Montag 27.10.2025
Die Herbstferien waren vorbei, alle Lehrer schrieben nun gleichzeitig ihre Klausuren – die Nachfrage im Nachhilfegeschäft boomt! Im Laufe des Vormittags gebe ich drei Stunden Matheunterricht. Den restlichen Tag verbringe ich entspannt im Hostel, tippe an meinem nächsten Blogpost, erfreue mich am zuverlässigen Internet, gehe auf dem zentralen Markt essen, probiere mich durch das vielfältige Street-Food-Angebot und lerne im Hostel ein paar Leute kennen – unter anderem eine junge Französin, die gerade den Trail, welchen ich Ende der Woche machen wollte, gewandert war. Sie gibt mir ein paar wertvolle Tipps bezüglich meiner Routenplanung und des Zum-Trail-Hinkommens.
Dienstag 28.10.2025
Auch heute stehen zu Beginn des Tages erst einmal drei Nachhilfestunden an. Mittagessen gibt es wieder in einem der Comedores auf dem zentralen Marktplatz. Bevor ich am Wochenende den Ausangate-Trek laufen konnte, musste ich unbedingt noch eine neue Hüftgurt-Schnalle für meinen Rucksack finden, die war ja auf dem Waqrapukara-Trail kaputtgegangen. Dem Ratschlag des Besitzers meines Hostels folgend, suche ich mich erst in sämtlichen Gemischtwarenläden dumm und dämlich. Ein paar Locals lotsen mich schließlich zu einem Markt, auf dem Rucksäcke verkauft werden – und tatsächlich kramt eine der Händlerinnen auf meine Nachfrage eine passende Schnalle aus ihrer Ersatzteil-Tüte. Gegen Abend laufe ich durch das historische Zentrum von Cusco hindurch zum Mirador de Sán Cristobal. Von dem Vorplatz des dortigen Kirchgebäudes hat man einen erstklassigen Blick über die historische Altstadt und die unzähligen Kirchtürme der in ihr stehenden Gotteshäuser, die sich im Abendlicht rotgolden färben.
Mittwoch 29.10.2025
Am heutigen Vormittag steht nur eine Nachhilfestunde an. Nachdem ich diese hinter mich gebracht habe, schnappe ich mir meinen schon fertig gepackten Rucksack und laufe zu dem Busterminal, von dem die Busse nach Tinki abfahren sollen – ich komme genau im richtigen Moment, wenige Minuten später rollt der Bus schon los. Mein Ziel war der nur knappe 100km nördlich von Cusco gelegene Ausangate Nationalpark. Denn von Donnerstagnachmittag bis Montagmorgen hatte ich frei und konnte mich somit außerhalb der Reichweite von Internet aufhalten. Nach drei Stunden Fahrt erreicht der Bus am frühen Abend den kleinen, nur noch eine Handvoll Kilometer vom Trailhead des Ausangate-Treks entfernten Ort. Ich nehme mir ein günstiges Hotelzimmer, gehe etwas essen und bevorrate mich mit Instant-Nudeln, Eiern und Keksen.
Donnerstag 30.10.2025
Drei letzte Nachhilfestunden warten auf mich, bevor ich schließlich offline gehen, meinen Laptop zuklappen und meinen Rucksack schultern kann. Mit einem Collectivo gelange ich nach Pacchanta, der letzten Siedlung, bevor es nur noch zu Fuß weitergeht. Der winzige Ort verfügt über Thermalquellen – eigentlich hatte ich überlegt mir in diesen einen ruhigen Nachmittag zu machen und dann morgen mit der Wanderung zu starten, doch nachdem ich milchig-grünlichen Pool entdeckt habe, verwerfe ich diese Idee und mache mich direkt auf den Weg. Unmittelbar führt der Trail mich in die Höhe, der Himmel ist grau, das Dorf verschwindet langsam hinter einigen Hügeln. Es dauert nicht lange bis dunkle Regenwolken aufziehen und ich noch einen Zahn zulegen muss. Der Trail führt an einigen kleineren Lagunen vorbei. Theoretisch sollte man hinter diesen ein beeindruckendes schneebedecktes Felsmassiv sehen, doch für den Moment sind dort nur graue Wolken. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang erreiche ich eine kleine als Campingplatz ausgeschriebene Fläche und schlage dort, neben einer Herde Lamas, mein Zelt auf.
Freitag 31.10.2025
Früh krabble ich am Morgen aus meinem Schlafsack und koche mir ein paar Eier zum Frühstück. Während ich im Anschluss mein Zelt abbaue, kommt ein junger Wanderer vorbei. Wir unterhalten uns eine knappe halbe Stunde, bevor ich schließlich aufbreche. Der Weg geht genauso weiter, wie er gestern aufgehört hatte: Es geht steil nach oben! Der Luftdruck – und damit auch der Sauerstoffpartialdruck – ist auf 5000m gute 50% geringer als auf Meereshöhe. Um die gleiche Menge Sauerstoff aufzunehmen, muss man also doppelt so viel atmen. Ich schaffe kaum zehn Schritte, bis ich mich keuchend auf nächsten Stein am Wegrand setze und erstmal wieder Luft holen muss. Von meinem Schlafplatz aus sind es nur knappe vier Kilometer bis zum ersten Pass, dennoch brauche ich dafür gute vier Stunden. Immerhin die Aussicht, während des Anstiegs ist spektakulär, auch wenn man sie der Anstrengung wegen nicht so richtig genießen kann. Am Pass auf 5.050 Metern angekommen, gibt es als Belohnung eine Packung Kekse, bevor es dann wieder bergab geht. Gegen 13 Uhr erreiche ich die nächste Campsite des Treks. Während ich mir zum Mittag ein paar Nudeln koche, unterhalte ich mich mit den Guides einer geführten Tour. Sie hatten ein halbes Zeltdorf dabei, mit Tischen, großer Küche und allen anderen Annehmlichkeiten. Getragen wurde das ganze Gepäck von Maultieren. Der Tag war noch jung und so breche ich nach einer knappen Stunde wieder auf. Kaum ist der Campingplatz außer Sichtweite, beginnt es wie aus Eimern zu schütten – und sogar zu hageln. Schnell kehre ich um und stelle mich, bis das Unwetter vorbei ist, noch einmal auf dem Campingplatz unter. Bis zu meinem geplanten Schlafplatz müssen wieder einige Höhenmeter überwunden werden. Mit jedem Schritt tun die Beine etwas mehr weh und mein etwa 24 kg wiegender Rucksack liegt schwerer auf meinen Schultern. Bei jedem Kamm, den ich erreiche, hoffe ich, dass dahinter endlich die Lagune auftaucht. Als sie fünf Kämme später dann tatsächlich auftaucht, verschlägt es mir den Atem: Eine kleine blaue Gletscherlagune, dahinter massive schneebedeckte Berge und davor ein ebenerdiger Platz mit einer kleinen Windschutz-Mauer – das ist dann wohl der perfekte Wildcamping-Spot! Zufrieden schlage ich mein Zelt auf und genieße den Sonnenuntergang an diesem wundervollen Ort.
Samstag 01.11.2025
Um kurz vor fünf klingelt mein Wecker – an einem solchen Spot wollte ich den Sonnenaufgang keinesfalls verpassen. Eine Stunde später aufzustehen, hätte allerdings auch gereicht – es dauert eine ganze Weile bis die Sonne es über die umliegenden Berge geschafft hat und ihre ersten Strahlen bei mir ankommen. Der Wanderweg führt nun einige Kilometer am Rand der Gletscher entlang, immer wieder tauchen neue Lagunen auf. Gegen zehn erreiche ich das leerstehende Gebäude einer einstigen Lodge und mache dort noch einmal Pause. Von hier aus geht es nun auf den zweiten und höchsten 5000er-Pass hoch. Nur leider finde ich den in meiner Wanderapp angezeigten Weg nicht – ein typisches Problem bei Wanderungen mit Komoot! In Anbetracht dessen, dass mein Weg in nur 800 Metern auf einen anderen treffen soll, beschließe ich mich querfeldein den steilen Hang hochzuwagen – jetzt machten auch die angegebenen 35% Steigung Sinn! Meter um Meter bahne ich mir meinen Weg und treffe nach den 800 Metern, für die ich eine gute Stunde brauche, dann tatsächlich wieder auf einen existierenden Weg. Wenig später erreiche ich schließlich den 5.127 Meter hohen und extrem windigen Pass – ab hier ging es heute (fast) nur noch bergab! Nach einem steilen Abstieg taucht eine spektakuläre türkisblaue Lagune auf. In Form hunderter kleiner Wasserfälle ergießt sich das Schmelzwasser der über der Lagune hängenden Gletscherzunge in diese hinein – ein beeindruckendes Schauspiel! Nachdem ich dort eine Weile verweilt und hunderte Fotos geknipst habe, ziehe ich weiter. Der Trail entfernt sich nun von dem Ausangate Massiv und läuft in das aus rötlichen Hügeln bestehende Red Valley hinein. Nach einem weiteren kurzen Anstieg erreiche ich am Nachmittag schließlich den Campingplatz, auf dem ich die letzte Nacht verbringen wollte. Nachdem ich mein Abendessen gekocht habe, koche ich schon einmal die Eier für das morgige Frühstück vor. Auf 5000m kochen diese nämlich deutlich langsamer – knapp 30 Minuten muss man sich gedulden, wenn man ansatzweise hartgekochte Einer haben möchte. Wahrscheinlich wäre es – auch aus transporttechnischer Sicht – schlauer gewesen, bereits gekochte Eier mitzunehmen!
Sonntag 02.11.2025
Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen, als ich bereits aufbreche. Bis zum finalen Punkt meiner Wanderung waren es nur noch gute neun Kilometer, allerdings wollte ich spätestens um die Mittagszeit herum dort ankommen, um es heute noch zurück nach Cusco zu schaffen. Schritt für Schritt wandere ich den vorletzten Pass hoch. Einer der Hunde der Campsite begleitet mich dabei treu und zuverlässig. Am Pass angekommen ist mein Ziel, der Mt. Vincicuna – besser bekannt als „Rainbow Mountain“ –, schon am Horizont zu sehen. Einmal geht es noch bergab und dann wieder auf etwas über 5000 Meter hoch. Am Rainbow Mountain herrscht großer touristischer Trubel. Im Minutentakt bringen Motorräder weitere Touristen vom etwas tiefer gelegenen Parkplatz zu dem bunten Berg. Kaum bin ich angekommen stürmen schon drei Mitarbeiter auf mich zu und reden auf mich ein: Ich müsse ein Ticket kaufen! Händler verkaufen überteuert Snacks, man kann Fotos mit Sonnenbrillen tragenden Lamas machen. Nach drei Tagen Wanderung durch wundervolle unberührte Natur ist das Ganze mehr als enttäuschend. Vor allem ist der Rainbow Mountain ohne die passende Bildbearbeitung gar nicht so viel farbenfroher als die umliegenden Berge. Fünf Minuten halte ich es aus, dann mache ich mich – bereuend überhaupt ein Ticket gekauft zu haben – auf den Weg zum Ausgang. Die auf mich geiernden Taxifahrer lasse ich links liegen und laufe noch bis ins nächste an einer richtigen Straße gelegene Dorf. Dort versuche ich mich am Trampen und werde schließlich von einem der Tour-Vans nach Cusco mitgenommen. Im Hostel angekommen reflektiere ich die Wanderung noch einmal: 50 Kilometer in drei Tagen, dabei vier 5000er Pässe – die Wanderung war perfekt gewesen! Die Natur beeindruckend, die Schlafplätze szenisch gelegen, die Wege (abgesehen vom Ende) abgelegen und ruhig und die Anstiege so, dass sie einen jedes Mal an seine körperlichen Grenzen brachten.























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