Montag 09.12.2024 – 13 Peaks Challenge
Um fünf Uhr dreißig klingelt mein Wecker. Marion und Melanie hatten für die erste Woche, die sie in Kapstadt waren, geplant die „13 Peaks Challenge“ zu machen. Wie der Name schon sagt erklimmt man im Rahmen dieser Challenge 13 Berggipfel – während man einen mehr als 100 Kilometer langen Rundweg über die Kap Halbinsel entlangwandert. Eine verrückte Trailrunner machen diese Challenge wohl in unter 48 Stunden – Marion und Melanie gehen das ganze mit sechs Tagen etwas entspannter an. Als die Beiden mir gestern erzählt hatten, dass einer der heutigen Gipfel der Tafelberg sei, hatte ich beschlossen mitzukommen – denn auf dem Tafelberg wollte ich unbedingt noch einmal rauf. Ich verabschiede mich also schon jetzt von Toni und Monika, die heute Abend nach Deutschland fliegen würden, und fahre dann mit den Damen zum Startpunkt der Tour, wo wir Lorenz, einen weiteren Mitstreiter, treffen. Nun zu viert, wandern wir los. Anfangs führt der Weg noch mit seichter Steigung am Fuße des ikonischen Tafelbergs entlang, dann wird es auf einmal schlagartig Steil. In Serpentinen führt der Weg immer steiler in die Höhe – über 800 Höhenmeter müssen bis zum „Maclear‘s Beacon“, dem Gipfel des Tafelberges, überwunden werden. Die Sonne hat inzwischen ordentlich Kraft und treibt uns den Schweiß aus allen Poren. Irgendwann tauchen dann eine Seilbahnstation und schick gekleidete asiatische Touristen auf – wir sind oben. Nach einer kurzen Pause geht es weiter – die meisten Höhenmeter für heute sind zwar geschafft, es fehlen aber noch fast 15 Kilometer Strecke. Über die zwölf Apostel laufen wir in Richtung des nächsten Gipfels. Als auch der dritte Gipfel geschafft ist, glauben wir schon fast wir seien fertig – doch der Abstieg hat es nochmal in sich. Meter für Meter geht es nach unten – manchmal nur an in der Felswand befestigten Metallstufen entlang. Immerhin die Aussicht über die atemberaubende Atlantikküste entschädigt einen für die Strapazen. Nach zehneinhalb Stunden kommen wir mit schweren Beinen an einem Parkplatz am Rande Hout Bays an – genug für heute! Marion, Melanie und Lorenz hatten sich für die kommenden Tage Unterkünfte in der Nähe des Trails gemietet. Ich hingegen mache mich mit einem Uber auf den Weg nach Hause – dort wartet nämlich bereits eine Nachhilfeschülerin auf mich.
Dienstag 10.12.2024 – Tagtäglich
Mit immer noch etwas schmerzenden Beinen, steige ich am Morgen in den Bus in Richtung Stadtzentrum. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt von heute an täglich die Stege des Royal Cape Yacht Clubs abzulaufen. Konsequent, komme was wolle! – dann könnte mir zumindest niemand vorhalten, dass ich mich nicht genug angestrengt hätte. Nachdem ich im Restaurant des Clubs meinen obligatorischen Milchshake getrunken haben, laufe ich also wieder die Marina ab und erzähle so vielen Menschen, wie nur irgendwie möglich, von meinem Vorhaben. Zurück zuhause will ich mich auch noch einer anderen Idee widmen. Neben Segelbooten bieten auch Container- und Kreuzfahrtschiffe die Möglichkeit über den Atlantik zu kommen – wobei ich glaube, dass die letzteren beiden Optionen aus bürokratischen und versicherungstechnischen Gründen im 21. Jahrhundert gar keine wirklichen Optionen mehr sind. Dennoch suche ich mir die Mailkontakte verschiedenster Reedereien zusammen und erläutere in dutzend E-Mails mein Anliegen. Während man über Frachtschiffe und ihre Routen kaum Informationen findet, finde ich ziemlich schnell ein passendes Kreuzfahrtschiff. Am fünften Januar 2025 legt die „Regent Seven Seas Splendor“ in Kapstadt ab und ist 14 Tage später in Rio de Janeiro. Nur der Kabinenpreis von etwa 6000€ sagt mir nicht ganz so zu – soviel hatte ich in einem ganzem Jahr Weltreise nicht ausgegeben. Aber vielleicht würde man mich ja als Praktikant gebrauchen können? … ich kann auch Teller waschen! Naja, auch wenn ich mir nicht viele Hoffnungen mache – Fragen kostet nichts!
Mittwoch 11.12.2024 – Abgewiesen
Die ganze letzte Woche über hatte ich mich unglaublich darauf gefreut heute mit Ralf, dem deutschen Segler, der mir angeboten hatte mit ihm nach Walvis Bay zu segeln, von Simons Town um die Kapspitze herum in den Hafen von Kapstadt zu segeln. Als ich am Montag Abend von der Wanderung zurückkam bekam ich dann eine E-Mail die in etwa Folgendes sagte: „Ich habe andere Leute gefunden, die ich lieber mitnehme. Für dich ist jetzt leider kein Platz mehr!“ Es war enttäuschend, irgendwie frustrierend und zugleich hatte ich das irgendwie schon geahnt – so etwas wie „Verbindlichkeit“ scheint in unserer modernen Gesellschaft einfach keinen Platz mehr zu haben. Anstatt heute zum RCYC zu segeln, mache ich mich also ein weiteres Mal mit dem Bus auf den Weg dorthin. Als ich mich dort angekommen, wie jedes Mal auf dem Tablett am Empfangstresen mit meiner Telefonnummer anmelde, poppt auf einmal eine Meldung auf „Sie haben die maximale Besuchsanzahl für diesen Zeitraum fast erreicht“. Wie bitte? Sooo oft war ich doch jetzt auch nicht hier gewesen. Schnell klicke ich die Meldung – bevor die Empfangsdame sie sieht – weg. Wie oft ich das allerdings noch machen kann, will ich ungerne ausprobieren. Viel los ist im Yachtclub heute nicht. Ich drehe also nur eine kurze Runde über die Stege A-D – dort liegen die meisten ausländischen Boote – und mache mich dann auf den Rückweg. Zurück zuhause mache ich mir Pfannkuchen und freue mich dann auf die neue „Manhunt“-Folge, die gleich pünktlich zum Essen rauskommen würde.
Donnerstag 12.12.2024 – Meine Chance?!
Genau einen ganzen Monat war ich nun in Kapstadt. Nur acht mal war ich seitdem im Royal Cape Yacht Club – dem größten Segelhafen der Region – gewesen und schon stand ich vor dem Problem, dass meine „maximale Besuchsanzahl“ ausgereizt war. Obendrein tröpfelt es, als ich am Morgen aus meinem Fenster gucke und ich habe sowieso noch etwas am Laptop zu erledigen – obwohl schon Donnerstag war, hatte ich noch nicht einmal angefangen, den Blog-Beitrag über die vergangene Woche zu schreiben – ich würde meinen zwei Tage alten Vorsatz, täglich in den Yachtclub zu gehen, also gleich heute wieder brechen und zuhause bleiben – Wie war das noch mit Verbindlichkeit? Den Vormittag über komme ich gut voran. Als zum Mittag dann die restlichen Pfannkuchen esse und währenddessen durch einige Facebook-Crewvermittlungs-Gruppen scrolle, stoße ich auf eine Anzeige, die dafür sorgt, dass ich den ganzen restlichen Tag nicht mehr ruhig sitzen kann. Ein amerikanischer Kapitän sucht nach Crew für seine Atlantiküberquerung. Man brauche nur minimale Segelerfahrung, der Captain wirkt sympathisch und ist erfahrener Segler. Losgehen soll es direkt nach Weihnachten und sein Boot liegt an keinem anderem Ort als RCYC. Die Anzeige ist wirklich vollkommen perfekt, es gibt einfach keinen Haken – abgesehen davon, dass schon etwa 50 Menschen den Post kommentiert haben und ebenfalls Interesse zeigen. Sofort verwerfe ich das Blog schreiben und schreibe stattdessen eine Mail in der ich mich auf die Anzeige bewerbe. Das ist meine Chance! Ich müsste morgen unbedingt in den Hafen fahren und persönlich mit diesem Kapitän sprechen.
Freitag 13.12.2024 – Chance verpasst
Hochmotiviert und zuversichtlich mache ich mich am Vormittag auf den Weg zum Hafen. Zu meinem Glück begrüßt mich am Empfangstresen ein mir noch unbekannter Mitarbeiter. Ich kann mich also noch einmal neu registrieren – diesmal mit meiner deutschen anstelle meiner südafrikanischen Telefonnummer – und habe damit das Problem ausgereizten Besuchsanzahl gelöst. Als ich in den Club komme, läuft mir Brian – der Kapitän, dessen Crewgesuch ich gestern auf Facebook entdeckt hatte – förmlich in die Arme. Leider hat er schlechte Neuigkeiten für mich: Nachdem er auf den Post hin über 150 Nachrichten bekommen hatte, hatte er sich einfach für die ersten passenden Bewerber entschieden – ich war zu spät. Dennoch macht mir der sofort symphytisch wirkende Amerikaner Hoffnung: In den nächsten Wochen dürften noch etwa 50 private Crusing-Boote in Kapstadt vorbeikommen, dazu noch die Flotten der „Oyster World Rally“ und der „World ARC“. Ich solle einfach so weitermachen, wie bisher – auf Facebook gucken, in den Marinas Kontakte knüpfen – dann würde ich ganz sicher ein Boot finden. Für den Fall das eines der beiden Crewmitglieder die Brian rekrutieret, doch noch wieder abspringen sollte tauschen wir noch unsere Nummern aus – die Hoffnung stirbt zuletzt. Die „World ARC“, von der Brian mir erzählt hatte, hatte ich bisher noch nicht auf meinem Schirm. Bei einem Blick auf das Online-Tracking, stelle ich fest, dass die Boote – genauso wie die der „Oyster World Rally“ – in der Marina in der Waterfront liegen. Schnell mache die Website eines Kieler Bootes, dass bei der Rally mitfährt, ausfindig und schon wenig später klingelt mein Telefon und ich habe eine Einladung in die Marina. Platz auf dem Boot habe man für mich zwar nicht, aber der norddeutsche Segler möchte mich trotzdem gerne kennenlernen. Am Abend kommen Marion, Melanie und Lorenz nach Hause. Sie sind mit ihrer „13 Peaks Challenge“ nun fast fertig – Morgen wäre der letzte Tag. Ich beschließe ein weiteres Mal mitzukommen und wir bestellen gemeinsam Pizza.
Samstag 14.12.2024 – Devils Peak
In der Hoffnung, dass die morgendlichen Temperaturen noch etwas angenehmer sind, klingelt der Wecker wieder einmal früh. Heute steht nur ein Gipfel auf dem Tagesplan, der hat es dafür allerdings in sich – die Etappe ähnelt mit knapp 20 Kilometern und etwas über 1000 Höhenmetern der vom Montag. Es geht gleich mit einer beachtlichen Steigung los – doch auch wenn der Aufstieg steiler ist, als noch am Montag, macht der Schatten auf dem bewaldeten Berghang das Wandern wesentlich angenehmer. Nach neun steil in die Höhe führenden Kilometern erreichen wir das Gipfelkreuz des „Devil’s Peak“ von dem aus man einen hervorragenden Blick über das Stadtzentrum von Kapstadt hat. Von jetzt an geht es nur noch bergab – trotzdem ziehen sich die letzten zwölf Kilometer in der brutzelnden Sonne noch einmal ordentlich in die Länge. Am Signal Hill, dem Start- und Endpunkt der Challenge angekommen, belohnen wir uns erstmal mit einer kalten Cola. Nachdem sich unsere müden Häupter etwas von der Wanderung erholt und wir jeder unsere warme Dusche bekommen haben, lassen wir den Abend noch in einem Restaurant mit gutem Essen ausklingen.
Sonntag 15.12.2024 – Überraschungsbesuch
Die Kapstädter „Hillsong Church“ zu besuchen stand schon lange auf meiner Liste – heute bot sich das besonders an, denn in der Kirche würde heute das jährliche „Christmas Spectacular“ – eine Mischung aus Gottesdienst und Musical – stattfinden. Mit einem Uber mache ich mich am Morgen also auf den Weg zur Veranstaltung, bei der mich anderthalb Stunden mit Worship-Musik bepacktes Programm erwarten. Als ich aus dem dunklen Veranstaltungsaal komme, regnet es draußen. Mist! … meine Wäsche hängt noch auf der Leine! In Anbetracht des wenig berauschenden Wetters verbringe ich den Nachmittag – nachdem ich meine nasse Wäsche auf einem Wäscheständer unters Dach gestellt habe – mit einem Netflix-Film im Bett. Am Abend telefoniere ich wie gewohnt mit meiner Familie, die eine Überraschung für mich – und meine ebenso schockierte Schwester – hat. Mein Vater hatte meiner Mutter – nachdem sich abzeichnete, dass ich bis Weihnachten kein Boot finden würde – zum Nikolaus ein Flugticket nach Kapstadt geschenkt. Schon Ende nächster Woche käme meine Mutter also und würde dann gemeinsam mit mir Weihnachten hier in Kapstadt verbringen. Was für eine gelungene Überraschung!
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!