Samstag 26.08.2023 – Auf dem Boden …
07.30 Uhr – Mein Wecker klingelte. Nach zweimaligen Betätigen der Snooze-Taste erhob ich mich aus meinem Bett, schnappte mir meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Mein letztes Ziel auf dieser Reise lautete Budapest. Doch von der Stadt, die mir verschiedenste Menschen ans Herz gelegt hatten, trennte mich noch ein Problem: Ich hatte zwar ein Ticket aber keine Sitzplatzreservierungen, welche jedoch für die zwei Züge, Pflicht waren. Normalerweise konnte ich die Sitzplatzreservierungen kostenlos über meine Interrail App buchen, doch die App zeigte an, dass keine E-Tickets verfügbar wären und ich es am Bahnhof versuchen solle. Also suchte ich den Schalter. Die Dame erklärte mir, dass alle Sitzplätze belegt wären – für 21 Euro könne ich jedoch einen Sitzplatz in der ersten Klasse reservieren. Auf meinen Kommentar hin, dass mein Ticket aber nur für die zweite Klasse gellte, meinte sie, ich könne – gegen Zahlung der Differenz – auf die erste Klasse upgraden. Nein, danke! Dann halt ohne Reservierung. Wird schon schiefgehen. Ich begab mich in den Zug und war froh, als ich feststellen durfte, dass es zu Hauf freie Plätze gab. Geht doch! Nach einer halben Stunde kam der Schaffner und scannte mein Ticket. Als er feststellte, dass ich keine Reservierung hatte schickte er mich auf den Gang, wo ich mich auf den Boden sitzen sollte. Hier traf ich auch gleich auf zwei andere Deutsche, die mein Schicksal teilten. Die restlichen fünf Stunden verbrachten wir also – mit Blick auf sämtliche freie Sitzplätze – auf dem Boden des Abteils. In Zagreb stieg ich nach einer kurzen Mittagspause in den nächsten Zug. Meine Verwirrung über die von den digitalen Anzeigen abweichenden Papierbeschriftungen führte mich direkt zu einem weiteren deutschen Interrailreisenden, der ebenfalls auf den Weg nach Budapest war. Gemeinsam fanden wir nicht nur den richtigen Zug, sondern auch ein ganzes freies Abteil. Wir genossen die Freiheit und ich beantwortete mir eine Frage, die ich mir schon lange stellte – Kann man eigentlich auf der Gepäckablage schlafen? Im Gegensatz zu den Sitzen war diese breiter und nicht dreigeteilt – dafür jedoch um einiges härter. Wir hatten Spaß und so verging die Zeit bis der Zug mit einiger Verspätung gegen 22.30 Uhr Budapest erreichte wie im Flug. Vom Bahnhof waren es bis zu meinem Hostel knapp vier Kilometer. Umso dankbarer war ich für den Tipp eines Budapesters, den ich im Hostel in Mostar kennengelernt hatte: Für etwa drei Euro könne man ein Abo abschließen mit dem man die überall herumstehenden Leihfahrräder dann dreißig Minuten lang kostenlos nutzten könne. Nach dreißig Minuten musste man das Fahrrad dann nur abstellen, kurz warten und wieder aktivieren. Auf dem Fahrrad machte ich mich also durch das nächtliche Budapest auf den Weg zu meinem Hostel, welches direkt über einer der bekannten Ruin Bars lag. Bereits im Voraus hatte das „Party Hostel“ angekündigt, dass das Hostel nichts für jemanden wäre, der Probleme mit lauter Musik oder besoffenen Leuten hatte. Aufgrund des günstigen Preises hatte ich mich davon aber nicht abschrecken lassen. Der Check-In lief problemlos und auch von der Musik hörte man im Zimmer weniger als erwartet. Doch obwohl Samstagabend war und ich mich mitten im Partyviertel Budapests befand, konnte ich mich dennoch nicht aufraffen noch ein bisschen feiern zu gehen – viel zu fertig war ich von der langen Fahrt.
Sonntag 27.08.2023 – Where is the ball?
Nachdem ich ausgeschlafen und geduscht hatte, suchte ich als Erstes einen Supermarkt, um mir Frühstück zu organisieren. Mit gefülltem Magen machte ich mich dann mit dem Fahrrad auf den Weg zu meinem ersten Ziel – Einem Hügel auf der anderen Seite der Donau, von dem man eine wunderbare Aussicht über die Stadt haben sollte. Obwohl ich in den letzten Wochen deutlich anspruchsvollere Berge gesehen hatte, lief mir – der Sonne sei Dank – auch schon bei diesem Hügel der Schweiß durchs Gesicht. Der Zugang zur Statue und der darum liegenden Aussichtsplattform war durch einen Bauzaun versperrt. Ein bisschen etwas sehen konnte man dennoch. Als ich wieder nach unten lief traf ich auf einen Mann der auf einer Mauer saß. Schnell bewegte er drei Flaschendeckel über eine Tischplatte und stoppte mit der Frage „Where ist the ball?“. Touristen, die aufmerksamer zugeschaut hatten, begannen Geld zu setzen – 100€. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Leichtigkeit die einen einen Hunderter nach dem anderen verloren, während andere nach einer Runde ein ganzes Bündel Scheine in der Hand hielten. Ich guckte eine Weile zu. In einer Runde gab es niemanden, der zu wissen glaubte, wo der Ball war. Ich saß seitlich und glaubte unter dem einen Deckel den Ball gesehen zu haben – ich war mir absolut sicher. In meinem Portemonnaie war allerdings nur noch ein Fünfziger – so viel war mir das eigentlich nicht wert. Dennoch setzte ich – unter Zuspruch der anderen Interessenten – und verlor – der Ball war unter einem anderen Deckel. Fuck! Felix, was tust du hier? Fassungslos und beschämt zu Boden guckend blieb ich einige Minuten sitzen. Das war mein letztes Bargeld. Der Mann gab mir einen Zehner zurück – damit ich etwas trinken kann. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Fuck, ey! Das war das gesamte für Budapest geplante Budget. Was machst du jetzt? Ich begann kleinlaut dem Mann meine Situation zu erklären: „Ich reiste mir wenig Geld. Das wäre mein gesamtes Budget. Ich hatte nicht nachgedacht.“ Wiederwillig drückte er mir erst einen Zwanziger und als ich nicht locker ließ auch noch einen zweiten in die Hand. Ich hatte mein Geld wieder und definitiv eine Lektion gelernt. Den restlichen Tag verbrachte ich damit eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abzuklappern. Zum Sonnenuntergang lief ich zur Fischerbastion – das hatte mir eine Freundin empfohlen – und genoss von dort den Ausblick über das von der Sonne angestrahlte Budapest. Auch traf ich mich hier mit David, dem Deutschen, den ich im Zug kennengelernt hatte. Gemeinsam machten wir uns danach auf den Weg Richtung Innenstadt – hier sollte heute Abend ein Public Viewing der Athletik Weltmeisterschaften stattfinden, die heute in Budapest endeten. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf einen Brunnen, um den herum ein Tanzevent stattfand. Einige Zeit guckten wir uns das Spektakel an. David forderte sogar ein paar Mädels auf, ich hielt mich, da meine Skills nicht über Discofox hinausgehen, gekonnt im Hintergrund. Bis in den späten Abend lief das Public Viewing – irgendwann wurde ich müde und machte mich auf den Weg ins Hostel.
Montag 28.08.2023 – Markttrubel und nächtliche Magie
Die alte Markthalle war ein weiterer Punkt, der mir empfohlen wurde. Da Google Maps mir dort auch einen Supermarkt anzeigte, machte ich mich direkt mit einem der Leihfahrräder auf den Weg. Den versprochenen Supermarkt fand ich und frühstückte erstmal – die Markthalle jedoch nicht. Ich guckte noch einmal auf mein Handy. Ich befand an der „Market Hall“. Die mir empfohlene Halle hieß jedoch „Old Market Hall“ und so machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg zurück auf die andere Seite der Donau. In vier Gängen angeordnet fanden sich in der Markthalle unzählige kleine Stände, die Obst, Gemüse, Fleisch, Gulaschsuppe oder Souvenirs verkaufen. Ich hatte nun alle Sehenswürdigkeiten und Empfehlungen abgearbeitet, also fuhr ich zurück ins Hostel. Meine Interrail Reise neigte sich langsam dem Ende und ich hatte erst einen Blog Artikel veröffentlicht – Zeit das zu ändern. Am Nachmittag erkundete ich dann zu Fuß das Gebiet rund um mein Hostel. Da ich nicht am Hauptbahnhof angekommen war, hatte ich die schöne Architektur des Gebäudes bisher noch gar nicht gesehen. Des Weiteren entdeckte ich eine Menge riesiger Graffitis an den Hauswänden, verschiedenste Bars, und den Heldplatz mit seinen darum liegenden Bars. Noch einmal kehrte ich ins Hostel zurück und klappte meinen Laptop auf. Als es dunkel wurde machte ich mich auf den Weg zum Donauufer. Eine ganze Stunde spazierte ich den Fluss entlang und bewunderte die beleuchteten Sehenswürdigkeiten und Brücken. Als ich an der nächsten Fahrradstation ankam, nahm ich mir eines der Räder und suchte mir noch etwas zu essen. Einen Punkt hatte ich mir noch aufgehoben. Die Ruin Bars. In einem Labyrinth aus verschiedensten Räumen befanden sich auf drei Etagen verteilt, sieben Tanzflächen und mehr als fünfzehn Bars. Die Musik und die Location waren erstklassig. Obwohl Montag war, waren einige Leute in dem Club doch an einem Freitag oder Samstag wäre hier wahrscheinlich deutlich mehr Stimmung gewesen. Irgendwann entschied ich mich zu gehen und machte mich auf den kurzen Weg zum Hostel.
Dienstag 29.08.2023 – Regenwetter
Als ich aufwachte regnete es. Ein Blick auf meine Wetterapp verriet mir: Das sollte sich bis 13.00 Uhr nicht ändern. Also kramte ich meine Regenjacke aus meinem Rucksack – die hatte ich seit den Dolomiten nicht mehr gebraucht – und machte mich auf den Weg zum Supermarkt. Den gesamten Vormittag verbrachte ich im Hostel. Da ich das meiste von Budapest bereits gesehen hatte, störte mich das nicht sonderlich. Am Nachmittag, als der Himmel langsam aufklarte, motivierte ich mich dann immerhin zu zwei Spaziergängen. Erst suchte ich nach einem Burgerrestaurant, dass am Vortrag am Straßenrand gesehen hatte. Obwohl ich genau die selbe Strecke lief, fand ich das Restaurant, dass ich suchte, nicht wieder. Am späteren Nachmittag entschied ich mich dann auf die andere Seite der Donau zu laufen um dort in einem größeren Supermarkt Proviant für meine Rückfahrt zu kaufen. Das ganze Laufen machte mich hungrig und so kaufte ich mir in einer Streetfood Bude einen Chimney-Cake – ich kannte dieses Gebäck bereits aus einem Urlaub in Prag unter dem Namen Trdelnik. Nun, wo ich alle Ausgaben getätigt hatte wusste ich dann endlich auch wieviel Budget mir übrigblieb und so konnte ich mir ein Abendessen in einem der Burgerrestaurants gönnen. Als ich danach ins Hostel zurückkehrte packte ich meinen Rucksack und legte mich ins Bett – morgen würde der Wecker früh klingeln.
Mittwoch 30.08.2023 – Stress am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen
Bereits um viertel nach fünf Riss mich mein Wecker aus dem Schlaf. Leise – ohne den Rest des Schlafsaals aufzuwecken – zog ich mich an, schnappte mir meinen Rucksack, legte die Schlüsselkarte – wie am Vortag vereinbart – auf das Bett und machte mich auf den Weg nach draußen. Die böse Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. In der Station, in der normalerweise immer einige Leihfahrräder standen, stand heute nur ein einziges Fahrrad – und das war laut App „temporarily not available“. Na, super! Meine Zeitplanung hatte damit gerechnet, dass ich die knapp sechs Kilometer zum Bahnhof mit dem Rad um nicht zu Fuß zurücklegte. Eine andere Wahl als zu laufen blieb mir jedoch nicht. Nach etwa zwei Kilometern Fußmarsch fand ich dann eine Fahrradstation mit verfügbaren Rädern. Ich startete Google Maps. Im gleichen Moment erhielt ich eine SMS: „Ihr Highspeed-Datenvolumen ist aufgebraucht“. Die Karte lud und lud und lud. Ich gab mein Bestes und übersah dabei auch die eine oder andere rote Ampel – so früh am Morgen war hier eh noch nichts los. Gerade als ich nicht mehr wusste, wo ich lang müsse, hatte Google Maps fertig geladen. Als ich den Bahnhof erreichte hatte ich noch eine viertel Stunde, bis der Zug abfuhr. Ich musste jedoch erstmal eine Station finden, wo ich das Rad abstellen konnte. Ein Blick in die App beruhigte mich: Die nächste Station war keine 150 Meter entfernt. Pünktlich um halb sieben saß ich also in einem Railjet nach Wien. Für mich sollte es heute wieder nach Hause gehen. In Wien stieg ich in einen ICE nach Hamburg und damit in ein gefährliches Gebiet – das Hoheitsgebiet der Deutschen Bahn. Ein freier Sitzplatz war schnell gefunden und auch das WLAN funktionierte überraschender Weise zuverlässig. Es dauerte gute zwei Stunden bis das typische passierte – ein technischer Fehler, die Strecke sei nicht befahrbar, zwei Stunden Wartezeit. Irgendwie löste sich der Fehler in Luft auf und so kam ich mit „nur“ einer halben Stunde Verspätung in Hamburg an und konnte ganz entspannt in die Regionalbahn nach Rendsburg umsteigen. Gleich bist du zuhause! Gegen 22.00 Uhr stand ich dann vor dem Bahnhofgebäude und konnte meiner schon wartenden Familie in die Arme fallen!
Moin Felix,
ich freue mich sehr, auf diese Weise etwas von Ihren Reiseabenteuern mitzubekommen! Ich habe die ersten Storys genossen und bin gespannt auf folgende Berichte! Ich wünsche viel Glück beim Lösen der nicht mathematischen Probleme aber vor allem viel Spaß und tolle Begegnungen mit interessanten Menschen!
Gustav Venth