Montag 12.05.2025 – Gruta da Judéia
Den Vormittag gehe Ich entspannt an, schlafe lange aus, gehe Einkaufen, genieße mein klimatisiertes Hostel-Zimmer und packe dann langsam meine Sachen, die Ich gestern zum Trocknen überall ausgehängt hatte, wieder zusammen. Gegen Mittag gebe Ich zwei Nachhilfestunden und warte danach darauf, dass Kevin und Angela, die bereits heute Vormittag unterwegs gewesen waren, ins Hostel zurückkehren, damit wir uns gemeinsam auf den Weg zur „Gruta da Judéia“, der mit Abstand bekanntesten Attraktion des Ortes, machen könnten. Nach einer halben Stunde tauchen die Beiden auf und wir setzen uns zu dritt in ein Taxi. Neben der Tatsache, dass viele Dinge gemeinsam einfach mehr Spaß machen, gab es noch einen ganz praktischen Grund, warum Ich diesen Ausflug nicht alleine machen wollte – man zahlt den obligatorischen und nicht ganz billigen Guide pro Gruppe. Nachdem wir am Eingang zu dem Naturschutzgebiet darauf hingewiesen wurden, dass die die Wege nass und matschig seien, investiert Angela noch in Paar Leih-Gummistiefel – Ich bin dank den alten „Tevas“ meines Vaters, die er mir nach unserem gemeinsamen Urlaub dagelassen hatte, bestens ausgestattet. Eine knappe halbe Stunde wandern wir dann auf rutschigen Schlammpfaden durch den Regenwald, bis wir den ersten Wasserfall erreichen. Direkt hinter dem diesem befindet sich ein großes dunkles Loch – der Eingang zu einer Höhle – in dem Felsen. Wir nutzen den spektakulären Spot für einige Fotos, bevor wir, durch seichtes kristallklares Wasser wartend, tiefer in den Dschungel hineindringen. Schon bald ist das Wasser zur Belustigung aller tiefer, als Angelas Gummistiefel hoch sind – bei jedem Schritt platschte es nun hörbar hinter mir. Wenig später taucht zwischen dem Gestrüpp die berühmte Gruta da Judéia auf. Ein Wasserfall ergießt sich von einem Felsvorhang herab in einen flachen türkisfarbenen Pool – wie auf dem Bilderbuch! Hier gehen wir schwimmen, machen Fotos und erkunden einige der pechschwarzen Höhleneingänge in den Felsen. Als Angela am kommenden Tag die Höhle noch einmal mit Taschenlampe besucht, soll sie dort auf einen ausgewachsenen Alligator treffen – gut, dass uns die Taschenlampe heute fehlte! Nach einiger Zeit drängt unser Guide zum Aufbruch und wir machen uns auf den Rückweg zum Eingang, wo bereits unser Taxifahrer wartet und uns zurück zum Hostel fährt. Da Ich morgen sowieso in aller Frühe die verbleidenden 100 Kilometer nach Manaus trampen würde, mache Ich mich am Abend auf den Weg zu einer Tankstelle am Ortsausgang, wo Ich die Nacht in meinem Zelt verbringe. An Tankstellen zu Schlafen ist hier in Brasilien oftmals sehr komfortabel: Nicht selten gibt es kostenlose Trinkwasserspender, einigermaßen saubere Duschen und Toiletten, freies WLAN und einen kleinen Shop, in dem man die nötigsten Dinge kaufen kann – und man ist morgens direkt am richtigen Ort zum Trampen.
Dienstag 13.05.2025 – Die Metropole mitten im Amazonas
Aus meinem Plan schon in aller Frühe loszutrampen wird nichts und doch muss ich, als Ich um neun dann irgendwann an der Straße stehe, nicht lange warten, bis ein Auto anhält. In einem modernen Mercedes Sprinter nimmt man mich mit ins eineinhalb Stunden entfernte Manaus. Mit über zwei Millionen Einwohnern ist die Stadt eine Metropole, wie man sie inmitten des größten Regenwaldes der Welt wohl kaum erwarten würde. Geradeeben noch in einem kleinen Ort im Amazonas, lässt ich mein Fahrer nun auf einer lebhaften Einkaufsstraße im Zentrum der Millionenstadt raus. Nachdem Ich in einem der vielzähligen Geschäfte gefrühstückt habe, mache Ich mich auf die Suche nach meinem Hostel, welches Ich in Ermangelung anderer Optionen – mit dem Zelten dürfte es hier schwierig werden – für die nächsten Nächte gebucht hatte. Nachdem Ich meine Sachen im Hostel abgeladen habe, erkunde Ich die Altstadt. Schon nach wenigen hundert Metern sticht mir das weltberühmte „Teatro Amazonas“, ein geschichtsträchtiges Theaterhaus, mit seiner kunstvollen Bauweise ins Auge. Am Hafen angekommen, besorge Ich mir ein Fährticket – mein Plan war es nämlich Manaus am Freitag auf dem Wasserweg zu verlassen und den Amazonas hinunterzuschippern. Am Nachmittag fliehe Ich vor der schwülen Nachmittagshitze ins klimatisierte Dormitory und verlasse dieses erst am frühen Abend wieder, um ein Outdoor-Geschäft aufzusuchen, in welchem Ich mir eine frische Gaskartusche für meinen Kocher kaufe – die bekommt man hier glücklicherweise problemlos.
Mittwoch 14.05.2025 – Parque Janauari
Früh am Morgen gebe Ich eine Nachhilfestunde und genieße im Anschluss das kostenlose Frühstück des Hostels, dann mache ich mich auf den Weg in die Stadt – Mein Ziel: Ein Geldautomat. Als ob das Geldabheben hier in Brasilien nie ein Problem gewesen wäre, spuckt gleich der erste Automat, in den ich meine Karte stecke, Geld aus – Na also, wo war jetzt das Problem? Mit frischem Bargeld mache Ich mich auf den Weg zum Hafen. Manus selbst ist relativ langweilig, spannend wird es, wenn man mit einem Boot in den umliegenden Regenwald fährt – und genau das hatte ich vor! Schnell habe Ich jemanden gefunden, der mir für einen Bruchteil des GetYourGuide-Preises seine Dienste anbietet. Keine fünf Minuten vergehen, bis Ich in einem kleinen Motorboot sitze und wir auf den Amazonas hinaus zu unserem ersten Ziel fahren, dem „Encontro das Águas“ Unmittelbar vor Manaus trifft der dunkele „Rio Negro“ auf den schlammfarbenen „Rio Amazonas“ kennen. Dabei entsteht ein interessantes physikalisches Phänomen: Durch die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, Temperaturen und Dichten mischt sich das Wasser der beiden Flüsse vorerst nicht und es entsteht ein deutlich sichtbarer „Riss“ an der Oberfläche. Nach ein paar Fotos fahren wir weiter in einen der Seitenarme hinein. Schon bald ist die Skyline von Manaus nicht mehr zu sehen – man fühlt sich, als sei man inmitten des Dschungels. Am Ufer stehen einfache auf Stelzen gebaute Hütten, statt Straßenlärm hört man Vogelgezwitscher und die Schreie einiger Affen. Mit dem Boot legen wir an einem rustikalen Holzsteg an welcher tiefer in den Regenwald führt. Der Wald links und rechts des Steges steht, durch den aktuell recht hohen Pregel des Flusses, im Wasser – zu Rekordzeiten stand das Wasser dieses Jahr höher als die Stege, auf denen wir nun liefen. Am Ende des Holzpfads erwartet uns der Janauari-See, der für seine riesigen Seerosenblätter bekannt ist. Als wir uns nach einiger Zeit wieder auf den Rückweg zum Boot machen, stattet uns noch ein neugieriges Äffchen einen Busch ab. Nur wenig sind wir zurück im Trubel des Hafens von Manaus – was für ein Kontrast! Als Ich ins Hostel zurückkehre, treffe Ich auf Angela, die gerade eincheckt – sie war noch einen Tag länger in Presidente Figueiredo geblieben und würde, da ihr Brasilien-Visum auszulaufen drohte, morgen eine Fähre nach Peru nehmen.
Donnerstag 15.05.2025 – Erst die Arbeit, dann der Spaß
Mein Tag beginnt wieder einmal früh mit einigen Nachhilfestunden. Durch die sechsstündige Zeitverschiebung gab Ich diese nun hauptsächlich vormittags – auch wenn das manchmal dazu führte, dass Ich früh aufstehen musste, passt mir das ganz gut in den Kram: So hatte Ich gegen Mittag mein Tageswerk schon vollbracht und konnte den restlichen Tag ganz entspannt und flexibel gestalten. Abgesehen von den Dingen, die Ich bereits gesehen hatte, hat Manaus nicht sonderlich viel zu bieten und so verbringe Ich den Tag auch am Nachmittag größtenteils an meinem Laptop und tippe an meinem Blog. Zwischendurch stöbere Ich durch einen Markt, auf welchem Unmengen günstigster Kleidung angeboten werden. Für den Abend hatte Ich mir eigentlich vorgenommen eine der kostenlosen Vorstellungen des „Teatro Amazonas“ zu besuchen, doch in dem Theaterhaus fand gerade das jährliche Opernfestival statt – die Tickets waren seit Wochen vergriffen. Ich verzichte also auf Vivaldi und gucke mir stattdessen den Sonnenuntergang überm Amazonas an.
Freitag 16.05.2025 – Hängemattenschiff
Nachdem Ich am Morgen noch einige Besorgungen gemacht, eine Nachhilfestunde gegeben und mit einer Freundin in Deutschland telefoniert hatte, mache Ich mich am Vormittag mit Sack und Pack auf den Weg zum Hafen. Auf meinem handgeschriebenen Ticket stand zwar keine Uhrzeit, doch man munkelte, dass die Fähre normal gegen zwölf ablegte. Im Fährterminal bekomme Ich, nachdem Ich die „Hafensteuer“ bezahlt habe, ein richtiges Ticket und finde schnell die richtige Fähre. Kabinen oder Sitzplätze gibt es auf den Amazonas-Fähren nicht, stattdessen befinden sich auf den Decks Haken, an denen man seine Hängematte befestigen kann. Nachdem ich mir ein schönes Plätzchen gesucht habe und meine Hängematte erfolgreich hängt, schaue Ich auf die Uhr – halb zwölf! Zu meiner Verwirrung stand auf dem Ticket, welches ich bei Check-In erhalten hatte, eine Abfahrtszeit von 18:30 Uhr, Ich beschließe also den Hafen noch einmal zu verlassen, etwas Essen zu gehen und durch die Stadt zu bummeln. Zu meinem Glück hält mich eine Frau auf und rät mir auf der Fähre zu bleiben – die legt eine halbe Stunde später dann nämlich auch ab. Den restlichen Tag gammle Ich in meiner Hängematte vor mich hin, lese ein Buch und genieße die Aussicht.
Samstag 17.05.2025 – Seele baumeln
Einen weiteren vollständigen Tag würde es brauchen, bis die Fähre Santarém erreicht und so baumle Ich einen weiteren Tag in meiner Hängematte vor mich hin. Der immergleiche Blick auf das braune Wasser des Amazonas, verliert mit der Zeit seinen Reiz und wird eintönig. Hin und wieder hält die Fähre an kleinen Dörfern am Flussrand, dann herrscht für einige Minuten geschäftiges Treiben – Händler versuchen Obst, Softgetränke und Snacks loszuwerden. Als es mal wieder so weit ist, schnappe ich mir meinen Laptop und nutze die wenigen Minuten, in denen ich Empfang habe, um einen neuen Blog-Beitrag hochzuladen. Kaum habe ich auf „Veröffentlichen“ geklickt, ertönt auch schon das Schiffshorn und wir legen wieder ab. Wenn Ich nicht gerade ein Buch lese, dann lasse ich die vergangenen Wochen Revue passieren oder meine Gedanken kreisen um die kommenden Ziele und Länder. Nachdem Ich mich in Manaus mit einem anderen Reisenden über die Pazifikpassage unterhalten hatte, geht insbesondere dieser Streckenabschnitt mir nicht aus dem Kopf. Im Dunkeln erreicht die Fähre gegen 22 Uhr den Hafen von Santarém. Die allermeisten Leute packen ihre Hängematten zusammen und gehen, ein paar andere und Ich bleiben für die Nacht noch auf der Fähre – das spart die Suchen nach einer Unterkunft.
Sonntag 18.05.2025 – Kilometer machen
In den frühen Morgenstunden verlasse ich die Fähre und mache mich auf die Suche nach einem Café, in welchem Ich frühstücken und zwei Nachhilfestunden geben könnte. Santarém ist ein kleiner Ort, der abgesehen von seinem Fährterminal nicht viel zu bieten hat und so stelle Ich mich direkt nach den beiden Nachhilfestunden an die Straße und ergattere eine erste Mitfahrgelegenheit. Mein Plan war ambitioniert: Bis Ende nächster Woche wollte Ich es nach Salvador schaffen – bis dort waren es allerdings noch knappe 3500 Kilometer, was in etwa der Entfernung zwischen Stockholm und Madrid entspricht. Damit ich das in einer Woche schaffen würde, müsste ich also knapp 500 Kilometer täglich zurücklegen – auf geht’s! Meine erste Mitfahrgelegenheit lässt mich nach zweieinhalb Stunden Fahrt in einer Kleinstadt namens „Uruará“ raus, dort telefoniere Ich mit meiner Familie, bevor Ich mich wieder an die Straße stelle und meinen Daumen rausstrecke. Eineinhalb Stunden vergehen, ohne das ein Auto hält. Als dann endlich ein Auto hält, das sogar noch zu meinen Tagesziel fährt, ist die Freude groß. Die hält sich allerdings nicht lange, denn schon nach wenigen Minuten habe Ich erhebliche Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit meines Fahrers. Trotz des prekären Zustands seines Gefährts drückt er das Gaspedal voll durch, währenddessen fuchtelt er wild mit den Armen rum, boxt mich immer wieder in die Seite, und textet mich auf Portugiesisch zu – seinen Gestiken zufolge, hat er sich vor unserer Fahrt, irgendetwas durch die Nase gezogen. Als wir an einer Tankstelle halten, nutze Ich die Möglichkeit und steige drei Kreuze machend aus. Die Sonne ist gerade am Untergehen und Ich war nun in einem winzigen Dorf gestrandet – so kommt es, dass Ich erleichtert, ohne zweimal nachzudenken, in einen Bus steige der wenig später die Straße entlanggerollt kommt. Um halb acht erreicht dieser das Zentrum von „Altamira“. Zähneknirschend zahle ich den absurden Fahrtpreis, und stapfe dann noch sechs Kilometer aus der Stadt heraus, um zu einer Tankstelle zu gelangen, an der Ich die Nacht verbringen könne. Mein Magen knurrt, doch alle Geschäfte sind bereits zu – in Brasilien werden oft schon gegen sechs die Bürgersteige hochgeklappt. Vollkommen fertig hänge ich meine Hängematte zwischen zwei Bäumen auf und hoffe auf eine erholsame Nacht.
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