genauso wie der letzte: Ich sitze an dem im dem kleinen Zimmer stehenden Schreibtisch und gebe Nachhilfestunden. Langsam aber sicher freue ich mich darauf, wenn das Abitur vorbei ist und die Anzahl der Nachhilfestunden etwas zurückgeht. Nicht falsch verstehen: Ich bin dankbar für jede Nachhilfestunde – sie sind es schließlich, womit ich meine Reise finanziere – doch in den letzten Tagen hatten die Nachhilfestunden Überhand über das Reisen genommen. Von Man hatte ich auch nach zweieinhalb Tagen noch nicht wirklich etwas gesehen, den ganzen Tag saß ich nur in meinem Zimmer und arbeitete. Nach der Doppelstunde packe ich meine Sachen und verlasse das Hotel. Am anderen Ende der Stadt soll es eine Unterkunft geben, die für 2500 Franc (3,80€) Schlafsäle anbietet. Zu Fuß verlasse ich also das Stadtzentrum und mache mich auf die Suche. Außerhalb der Hauptstraße ist von der anfangs erwähnten Moderne wenig zu sehen. Die Straßen sind nicht geteert, es herrscht Armut, Menschen waschen ihre Kleidung in einem Fluss, ich bin als Weißer das Highlight. Es fühlt sich an als laufe man von einer in eine andere Welt. An der Unterkunft angekommen tut man sich schwer: Man würde mir viel lieber ein Zimmer anstelle des Bettes im Schlafsaal verkaufen. Erst nach mehrfachem Nachfragen führt man mich dann aber doch in einen großen Raum, in dem links und rechts fünf Betten stehen – einfach, aber vollkommen ausreichend. Ich mache mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Für 1000 Franc (1,52€) finde ich unter einem Blechdach am Straßenrand ein Restaurant, in dem es Fisch mit Cuzcos gibt. Der Fisch ist alles andere als frisch und um den trockenen Cuzcos, der wie schon die gestrigen Spagetti großzügig mit Maggi-Würfeln gewürzt wurde, vollständig runter zu bekommen, braucht es ein bisschen Selbstbeherrschung – was würde ich tun um jetzt eine vernünftige europäische Mahlzeit zu bekommen? Meine Eltern schicken mir derweil Bilder von einem großen Teller lecker gegrillter Steaks. Zurück in der Unterkunft mache ich auch mit der zweiten Abischülerin noch eine Doppelstunde, bevor ich mich dann am späten Nachmittag endlich der ersten Attraktion Mans widmen kann: In einem Begräbniswald am Stadtrand leben Affen. Allein um die Affen am Eingang des Waldes zu betrachten, muss ich bereits 1000 Franc (1,52€) zahlen. Dafür lockt ein angeblicher Guide, der mit mir liebend gerne für weitere 1000 Franc (1,52€) auch in den Wald hinein gehen würde, die kleinen Kletteräffchen mit Bananen vor meine Kamera. Ich laufe anstelle des angebotenen Guides in Eigenregie durch das Dorf und folge dem Zaun – mit Erfolg! Der Zaun ist zweihundert Meter weiter heruntergetreten, Affen gibt es genauso viele, nur niemanden der mich abkassieren will. Am Abend gibt es den gewohnten wöchentlichen Familien-FaceTime Anruf, bevor ins Bett geht. Auch heute Nacht zieht wieder ein Gewittersturm über meine Unterkunft, deren Fenster leider weder Wasser noch winddicht sind.
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